laut.de-Kritik

Der Abschied klingt nach Neuanfang.

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Es kommt nicht oft vor, dass Künstler sich mit ihrem letzten Album komplett neu erfinden. Da Pierre Sonality sich aber schon immer wenig um Konventionen geschert hat, verwundert es nicht, dass der Funkverteidiger genau das tut. Mit seiner letzten Platte verabschiedet er sich von einem Alter Ego, das, nach eigener Aussage, viel zu lang im selben Sumpf stecken blieb.

Deswegen jetzt: "Miami 420". Ein Album, das sich mit schwerem Synthesizer-Behang irgendwo zwischen Trap-Einschlägen, Zampano-Vibes und klassischem Boombap ansiedelt. Die kalten, und vor allem sehr sphärischen Beats, die Pierre Sonality zusammen mit Dennis aus Europa gebastelt hat, stehen ihm ziemlich gut zu Gesicht. Dazu kommt das erhöhte Tempo seiner Reime, die dem Langspieler eine energiegeladene Grundstimmung verpassen. Der Hunger scheint ungebrochen.

Thematisch bietet der Rapper und Beatschrauber ein bunt gemischtes Allerlei: Humoriges, Ernstes, aber vor allem ziemlich viel Ganja. "Bördekreislover" erzählt auf amüsante Weise von einer in die Brüche gegangen Liebe. Aus "Machs dir bequem auf dem Merchandise-Koffer / er gibt dir die Liebe, verteidigt den Fang / kauf' die Platte, damit er nachts bei dir sein kann" wird zum Ende des Songs "Vorhängeschloss an dem Merchandise-Koffer / Hör' doch dein' Schrott, hör' ihn allein / du siehst deinen Bördekreislover nie weinen". Auch "Rolin Fat" spinnt smooth die Geschichte von "two dope boys in a Cadillac", die mit Ach und Krach aus einer Polizeikontrolle rauskommen.

Während "Straßen Um Uns Rum" eher einen entspannt-reflektierenden Eindruck (und eine ziemlich eingängige Hook) hinterlässt, klingt "Police Hit The House" verdächtig nach dem stärksten Song auf "Miami 420". Gekonnt sampelt er den Witchdoctor und erzählt nüchtern Razzia-Geschichten, die auf dem vollen, wilden Beat gut zur Geltung kommen. Auch, wenn nicht alle Titel zur thematischen Vielfalt und Komplexität beitragen, so ist jeder Song für sich trotzdem ein ausproduziertes, wohlklingendes Hörerlebnis.

Selbst skeptische Realkeeper sollten an "Miami 420" ihren Spaß haben. Obwohl sich Pierre Sonality in neue Gefilde vorwagt, verdreht er sich nicht. Dieser Abschied klingt mühelos und ehrlich, und doch so viel mehr nach einem Neuanfang als nach einem Ende. Dieser frische Sound scheint genau das zu sein, was seinem alten Ich gefehlt hat, um sich irgendwie von dieser Masse wirklich guter, aber trotzdem immer ein wenig beliebiger Heads abzuheben.

Pierre Sonality hat erkannt, dass Stillstand niemals gut sein kann. Deswegen macht er jetzt auch das einzig Richtige: Statt sich auf dem auszuruhen, das er kann, beendet er das Kapitel des Funkverteidigers, um ein neues aufzuschlagen. Wenn so der Abschied klingt, kann das Wiedersehen ja nur groß werden.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Bördekreislover
  3. 3. Rolin Fat
  4. 4. Cäsaren
  5. 5. Straßen Um Uns Rum
  6. 6. Leo
  7. 7. Viel Zu Lang
  8. 8. Hoes Bleiben Hoes
  9. 9. Ganz Allein
  10. 10. Tische Drehen Sich
  11. 11. Noch Nie Etwas So Großes
  12. 12. Police Hit The House

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