laut.de-Kritik
In diesem Kopf freestylet Gott im Originalton.
Review von Dani FrommVerschnaufpause is' immer noch nicht: Prinz Pi-Release-freie Jahre sind offenbar nicht vorgesehen. "Neopunk" gerade verdaut, steht mit "Teenage Mutant Horror Show 2" die Fortsetzung dessen an, das 2005 - damals noch unter dem mittlerweile abgestreiften Alias Porno - begann.
Als eine der großen ungelösten Fragen dürfte in die Deutschrap-Historie eingehen: Wie kann dieser Mann bei der Veröffentlichungsflut bloß sein Niveau halten? Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Bei der Verteilung der Phantasie schrie der kleine Pi offenbar nicht ein-, nicht zwei- sondern eher geschätzte 98-mal "Hier!"
Gut möglich, dass ihm, ließe er sie nicht in - erstaunlich kurzen - Abständen frei, Erinnerungen, Wortspiele, Gedanken, Geschichten und meist mehr als weniger abgedrehte Visionen und apokalyptische Szenarien den Schädel in Trümmer legen würden. Was wiederum extrem schade wäre, verlöre die hiesige Hip Hop-Landschaft dann einen Protagonisten, der sich erquickend wenig um die vermeintlichen Gesetze der Szene schert.
"Ich wollte nie ein Teil von irgendwas sein / Das ist meine Reise, und ich reise immer allein." Gepriesen seien die Einzelgänger, die Quertreiber, die Phantasten, die sich weigern, sich als ein weiteres unter massenweise gemästeten, dumpf blökenden Herdentieren brandmarken zu lassen.
Statt zum x-tem Mal tausendfach gehörte Phrasen wiederzukäuen, erschließt sich Prinz Pi ganz neue Welten. Die geraten zwar größtenteils schwer ungemütlich, dafür jedoch keinen Augenblick lang dröge. "In meinem Kopf freestylet Gott im Originalton." Dank einem allmächtigen Souffleur kann eigentlich nichts schief gehen.
Schon das Intro raubt mit einlullenden Slogans und meisterhaft komponierten, zunehmenden Störgeräuschen sukzessive und höchst wirksam den Verstand. "Schnellfeuerwaffen schaffen Arbeitsplätze in Baden-Württemberg." Wenn das die "Behutsame Einführung" war: Ich hab' Angst!
Völlig zu Recht, wie sich herausstellen soll. "Teenage Mutant Horror Show 2" entpuppt sich als echter Höllenritt durch ausgedörrte Endzeit-Wüsten ("Der Regenmacher") direkt in den zynischen Albtraum der "Großen Genozid Show". Der Auftritt des Teufels in Gestalt von Mario Barth ("Trümmer") macht die Sache nicht weniger gruselig.
Zwischen harsche Kritik an Volksverdummung, Sensationsgier und allseits herrschende Lethargie, gegen die er unverblümt zum "Handeln" aufruft, streut Pi Persönliches. "Die gute alte Liebe, sie nimmt uns das letzte bisschen Stolz!" Entsprechend badet "Du Hure 2009" ausgiebig im Beziehungselend. "Wenns mir scheiße geht, schreib ich meine besten Songs." Man ist geneigt, ihm zu glauben.
Das private "Minenfeld" liefert den perfekten Rahmen für Seitenhiebe auf diejenigen, die sich für die Hüter der Rap-Wahrheit halten, das Feuer dabei aber schon längst in Plattitüden erstickt haben: "Mama, die anderen Rapper quälen mich! Sie erzählen sich viele Storys, wie geil sie sind. Ehrlich, Mama, ich seh' das nicht! Ich seh' lediglich Typen, deren Hirn dermaßen wenig ist, das so beschädigt ist, dass es ein Vakuum im Schädel gibt."
Gelegentlich ("Höhlenmensch", "Fehler", "Der Druck Steigt") gerät der Rap-Stil arg eintönig. Dass Pi die Monotonie - wie die Faust aufs Auge passend zur jeweiligen Thematik - als Stilmittel einsetzt, bewahrt nicht immer vor Langatmigkeit.
Was jedoch zuverlässig funktioniert: Stimmungen einfangen. Dazu leisten vielseitig gestaltete Beats ihren Beitrag: Biztram hüllt das Feld, auf dem die Minen ticken, in wabernden Nebel, packt wuchtige Bässe zwischen Akustikgitarren-Spielereien ("Du Hure 2009", "Handeln") und schließt in "Der Druck Steigt" jedes Überdruckventil.
The Royals sorgen für die Haudrauf-Berlin-Abfeierei in "Wir Ficken Die Welt", kleiden die endlose Ödnis der Welt des "Regenmachers" in Herzschlag-Beat und flächige Sounds und setzen den düsteren Friedhof für "Engel" akustisch in Szene.
Bobby Johnson verhackstückt in "Illuminati" ein Sample schon im Ansatz zur Unkenntlichkeit. DJ Swollen Fingers' Cuts tragen das Ihrige bei. Das herb knarzende Saitenspiel für "333SDK - Satans Dicke Kinder" verantworten Beatzarre und Djorkaeff.
Prinz Pi liefert niemals leichte Kost. Das schlägt - insbesondere in der kredenzten Fülle und Intensität - schon mal auf den Magen und lässt verzweifelt nach dem Ausgang vom Holodeck suchen. Tausendmal interessanter als bis zum Erbrechen ausgezuzzeltes Pseudogangstertum und haltloses Dicke-Hose-Gebaren gerät sein Schaffen jedoch allemal.
119 Kommentare
ein wahsinnalbum. geniale texte und das mit gott im kopf nehm ich ihm ohne wenn und aber ab.
Klingt nach nem Album für mich.
Bekommt ihr bei "Der Druck steigt" auch immer Gänsehaut, wenn diese Streicher im Hintergrund anfangen? Unglaublicher Beat.
wow. immernoch sehr gut, ich bin beeindruckt von seiner Leistung in einer solch kurzen Zeit.
"Minenfeld" mutiert zum Überrack.
Ausser drei Ausnahmen eine einzige Perle
Goiles Ding
ich liebe es
Ein in Stein Gemeisseltes Monument der Conciousness. unerreicht.