laut.de-Kritik

Richie Hawtin kann es doch noch.

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Die bei Lesern als Sommerloch bekannte Flaute an neuen Themen, Veröffentlichungen oder sonstwie Berichtenswertem hat für Redakteure durchaus ihre positiven Seiten. Man kann die über die letzten Monate liegengebliebenen CDs durchschauen und dabei auf Sachen wie das neue Album von Richie Hawtin stoßen, für das der Kanadier sein legendäres Alias Plastikman wieder reaktiviert hat.

"Ex" nennt sich die Aufzeichnung einer Live-Show im New Yorker Guggenheim Museum kurz und knapp. Minimalismus ist bei Plastikman eben Ehrensache, zumindest was den Titel seines ersten Longplayers seit dem 2003 erschienenem "Closer" angeht. Musikalisch aber überraschen die sieben Tracks von "Ex" und zwar im positiven Sinne.

Die düstere Grundstimmung, die sich durch das gesamte "Closer" zog, findet sich auf "Ex" nicht mehr. Stattdessen eröffnet Richie Hawtin sein New Yorker Set mit einer zart kickenden Bassdrum und beinahe luftig-trancigen Flächen, die einen viel eher an James Holden und Nathan Fake, denn an die klassischen Plastikman-Releases aus den 90er Jahren erinnern.

Zwar schraubt sich noch im Opener "EXposed" eine Acid-Line aus den Boxen. Aber auch sie wirkt leicht und verspielt, hat gar nichts mehr vom manischen Charakter, den die Plastikman-Platten früherer Tage häufig in sich trugen. Diesen lockeren Flow macht Richie Hawtin zum Markenzeichen der aktuellen Reinkarnation von Plastikman.

Die Sounds, die Hawtin aus seinem Maschinen holt, stehen klar im Raum. Künstliche Kälte wie auf "Closer" verströmen sie nicht. Sie entpuppen sich vielmehr als deutlicher Rückgriff auf die analoge Fülle klassischer Techno-Sounds. Soviel Retro hätte man dem selbsternannten Vorkämpfer neuer Technologien wohl am allerwenigsten zugetraut.

Der Wille, sich kreativ und durchaus auch kritisch mit Musik auseinanderzusetzen, macht "Ex" zu einem genauso überraschenden wie guten Album. Während sich Hawtin in den letzten Jahren vor allen Dingen mit selbstgefälliger Technikfrickelei zufrieden hab, zeigt er hier, dass er es doch noch kann. Dafür muss man Richie Hawtin Anerkennung zollen, so umstritten er als Person aufgrund seiner manchmal schwer zu genießenden Ego-Show, insbesondere in seiner Wahlheimat Berlin, auch sein mag.

Trackliste

  1. 1. EXposed
  2. 2. EXtend
  3. 3. EXpand
  4. 4. EXtrude
  5. 5. EXplore
  6. 6. EXpire
  7. 7. EXhale

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