laut.de-Kritik
Erbauliche Klagelieder für Piano, Streicher und Gitarre.
Review von Michael SchuhEs tut mir ja Leid, das nun einmal in aller Deutlichkeit klarstellen zu müssen (mein verehrter Kollege Edele), aber maßgeblich ist es doch an Apocalyptica, dass dem Instrument Cello im Zusammenhang mit Rockmusik seit Jahren großes Unrecht widerfährt. Schnell ist in Expertenkreisen für die von den Finnen bevorzugte, exzessive Form der Saiten-Liebkosung das Wort "virtuos" zum Lieblingsadjektiv empor gestiegen. Wer dagegen Befriedigung darin findet, das weite Feld der sanften Melancholie auf Cello-Tauglichkeit abzuschreiten, findet die wahren Qualitäten des Streichinstruments meist zügiger, sei es bei Lambchop oder im Reich der Magnetic Fields.
Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während der Opener des hierzulande weithin unbekannten Singer/Songwriters Perry Blake anläuft. Lebensüberdrüssig lässt er ein Cello über einem E-Piano baumeln, täuscht akustische Schwermut vor, und foppt die Erwartungshaltung sogleich durch Einführung punktierter Synthiesounds und Drum-Loops. Schick. Dies führt im Falle von "We Are Not Stars" obendrein zum Song-Highlight des Albums, das sich aufgrund seines elektronischen Unterbaus glatt auch in die Herzen von Düstertempel-geeichten Wolfsheim-Fans spielen könnte.
Damit wir uns richtig verstehen: Der Ire Perry Blake ist kein verkappter Dark Waver, sondern ein enger Freund der Akustischen, der sich (nicht ganz zu Unrecht) in der Tradition solch glorioser Vorreiter wie Nick Drake oder Leonard Cohen verortet sieht, wovon bereits drei Studioalben entfernt Zeugnis ablegen. Ließ er auf dem letzten Werk "California" noch deutliche Marvin Gaye-Vorlieben durchschimmern, präsentiert er uns auf "Songs For Someone" eine Sammlung dezent instrumentierter Klagelieder für Piano, Streicher und Gitarre, die so ziemlich allem, nur keiner Tragik entbehren.
In Frankreich füllt er mit seinem existenziellen Electronic City Blues bereits große Hallen, und man darf annehmen, dass hierfür vor allem Horden an Amélie-vernarrten Kuschelbärchen im Paarverbund verantwortlich sind. Songs wie das tagträumende "When I'm Over You", das elegische "Travelling" oder "Ava" sind aber auch wirklich zauberhaft. Und dass der Ire gerne einmal mit Alison Goldfrapp oder Björk zusammen arbeiten würde, kann man sich irgendwie auch gut vorstellen. Zwar behält der Meister des Ennui das Zepter auf Albumlänge nicht immer fest in der Hand, lässt in "Tropic Of Cancer" gar Simply Red am Horizont aufleuchten. Dafür erliegen wir in "The Fox In Winter" wieder seinen stilsicher gesetzten Cello-Klängen, und bilden uns sogar ein, dass Martin Gore im Refrain hinterm Mikro steht.
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