laut.de-Kritik

Zick-Zack-Kurs in entrückte Klangwelten.

Review von

Eigentlich war Mike Hadreas, der Mann hinter Perfume Genius, bisher immer warm und weich zu uns. Mit seiner getragenen Stimme, die er so sachte über seine tief dringenden Klavierakkorde legt, begeisterte er nicht zuletzt große Künstlerkollegen wie The National für sich.

Die coverten den Titeltrack seines Erstlings auf ihrer letzten Tour. Hadreas schlägt auf seinem neuesten Werk aber einen gänzlich anderen Weg als den des Singer/Songwriters ein. Er erzeugt auf "Too Bright" die Illusion von künstlicher Unnahbarkeit – und macht sich dadurch zum Über-Musiker, der seine Songs wie ein Dompteur kontrolliert und ihnen neue Gewänder verpasst.

Das bereits dritte Album des Amerikaners wirkt daher wie der bestimmte Entschluss eines Reisenden zur Kehrtwende. Auf der einen Seite gibt es sie noch, besagte Stücke, die still und puristisch, nur mit Klavier und Gesang und wenig Instrumentierung große Rührung in die Köpfe tragen. Das Gespür hierfür hat Perfume Genius nicht verloren.

Im Gegenteil, davon lebt auch "Too Bright" über weite Strecken: Die Platte fährt einen Zick-Zack-Kurs. Songs, die bereits auf einem der vorigen Perfume Genius-Alben ihren Platz gefunden hätten, wechseln sich mit von Synthesizern durchzogenen, sterilen Tracks ab und bilden so das Gegenstück zu den lebenden, organischen Klavierstücken.

Mit Adrian Utley (Portishead) an den Synths und John Parish (PJ Harvey) stehen Hadreas hier zwei zur Seite, die wissen, wie man entrückte Klangwelten erschafft. Als hätte der Musiker aus Seattle die Bestie in sich entdeckt, die zwar majestätisch, aber genau so herablassend agiert: "Don't you know your Queen?"

Die erste Single "Queen" schlägt in dieser Hinsicht noch eher harmonische Portishead-Melodien an, bevor es in stilisierten Stammgesängen mündet und "Fool" ankündigt. Das wiederum startet mit fettigen Synthies und schweißgetränktem Fingerschnippen, bevor man plötzlich nicht mehr weiß, wo das Stück überhaupt hin möchte: Stille.

Dann Orgel, und – darauf arbeiten die Perfume Genius-Songs ausnahmslos hin – das überraschende Moment: Auf das abrupte Ende dieses folgt ein zweiter Teil des Songs, der hier ziemlich folkig klingt, an anderer Stelle dann wieder für einen Musical-Moment gut ist ("Too Bright").

Dieses Album ist ein schwarzes Loch. Seine Songs stiften abwechselnd melancholische Lebensfreude, um sie in der nächsten kleinen Episode wieder zu verschlingen. Doch genau diese Kehrtwenden verpassen "Too Bright" kräftige Konturen.

Zwischen all dem Piano-Purismus und den elektronischen Spielchen wirft Perfume Genius stets den Gedankenblitz ein: Welches Loch grabe ich als nächstes – und wie pflastere ich es wieder zu? In diesem Spagat zwischen Unzugänglichkeit und wohl dosiertem Effekt liegt wohl die Genialität dieser Platte.

Trackliste

  1. 1. I Decline
  2. 2. Queen
  3. 3. Fool
  4. 4. No Good
  5. 5. My Body
  6. 6. Don't Let Them In
  7. 7. Grid
  8. 8. Longpig
  9. 9. I'm A Mother
  10. 10. Too Bright
  11. 11. All Along

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