laut.de-Kritik
John Lydon hat seinen Biss noch nicht verloren.
Review von Toni HennigPublic Image Ltd, kurz PiL, feierten 2009 ihr Comeback. Seitdem erwies sich das Line-up, bestehend aus John Lydon (Gesang), Robert 'Lu' Edmonds (Gitarre, Keyboards), Scott Firth (Bass, Keyboards) und Bruce Smith (Drums), als erstaunlich stabil. Nun veröffentlicht das eingespielte Team sein mittlerweile drittes Album nach der Reunion.
Den Opener "Penge", benannt nach einem Stadtteil des Londoner Bezirks Bromley, beschreibt John Lydon als "eine Art mittelalterliches Wikinger-Epos". Dementsprechend bekommt man es mit einer Mitsing-Nummer zu tun, die kraftvoll nach vorne geht und live für Stimmung sorgen dürfte, sofern sie bei der kommenden Tour in der Setlist landet. "End Of The World" erinnert mit repetitiven Schlagzeugsounds, dynamisch verspielten Saitenklängen und manischen Vocals dagegen an die experimentell orientierte Frühphase der Band.
"Car Chase" erweist sich als elektronisch geprägtes Stück, das ein paar großartige Basslinien bietet. Textlich leiht Lydon, wenn er von einem Mann singt, der jeden Abend unbemerkt die Psychiatrie verlässt, den Ausgestoßenen in unserer Gesellschaft seine Stimme. Ähnlich elektronisch, aber weitaus mürrischer gerät "Being Stupid Again", wenn er mit studentischem Idealismus hart ins Gericht geht.
Auch im Anschluss wird viel gemotzt und gezetert, nur erweist sich die Musik als deutlich weniger durchschlagskräftig. "Walls" gemahnt mit schnodderigem Sprechgesang an Sleaford Mods, fällt aber mit seinem zurückgelehnten Reggae-Fundament reichlich schläfrig aus. In "Strange" hat Lydons Stimme einen eher ängstlichen, denn wütenden Ton. Musikalisch verliert sich der Track zu sehr in Weitläufigkeit und Behäbigkeit. "Dirty Murky Delight" klingt rhythmisch zu jazzig und zu spröde, um wirklich hängen zu bleiben.
Glücklichweise gestaltet sich die Platte abwechslungsreich genug, um über die schwachen Momente hinwegzukommen. "The Do That" swingt rauflustig vor sich hin, während die mächtigen Schlagzeugsounds in "North West Passage" einem Godzilla-Soundtrack entsprungen sein könnten. In "Pretty Awful" sowie "Down On The Clown" zieht Scott Firth außerdem noch mit seinen Bassgrooves sämtliche Register. Zudem lassen beide Nummern an die poppigeren Ausflüge von PiL Mitte der Achtziger denken. Gerade das erstgenannte Stück besitzt eine der besten Hooks, die die Band je geschrieben hat.
In "L F C F" läuft Lydon schließlich zu textlicher Höchstform auf, wenn er sich auf einem Rachefeldzeug gegen seine ehemaligen Sex Pistols-Kollegen begibt und sie am Ende als "liars, fakes, cheats and frauds" bezeichnet. Hintergrund stellt der Rechtsstreit über die Nutzung von Songs in einer TV-Serie über die Band dar, den er vor zwei Jahren verlor.
Zum Schluss gibt sich der mittlerweile 67-Jährige in "Hawaii" ganz intim und persönlich, wenn er zu melancholischer Gitarre die glücklichen Zeiten zu zweit mit seiner Frau Nora Forster thematisiert, die kürzlich nach langer Alzheimer-Krankheit verstorben ist. Mit dem Song nahm er auch beim irischen Vorentscheid für den ESC teil, belegte aber nur Platz vier. Seine Frau hatte es sich gewünscht, den Track im Fernsehen zu sehen.
Letzten Endes hat John Lydon seinen Biss noch nicht verloren, zeigt sich aber auch so verletzlich wie noch nie. Musikalisch stellt "End Of World" dabei einen unterhaltsamen Ritt durch verschiedene Schaffensphasen der Band dar.
3 Kommentare mit 5 Antworten
Deutlich besser - und zugängiger - als erwartet...
4/5? und das obwohl lydon behauptete, wer heutzutage "punk" sein will, müsse alt-right und/oder trumpsupporter sein?
Ist mir schon klar. Deswegen habe ich im ergänzenden Interview auch geschrieben, dass er sich aufgrund kontroverser Statements nicht nur Freunde gemacht hat.
Hab aber auf der Platte jetzt nichts gefunden, was bedenklich wäre.
Recht habt ihr! Die echten Punks von heute wählen Grün, essen vegan, gendern das Wort "Gäst:in" und trennen den Müll!
ich denke auch punks werden erwachsen und dann verstehen das grüne politikz ist beste für uns alle und klima
"Charakteristisch für den Punk sind provozierendes Aussehen, eine rebellische Haltung und nonkonformistisches Verhalten."
Oder noch einfacher ist es, wenn man sagt: "jeder ist ein Punk der sich als Punk fühlt!", da spart man sich Unannehmlichkeiten!
Boring Old Fart