laut.de-Kritik

Das war der New Wave der 80er Jahre - in Frankreich.

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Da hat sich der gute Marc Collin wohl etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt, als er 2009 verkündete, "3" sei das "wahrscheinlich letzte Album, dass sich auf New Wave bezieht." Dabei traut man seiner Band mittlerweile ja alles zu: Ein reines Tom Waits-Coveralbum oder eine Death Metal-Klassikersammlung, eingehaucht von französischen Pop-Chanteusen mit lustigem Akzent? Alles denkbar.

Stattdessen: Wieder New Wave. Allerdings eine, bei der ausnahmsweise nur die wenigsten mitreden können, da es sich um die französische Szene handelt. Was in unserem Nachbarland hip ist, fand schon Anfang der 80er Jahre selten den Weg in die deutschen Charts. Hiesige Nouvelle Vague-Fans erleben damit eine Premiere: Sie kennen maximal die Hälfte der Albumtracks.

Dem Hörerlebnis ist das durchaus zuträglich, zumal der hierzulande wohl bekannteste Song, "Marcia Baila" von Les Rita Mitsouko, in seiner anämischen Version dem Original nicht ansatzweise gerecht wird. Auch an "Sur Ma Mob" gewöhnt man sich schwer, zumindest wenn einen die Anfangsakkorde an BAPs "Verdamp lang her" erinnern.

Dennoch: Für die nötige Abwechslung sorgen diesmal 16 verschiedene, weibliche wie männliche (!) Protagonisten der französischen Popszene. Vanessa Paradis säuselt unwiderstehlich auf "Week-End à Rome" (im Original von Etienne Daho), Coralie Clément schnappte sich "Je Suis Déjà Parti" von Mirwais' alter Combo Taxi Girl, und die alte Nouvelle Vague-Bekannte Camille beeindruckt einmal mehr mit ihrem rauhen Organ auf "Putain Putain".

Beim frankophilen Fachpublikum hätte sich eine French New Wave-Coverplatte ohne einen Indochine-Song selbstverständlich als einzige Lachnummer erwiesen. Gut, dass Collin und sein Partner Olivier Libaux mit "L'aventurier" nicht nur den wohl größten Hit der Band, sondern mit Helena Noguerry und Louis Ronan Choisy auch ein fähiges Duo ausgewählt haben. In deren Händen verschmilzt der hektische Synthie Pop-Song zu elegantem Bossa Nova-Pop.

Dasselbe könnte man wohl über Manu Chaos alte Band Mano Negra sagen, deren "Mala Vida" aber eine ebenso zartfühlende und geschmeidige Neu-Interpretation erfuhr. Insofern gilt für "Couleurs Sur Paris", was im Prinzip schon für alle bisherigen NV-Alben galt: Man kann sie gut nebenher laufen lassen, doch wer sich eingehender mit den Songs beschäftigt, stößt hier und da auch auf echte Cover-Trüffel.

Trackliste

  1. 1. Voila les anges
  2. 2. L'aventurier
  3. 3. Week-End à Rome
  4. 4. Putain putain
  5. 5. Marcia baila
  6. 6. Anne cherchait l'amour
  7. 7. Ophelie
  8. 8. So Young But So Cold
  9. 9. Sandy Sandy
  10. 10. Mala vida
  11. 11. Oublions l'Amerique
  12. 12. Amoureux solitaires
  13. 13. Two People In A Room
  14. 14. Sur ma mob
  15. 15. Dereglee
  16. 16. Je suis déjà parti

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