laut.de-Kritik
Headbangen und Kopfnicken - zwei Parts, ein Brett!
Review von Eberhard Dobler"Hip Hop - not carin', sharin'", rappt Del The Funky Homosapien zu J Mascis' Gitarren. Die Textzeile trifft den Kern dieses außergewöhnlichen Soundtracks. Alternativerocker, Metaller, Funkrocker und Grunger kollaborieren hier mit Hip Hoppern.
Was Aerosmith/Run D.M.C. ("Walk This Way", September 1986) oder Public Enemy/Anthrax ("Bring The Noise", Juli 1991) szene- und öffentlichkeitswirksam auslösten, wuchs 1993 zu einem Albumprojekt an, dessen Namedropping-Faktor noch heute aufhorchen lässt.
Von einem Soundexperiment kann zu der Zeit gleichwohl nicht mehr gesprochen werden: Das Genre Crossover steuerte bereits auf seinen Höhepunkt zu, Rapmetal oder Raprock wurden als Vorläufer des Nu Metals gängige Begriffe. Gruppen wie Faith No More, Beastie Boys, Body Count, Fishbone, RATM und die Peppers praktizierten längst erfolgreich die Verschmelzung verschiedener Stile von Metal bis Jazz.
Gleichwohl klingen die Namen der "Judgment Night"-Bandkombis heute noch legendär, ja fast abenteuerlich. Sie trafen den Nerv der damaligen Zeit - Faith No More und Boo-Yaa T.R.I.B.E., Slayer stehen Ice-T gegenüber, Cypress Hill chillen mit Sonic Youth oder Helmet bouncen mit House Of Pain.
Und so wurde der Soundtrack eines mittelmäßigen Actionthrillers mit Emilio Estevez und Cuba Gooding Jr. zur wohl wichtigsten Crossover-Platte überhaupt: Headbangen und Kopfnicken als zwei Seiten einer Medaille.
Slayer nageln mit Ice-T und "Disorder" naturgemäß den härtesten Track der Platte ein, astreiner Thrash/Hardcore. In Sachen Härte folgt mit seinen charakteristischen Samples "Just Another Victim" von Helmet und House Of Pain. Die Nummer fällt etwas aus dem Rahmen, geht doch ein Alternative Metal dominierter Part nach gut der Hälfte in einen Hip Hop-Abschnitt über: zwei getrennte Parts, ein dickes Brett.
Faith No More und Boo-Yaa T.R.I.B.E. reichen atmosphärisch mit einem zwielichtig fiesen Groove, den schwergewichtigen Boo-Yaa-Lines und Mike Pattons Noise-Wahnsinn an die Boshaftigkeit von Slayer/Ice-T heran. Im bösen Kopfnick-Midtempo, kombiniert mit verzerrten Gitarren, bewegen sich Biohazard und Onyx beim Titelsong sowie Therapy? mit Fatal (das aggressive "Come And Die").
Die einzige Ballade bzw. den melodiösesten Track liefern Teenage Fanclub und De La Soul mit dem sanftmütigen "Fallin'" ab. Ein bluesig-souliger Wohlfühler mit zurückhaltenden Gitarren und dezentem Rhythmus. Living Colour und Run D.M.C. spielen dann so auf, als hätten Rock, Hip Hop und Funk schon immer zusammen gehört.
Sonic Youth und Cypress Hill lassen es bei "I Love You Mary Jane" dagegen benebelt bassig und psychedelisch abgebremst angehen - die Gitarren werden maximal als Effektgeräte genutzt. Die Hillers waren zudem die Einzigen, die zwei Mal ran durften. Das rockig eingängige "Real Thing" ist ein exemplarisches Beispiel dafür, wie eine Rockband Hip Hop spielen kann: Pearl Jam schieben Livebass und Drums samt lautem Hi-Hat nach vorne, während die Gitarren in den Hintergrund rücken.
Dinosaur Jr. und Del The Funky Homosapien haben gegen Ende den vielleicht coolsten Song der Scheibe auf der Pfanne. Mascis verteilt mehrere krächzende Gitarrenspuren im Raum und die Drums bilden ein bassiges Fundament, über dem der Hieroglyphics-MC flowt, was das Zeug hält - das Ding rollt bis zum Schluss. Der Trackname passt nebenbei perfekt zum Plattenprojekt - "Missing Link".
Die Grunge-Vorreiter Mudhoney und Rapper Sir Mix-A-Lot entschieden sich für einen bandorientierten Uptempo-Rocktrack mit 60s-Garagensound-Feeling. Allein diese Kollabo beweist die Einzigartigkeit der Platte.
Der Soundtrack war am Ende vier Singles stark, kletterte bis auf Rang 17 der Billboardcharts und holte Gold, was angesichts der Beteiligten natürlich wenig wundert. Der eigentliche Film kam weit weniger gut an. 2005 erschien noch ein zweiter Soundtrack mit reinem Scoresound.
Das "Judgment Night"-Konzept wurde 1997 vom selben Executive Producer, dem Immortal Records-Gründer Happy Walters, erneut aufgegriffen: Für den "Spawn"-Soundtrack kollaborierten nun Metal-/Rockacts mit elektronischen. 2002 brachte er auch den "Blade II"-Soundtrack auf den Weg - diesmal kreuzten Hip Hopper und Elektroniker die Klingen.
Zwei Jahre zuvor war aber bereits eine Art legitimer "Judgment Night"-Nachfolger erschienen, wenn man so will: Für eine Platte namens "Loud Rocks" trafen sich wieder Rap- und Hardrockacts im Studio.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
23 Kommentare
YEAH - DAS IST CROSSOVER. Legendäres Album voller Hits, einfach großartig! Natürlich seit 93 mein Eigentum (und immernoch im Auto-CD-Folder dabei).
Wahnsinn, die habe ich mir damals sofort zugelegt! Bis auf 'Come and Die' und 'Freak Momma' finde ich die Tracks super, auch nach all den Jahren. Eine abwechslungsreiche Mischung und hochrangige Interpreten, so muß Crossover klingen!
Der Film ist nicht nur fuer mich ein Klassiker der Neunziger. Denis Leary der komplette Psycho, oh Mann. Seine standups sind auch unbedingt empfehlenswert. Das Gute an dem Film ist, dass das in den Teilen Chicagos damals (wie heute auch noch) eigentlich genau so haette passieren koennen, nur dass die Delinquenten eben immer juenger und kaltbluetiger werden (s. Keef und die ganze Szene drum herum). Der Film ist halt einfach Unterhaltung pur. Soundtrack war mir egal, rap und Gitarren gehoeren nicht zusammen, das wird sich fuer mich auch nie aendern.
Da muss ich dem Akademiker recht geben, Biohazard waren bis zum genannten Zeitpunkt echt okay. Man sollte vielleicht auch die Zeit und unser Alter berücksichtigen. House of Pain haben - neben den Party-Nummern - auch ein paar ordentliche Sachen abgeliefert. Klar, da gab es damals auch wesentlich besseres, aber ich liebe HoP für Zeilen wie diese:
When I die, Bury me
Hang my balls on the cherry tree
Let them git ripe
Then take a bite
And if they don't taste right
Then dont blame D
Yeah!
Unreal
is so real!
Musste gesagt werden, in diesem Sinne: Kudos to you!