laut.de-Kritik

Der fiktive Soundtrack zu einem noch nicht gedrehten Horrorfilm.

Review von

Die aus Kopenhagen stammende Musikerin Frederikke Hoffmeier alias Puce Mary, geboren 1989, hat im Laufe ihrer rund achtjährigen Karriere mit einer diffizilen künstlerischen Herangehensweise zwischen DIY-Attitüde und avantgardistischer Kunstfertigkeit die extreme elektronische Musik um neue Impulse bereichert. Von den Power Electronics-Vorbildern der frühen 80er-Jahre hat sie sich gleichzeitig emanzipiert. Ihre Alben betrachtet sie als homogene Gesamtkunstwerke, oftmals von einem losen Konzept zusammengehalten.

Auf "The Drought", das auf Vinyl und als Download erscheint, verbindet sie beklemmende Drones und Field Recordings, verstörende Spoken Words und unberechenbare Lärmeruptionen zu einer cineastischen Einheit. Dabei kreisen die Worte diesmal um die Themen Triebhaftigkeit und Selbsterhaltung.

Schon "Dissolve" entführt mit mysteriösem Rascheln, rituellen Trommeln, atonaler, streicherähnlicher Elektronik und repetitiven, wuchtigen Klangschleifen in eine surreale Parallelwelt, die gleichzeitig Furcht und morbide Faszination hervorruft. Bei "A Feast Before The Drought" gibt es schließlich kein Entkommen mehr, wenn pulsierende Beats und dystopische Synthies im kriechenden Tempo die Intensität kontinuierlich steigern. Am Ende grenzen schrille, kaum auszuhaltende Geräusche und überdrehte Distortions an eine vertonte Panikattacke.

Auch das folgende "To Possess Is To Be In Control" trägt kaum zur Beruhigung bei, wenn die Elektronik im Hintergrund dem Geräusch eines fortlaufenden EKG-Tons gleicht, flankiert von ohrenbetäubenden Noise-Exzessen. Dazu spricht Puce Mary mit beinahe stoischer, emotionsloser Stimme: "It makes me sick to open my body to you, to give you all I have. If I could possess you, like I possess my own body." Später heißt es: "To possess is to be in control." Diese Zeilen gewähren durchaus einen Einblick in die Arbeitsweise der Skandinavierin.

Ihre Stücke übt sie zunächst ein und geht mit ihnen auf die Bühne. Danach geht es wieder in den Proberaum, um eine Vorstellung zu entwickeln, wie sie dann auf Platte klingen sollen. Die Songs nehmen so im Studio unter strengen, selbst auferlegten Bedingungen oftmals erst nach Jahren vollständig Gestalt an. Dadurch erlangt die zierliche, zurückhaltende Dänin die volle künstlerische Kontrolle über ihr Werk. In die dunkelsten Abgründe ihrer Musik dringt sie wie ein von unheilvollen Dämonen besessenes Wesen vor.

So zehren die repetitiven, übersteuerten Noise-Effekte und die bedrohlichen Dissonanzen in "Fragments Of A Lily" nicht weniger an den Nerven als die bisherigen Tracks. Trotzdem bedeutet extrem für Puce Mary nicht gleich Lautstärke. "I'm an old woman now, and I've lost my attraction... I feel desperate", lautet eine Zeile im anschließenden "Red Desert", das zerbrechliche und intime Herzstück des Albums. Im weiteren Verlauf der Nummer schnüren einem die minimalistische Elektronik und die psychedelischen Orgeltöne immer weiter die Kehle zu.

In der zweiten Hälfte der Platte lässt Hoffmeier den Tracks mehr Luft zum Atmen. Durch den insgesamt subtileren Spannungsaufbau erzielen die akustischen Schockeffekte nun eine noch eindringlichere Wirkung.

Dementsprechend entfalten in "The Size Of Our Desires" flötenartige Sounds, dräuende Ambient-Flächen und die ruhige Erzählweise der Dänin eine nahezu meditative Wirkung. Doch die vermeintliche Ruhe trügt. Ein martialischer Rhythmus, ein stetes Fiepen und laute Gitarrenfeedbacks beschwören nach und nach ein finsteres Szenario herauf, geprägt von menschlicher Gier und Destruktivität.

Ebenfalls verheißen die schleppenden Maschinengeräusche und die immer wieder aus dem Nichts auftauchenden dissonanten elektronischen Streicher in "The Transformation" nichts Gutes. Die Nummer mündet in einer kompromisslosen Gewaltorgie sondergleichen. "Slouching Uphill" beschließt das Werk mit kakophonischen Zwischentönen und unbehaglichen Stimmmanipulationen. Der Wahnsinn lauert hier an jeder Ecke.

Puce Mary hat sich mit diesem atmosphärisch dichten und äußerst bildhaften Album erneut selbst übertroffen. Gerade die behutsam aufgebauten, stillen Momente sorgen für dauernde Anspannung und erzeugen den meisten Nervenkitzel: Ein fiktiver Soundtrack zu einem noch nicht gedrehten Horrorfilm.

Trackliste

  1. 1. Dissolve
  2. 2. A Feast Before The Drought
  3. 3. To Possess Is To Be In Control
  4. 4. Fragments Of A Lily
  5. 5. Red Desert
  6. 6. Coagulate
  7. 7. The Size Of Our Desires
  8. 8. The Transformation
  9. 9. Slouching Uphill

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