laut.de-Kritik
Die Rückbesinnung auf alte Stärken führte zu traumhaften Songs.
Review von Joachim GaugerZwanzig Jahre nachdem R.E.M. mit ihrer Debut-Single "Radio Free Europe" begannen, die Welt der Musik und vor allem auch der MusikerInnen zu beeinflussen, melden sie sich mit traumhaften Songs wieder zurück. Nachdem man "Up" 1998 eher als Experiment bezeichnen konnte, das hauptsächlich durch das krankheitsbedingte Ausscheiden des Drummers Bill Berry beeinflusst war, kommt mit "Reveal" der legitime Nachfolger des legendären '92er Albums "Automatic For The People".
Die Platte ist voll von genialen Melodien und ausdrucksstarken Harmonien, die von Multi-Instrumentalist Mike Mills und von Gitarrist Peter Buck beeindruckend, aber dezent in Szene gesetzt werden. Halt, halt, halt: Olle Kamellen sind das bei Leibe nicht. R.E.M legen auch deutlich Wert auf ausgefallene Beats, auf Drum-Sequenzen, auf Keyboards und Piano. Doch alles fließt dezent und zeitlos in die Songs ein. Hinzu kommt Michael Stipes Stimme, die voller denn je die Meldodien übernimmt und eigenwillig weiterträgt.
Jeder der Songs auf "Reveal" hat seine Stärken. Sie einzeln aufzuzählen lohnt nicht. Diese Platte gefällt einem und man kann sich von der Musik entführen lassen, oder sie lässt einen eben kalt. Gerade dieser lange Atem beeindruckt mich bei "Reveal". Man merkt deutlich: R.E.M haben wieder Spaß am Musizieren und man nimmt sich Zeit und Freiheiten dabei. Herausgekommen ist ein Album, das sehr kraftvolle Songs bietet, die zum Leidwesen der eher rockigen R.E.M-Fans, ihre Kraft aus den Harmonien ziehen und nicht aus dem Grad der Verzerrereinstellung.
Fazit: Auf "Reveal" hört man förmlich, wie der Ballast der letzten Jahre von den Musikern abfällt und sich die Musiker frei entfalten können. Der dummdoofe Fußballer-Alltagsspruch "Macht erst mal Eure Köpfe frei" bekommt hier zentrale Bedeutung. Wer sich auf diese Platte einlassen kann, wird automatisch mitgezogen in einen Raum voller Fabeln, Schwerelosigkeit und Träume. Oder anders: Traumhafte Melancholie für einen lauen Sommerabend (Eine Note Abzug für das lausig designte Cover).
2 Kommentare
Weil ja Kindheitsflashbacks gerade Hochkonjunktur haben:
"Imitation of Life" ist eines meiner Lieblingslieder, seit ich mit 11 beim Durchzappen das Video gesehen hab, praktisch schon eine Art Lebenskonstante a la Glubb im Fahrstuhl
(Dass der Ruhmreiche dank Kerners Kombo das beste Vereinslied überhaupt hat, glaube ich übrigens auch solange, bis es einer widerlegt; https://www.youtube.com/watch?v=UuFZ1hNADE8 ).
"I've Been High" und "I'll Take The Rain" auch traumhaft schön, überhaupt verdient dieses Album längst mal einen Kommentar.
Obs nun so einer sein hat müssen...
Als REM-Fan vieler Jahre möchte ich auch einen Kommentar hinzusteuern.
Ich gebe dem Album 3 Sterne. Aber es sind 3 Sterne, weil man bei R.E.M. zwangsläufig jedes Album mit einem ihrer extrem starken Vorgängeralben vergleicht.
Was der Autor richtig erkannt hat ist, dass R.E.M. mit "Reveal" erstmals nach dem rockigen "Monster", dem alternativen "New Adventures in Hi-Fi" und relativ ruhig-elektronischen "Up" wieder "Back to the roots" gegangen sind.
Das Album ist vor allem aufgrund der Singles "Imitation of life" und "All the way to Reno" wieder poppiger und eingängiger als die Vorgänger und rückt daher wieder mehr Richtung Mainstream.
Aber wie auf dem Vorgängeralbum "Up" findet man auch hier einige ruhige und zurückhaltende Songs, welche die Reife und herausragenden Songwriterskills von R.E.M. verdeutlichen.
Imsbesondere "I've been high", "Beat A drum" und das epochale "I'll take the rain" ragen hier heraus.
Leider finden sich auf dem Album auch einige schwächere, "dahinplätschernde" Songs sich wieder, hier könnte man vor allem "Disapear", "Saturn Return" und "Beachball" nennen - aber ich bin sicher, dass sich auch für diese Songs Liebhaber finden werden.
Alles in allem ein typisch gutes R.E.M.-Album mit Empfehlung zum reinhören.