19. September 2017

"Ich würde Trump VIP-Tickets schenken!"

Interview geführt von

Mit reichlich aufgestauter Wut im Bauch beschwört das RATM-Musiker-Trio aus Tom Morello, Tim Commerford und Brad Wilk die goldenen Neunziger herauf. Als Prophets Of Rage musizieren sie mit dreifacher Verstärkung in Form von B-Real (Cypress Hill), Chuck D und DJ Lord (beide Public Enemy).

In einem nicht immer mit bester D-Netz-Qualität gesegneten Telefonat erklärt uns Gitarrist Tom Morello, wie Wut im Jahre 2017 funktioniert, wie er mit dem Verlust von Chris Cornell umgeht und wann Zack de la Rocha denn jetzt endlich wieder mit an Bord ist.

Es gibt Tage, da kochst du dir um 20 Uhr deinen wohlverdienten Feierabend-Tee und lässt das durch und durch zeitlose RATM-Debüt von 1992 auf dem Plattenteller rotieren. Und es gibt Abende, da lässt du einfach mal die Finger vom Expedit-Regal und wartest nicht ganz ohne Ehrfurcht darauf, dass dein Handy klingelt, eine Nummer mit Beverly-Hills-Vorwahl aufpoppt und sich eine irgendwie vertraute Stimme mit den Worten meldet: "Hello, this is Tom Morello."

Hey Tom! Was würdest du Donald Trump fragen, wenn du ihn noch heute auf der Straße treffen würdest?

Was würde ich ihn fragen? Na ja, ich bin nicht auf ein persönliches Treffen mit ihm aus. Das hat weniger mit ihm als Person zu tun, sondern eher mit dieser unfassbaren Welle der Ungerechtigkeit, die er über unser Land bringt. Ich würde ihn auf jeden Fall zu einer Prophets Of Rage-Show einladen, ja, ich würde ihm sogar VIP-Pässe geben.

Als das RATM-Debüt erschien, war gerade der Zweite Golfkrieg vorüber. 25 Jahre später treiben uns Trump und Kim Jong-Un an den Rand eines Nuklearkriegs. Ist es noch dieselbe Art von Wut wie damals, die euch heute antreibt?

Schwierig. Zwei Dinge bleiben konstant: Es gab Ungerechtigkeit vor Donald Trump und es wird Ungerechtigkeit auch noch nach Donald Trump geben. Wichtig ist aber, dass viele Amerikaner, viele Menschen auf der ganzen Welt sich gemeinsam gegen die Ungerechtigkeiten, gegen Trumps umweltfeindliche und rassistische Politik auflehnen. Mit "Prophets Of Rage" wollen wir der Soundtrack dieses Widerstands sein. Wir möchten zu dieser Erfahrung beitragen und die Power und den Lärm reinbringen. In diesen kritischen Zeiten wollen wir unsere Message mit lauter Rock- und Hip Hop-Musik in die Moshpits bringen.

Als euer Debüt erschienen ist, warst du 28 Jahre alt. Kann man jetzt mit 53 überhaupt noch so aufrichtige Unzufriedenheit und Aggression gegenüber der Politik empfinden?

Meine grundlegenden Einflüsse sind seit jeher radikaler und revolutionärer Natur, seitdem ich denken kann. 1992 haben wir gesagt "Fuck you, I won't do what you tell me", 2017 sagen wir "Unfuck The World". Der Kampf geht weiter. Es wird immer Wut brauchen. Und es wird immer Musik brauchen, die die Ungerechtigkeiten dieser Zeit anprangert.

"Es gibt keine Barriere zwischen Zack und uns!"

Wie reflektierst du im Nachhinein Zacks Talent, politische Botschaften in Lyrics zu verpacken? Unterscheidet es sich von Chucks und B-Reals Stil?

Na ja, schau mal, unsere zwei lyrischen Haupteinflüsse auf Rage Against The Machine waren Public Enemy und Cypress Hill. Sie sind die Meister, weißt du! (lacht) Mit Prophets Of Rage wollten wir eine Band ins Leben rufen, die musikalisch und lyrisch so pointiert wie möglich daherkommt. Also haben wir uns an unsere persönlichen Helden gewendet: An Chuck und B-Real.

Prophets Of Rage sind eine brandneue Band, aber ihr spielt sofort in dicken Hallen und auf Headliner-Slots bei großen Festivals. Fühlt es sich gut an, als Supergroup gehandelt zu werden oder kann es manchmal auch ein Fluch sein?

Ich mag es nicht wirklich, als Supergroup bezeichnet zu werden. Wir sind tatsächlich eine neue Band – mit großer Vergangenheit. In den anderthalb Jahren seit der Gründung haben wir schon vor zweieinhalb Millionen Menschen gespielt. Bevor überhaupt ein Album erschienen ist. Platten machen, touren, darin haben wir alle eine Menge Erfahrung. Wir nutzen das, um die stärkste, wirksamste Musik zu erschaffen, die uns möglich ist. Jede Show und jede Platte soll sich mit unserer besten Arbeit messen lassen können.

Was birgt die Zukunft denn für Prophets Of Rage? Eine Platte, eine Tour – kommt da noch mehr? Und: Wird es jemals wieder einen Platz für Zack [de la Rocha, RATM-Sänger] in der Band geben?

Es gibt da keine Barriere zwischen uns, aber eben auch definitiv keine derartigen Pläne.

"Wir sind alle Teil der menschlichen Familie"

Im Mai hast du deinem verstorbenen Ex-Bandkollegen Chris Cornell ein sehr berührendes Gedicht gewidmet. Zwei Monate später starb auch Chester Bennington, mit dem du ebenfalls zusammengearbeitet hast. Wie schwierig ist es für dich, diese Ereignisse zu verarbeiten, während du selbst weiterhin als durchgehend tourender Musiker aktiv bist?

Ich habe vorher schon Freunde verloren, aber ich habe noch nie einen Freund durch Suizid verloren. Es war schwer für jeden von uns. Für Leute, die sie gekannt und geliebt haben. Für Fans, die die Musik geliebt haben. Auf der kommenden Tour spielen wir eine instrumentale Version von "Like A Stone" [Anm. d. Red.: Audioslave-Track von 2002], um den Fans die Gelegenheit zu geben, den Song gemeinsam zu singen. Eine Art gemeinsamen Trauerns, aber auch ein gemeinsames Feiern eines großen Künstlers und eines großen Menschen.

In wenigen Tagen wird in Deutschland gewählt. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass nach Jahren erstmals wieder eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag einziehen wird. Wie lautet deine Message für die deutschen Wähler?

Meine Message ist: Rund um den Globus gibt es Menschen, die immigrantenfeindliche und rassistische Stimmungen nutzen, um uns auseinanderzutreiben. Die führende Klasse aber zerstört den Planeten, tritt die Menschlichkeit mit Füßen und kommt damit auch noch ungeschoren davon. Es ist unfassbar wichtig, dass man ihnen keine Chance gibt, ökonomische Ängste auszunutzen, um arme und arbeitende Klassen gegeneinander aufzuhetzen.

Diese Leute haben doch alle dieselben Interessen. Egal ob du aus Berlin oder aus dem Kongo kommst. Es ist wichtig, dass wir nicht vergessen, dass wir alle Teil der menschlichen Familie sind. Nur wenn wir zusammenarbeiten, ist es möglich fair, anständig und sicher auf diesem Planeten zu leben.

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