18. August 2021
"Da steht der Metal-Fan neben der Oma"
Interview geführt von Eberhard DoblerDer junge Singer/Songwriter Pez hat gerade mal eine EP in der Tasche und schon ein klares Ziel vor Augen: Mit seinen Country-Rock-Songs will er die Tür zum Mainstream aufstoßen. Und man muss konstatieren: Absolut radiotauglich produziert und massentauglich klingt die Musik des Oberpfälzers allemal.
Mit seinem ersten größeren Release "All Lowercase" hat Peter Geyer aka Pez ein kaum zu überhörendes Ausrufezeichen in der deutschen Country-Rock-Szene gesetzt haben. Dabei weist der 24-Jährige einen bis dato durchaus erstaunlichen Karrieregang auf.
Warum begeistert dich eigentlich gerade Country?
Als Bayer ist man dem Country gar nicht so fern, wie man glaubt. Bei uns sagt man: 'Scheiß da nix, dann fehlt da nix'. In den USA hieße das einfach 'laidback'. Neben dem ganzen Country-Kult und der dazugehörigen Einstellung zum Leben ist das Genre selbst auch wahnsinnig vielseitig und vielschichtig. Einflüsse aus Rock, Pop, aber auch härteren Richtungen machen den modernen Country zum Schweizer Taschenmesser – vergleichbar mit der Vielfalt im Metal. Country ist daher für mich auch zu 100 Prozent massentauglich.
Country hat in Deutschland seit nach dem Zweiten Weltkrieg eine beständige Fangemeinde. Wie würdest du die heutige Szene bzw. deren Stellung in der deutschen Musiklandschaft beschreiben?
Die Country-Community in Deutschland ist, ohne etwas schön reden zu wollen, absolut einmalig! Das hat eindeutig Familien-Charakter. Gerade bei Country-Konzerten oder dem jährlichen C2C-Festival in Berlin trifft man auf eine weltoffene, liebenswürdige und vor allem sehr, sehr hilfsbereite Gemeinschaft! Leider muss man aber auch anerkennen, dass Country – und da spreche ich von modernem Country(-Rock/-Pop) – in Deutschland nach wie vor völlig unterschätzt wird. Aber altbacken ist da schon lange nichts mehr. Schaut man mal ins Mutterland des Country, sieht man, wie regelmäßig Country-Stars die Charts und teilweise sogar die Billboard-Charts toppen. Zum Glück schwappt dieser Trend mehr und mehr zu uns rüber. Die Community wächst immer weiter, und das ist auch gut so.
Und wo verortest du dich selbst in der Szene?
Ich genieße es einfach, mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Ich lerne seit dem Release von "All Lowercase" gefühlt jeden Tag neue Menschen aus dieser Community online kennen, die mich begleiten möchten und hinter meiner Musik stehen. In der Szene selbst bin ich ja noch relativ neu. Ich wurde aber toll aufgenommen, und ich denke, wenn auch mal Konzert-technisch wieder mehr geht, wird sich da was ganz Tolles entwickeln.
Deine EP wurde in Country-Kreisen also gut aufgenommen?
Sehr, sehr gut. Und ich muss ehrlich sagen, das war so nicht abzusehen. Wie in jeder Szene gibt es natürlich auch die üblichen Kritiker und Die-Hard-Fans. Aufgrund meines doch eher bunten Mixes dachte ich, würde ich denen eine sehr große Angriffsfläche bieten. Aber die EP bekam stattdessen viele wahnsinnig schöne und tolle Kritiken! Ich bin wirklich überglücklich, dass das so gelaufen ist. Ich denke, das ist schon ganz okay für ein erstes Lebenszeichen. (lacht)
"Ich konnte immens viel von den Domspatzen mitnehmen"
Wer sind denn deine musikalischen Vorbilder?
Puh, das sind wahnsinnig viele. Im Country würde ich sagen Darius Rucker, Luke Combs oder was die Lyrics angeht auch Hardy. Allgemein begeistern mich aber viele MusikerInnen und Bands aus Country, Rock, Metal oder Punk. Diese unterschiedlichen Einflüsse hört man auch definitiv in meiner Musik, denke ich.
Noch mal ein paar Schritte zurück: Wolltest du schon als Kind Musiker werden? Andere denken in dem Alter vielleicht eher an Fußballer, Astronaut oder dergleichen ...
Ich stand als Baby mit der Windel auf der Bierbank und habe mit dem Arsch zur Musik gewackelt. Ich denke, da war schon alles klar. Als mir meine Oma dann mit vier Jahren ein Akkordeon vom Flohmarkt in die Hand gedrückt hat, ging der Spuk so richtig los. Für mich gab es eigentlich nie eine andere Option.
Im Alter von zehn Jahren kamst du zu den Regensburger Domspatzen. Was war das für ein Gefühl, als du mit dem Chor aus einem kleinen Städtchen wie Mitterteich in die große, weite Welt hinausgezogen bist?
Ich hatte nie sonderliche Berührungsängste mit 'Neuem' und 'Aufregendem'. Der Schritt selbst war also gar nicht so groß. Die Möglichkeiten, Erlebnisse und lebensprägenden Erfahrungen die ich machen durfte, waren dafür umso genialer! Konzertreisen durch Deutschland, Europa und die USA. Hunderte Konzerte gesungen, tausende Menschen kennengelernt und wahnsinnig viele schöne Dinge erlebt. Für mich persönlich war dieser Schritt eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Was war denn dein aufregendstes Erlebnis mit den Domspatzen?
Puh. Schwierige Frage. Plump könnte ich jetzt sagen: die USA-Konzerttour und ein kleines Konzert am Grand Canyon bei Sonnenuntergang. Aber da war einfach so viel mehr. Man muss sich das mal vorstellen: Man verbringt jeden Tag in der Woche mit seinen besten Kumpels. Ganz Deutschland und Teile Europas mit vielen hunderten Konzerten abgegrast, tausende Kilometer im Bus zurückgelegt und ganz, ganz viel Musik. Da gabs echt einen Haufen aufregender Erlebnisse. Aber die USA-Tournee setzt dem Ganzen schon die Krone auf.
Beeinflusst die Zeit bei den Domspatzen eigentlich deine Solokarriere?
Mehr als man vielleicht glauben mag. Klar, die Musikrichtungen könnten unterschiedlicher nicht sein. Aber was musikalische Ausbildung und Professionalität, Bühnenerfahrung, Zwischenmenschlichkeit und Erfahrung angeht, konnte ich immens viel von den Domspatzen lernen und mitnehmen.
"Es kommen immer wieder Ideen aus anderen Musikrichtungen dazu"
Wie reagieren die Menschen in deinem Heimatort, wenn sie dich sehen? Hat es sich rumgesprochen, dass du eine Karriere als Country-Musiker planst?
In einer Stadt mit knapp 7.000 Einwohnern ist es eher schwierig, völlig unterm dem Radar zu fliegen. Aber das schätze ich auch sehr, muss ich sagen. Da ist jetzt niemand dabei, der sagt 'Ah schau hin, der Pez. Na was meinst, wird das noch was mit dir?'. Im Gegenteil. Ich bin dankbar für meine Leute aus der Heimat, die mich seit Jahren unterstützen und fördern. Und würde man mal sehen, wer hier alles meinen Country hört, wäre das Country-Problem, das Deutschland scheinbar hat, auch schnell gegessen. (lacht) Da steht halt dann der Metal-Fan neben der Oma und gemeinsam gehen sie ab wie Schnitzel.
Deine Bandmitglieder, waren die ebenfalls schon Country-Fans, oder sind sie mit dir da erst 'hineingewachsen'?
Teils, teils, würde ich sagen. Ich hatte ja mit zwei meiner Bandkollegen bereits viele Jahre eine Pop-Punk-Coverband am Start. Und jetzt wirds fast philosophisch: Ich behaupte seit Jahren, dass diese beiden Genres extrem viel miteinander zu tun haben! Einfach mal den Drumbeat tauschen und die Verzerrung aus der Gitarre nehmen - du würdest staunen. Auf jeden Fall sind wir da auch gemeinsam mehr und mehr reingewachsen. Aber gerade, weil sie jetzt nicht die absoluten Die-Hard-Country-Fans sind, tut das der Musik immens gut. So fährt sich nichts fest, und es kommen immer wieder Ideen aus anderen Musikrichtungen dazu.
Mit Coversongs hast du ja Erfahrung, aber warum landete gerade Depeche Mode auf deiner ersten EP?
Der Release eines Covers birgt ja immer das gewisse Risiko, in sämtlichen Kritiken komplett auseinandergenommen zu werden. Das Risiko bin ich aber gerne eingegangen. "Enjoy The Silence" ist seit Jahren einer der letzten Songs bei meinen Konzerten, der zudem in dieser Version immer extrem gut beim Publikum ankommt. Somit war für mich klar, dass er die EP auch abschließen sollte. Dazu kommt, dass es zig tausende Covers des Songs gibt – allesamt aber eher melancholisch oder aus dem Metal-Bereich. Da hat einfach noch was gefehlt für mich. Das mega Feedback jetzt im Nachhinein macht mich natürlich umso glücklicher!
In unserer Plattenkritik schreiben wir, dass man sich von dir manchmal eine 'rauere' Herangehensweise, vielleicht im Sinne von Alternative Country, wünschte. Was ja durchaus zu deinem Taubertal-Auftritt 2019 passen würde ...
Ich glaube, ich stehe mit meiner Musik für 100-prozentige Diversität. Bei mir gibts den Americana-Stomp-Folk-Song genau so auf die Mütze wie den etwas raueren Alternative-Country-Song. Meine Stimme macht das zu einem guten Stück auch mit, denke ich. Gerade weil Country so viele Gesichter haben kann, will ich mich da aber auch gar nicht einschränken. Bei der EP war mir jetzt mal wichtig, möglichst viele Seiten von mir zu zeigen. Was die Zukunft bringt, wird man sehen. So viel sei aber gesagt: Langweilig wird es mit mir und meiner kommenden Musik nicht, denke ich nicht! Da wird von klassisch folkigen bis zu raueren Alternative-Einflüssen alles dabei sein.
Dann steht also bald das erste Full Length-Album am Horizont?
Als Musiker macht man sich ja gerne selbst Druck, indem man sich ständig sagt: 'Hey, es wird Zeit. Bring mal wieder was raus'. Mit einer EP oder einem Album schafft man sich dann erst mal ein wenig Luft. Die Luft will ich aber definitiv nutzen, um an neuen Sachen zu arbeiten. So gesehen, braut sich da schon was zusammen, klar. Ich freue mich jedenfalls auf alles, was noch kommt.
Hoffst du eigentlich, dass deine Musik auch international gehört wird oder sich gar durchsetzt, also etwa in den USA? Gerade dort ist Country ja, wie gesagt, längst Mainstream.
Um ehrlich zu sein, bin ich über jeden und jede froh, der bzw. die sagt: 'Mit der Musik kann ich was anfangen, die gibt mir was, die bringt mich zum Lachen, und mit der kann ich eine gute Zeit haben'. Die absolute Prio und der Grund, warum ich Musik mache – und das wird sich niemals ändern – ist: Ich will Leute begeistern, zum Lachen bringen und dafür sorgen, dass sie für einen kurzen Moment alles vergessen, was sie bedrückt, ob das jetzt in China, in Brasilien oder in Deutschland ist. Ich freue mich und bin glücklich über jeden, der mich auf meinem Weg begleiten möchte!
1 Kommentar
Ein herzliches Mitleid an Mitarbeiter Dobler für diesen Interviewpartner!