laut.de-Kritik
Pop-Trap-Eskapaden auf Spielfilmlänge.
Review von Yannik GölzEs klingt wie etwas, das nicht funktionieren darf: ein Triple-Album von Rae Sremmurd. Den Rae Sremmurd, deren größte Qualität eigentlich in der Kurzweiligkeit steckt. Dem Duo aus dem texanischen Sumpf, das der Produzenten-Magnat Mike Will Made It 2014 adoptierte und das zwischen "No Flex Zone" und "Black Beatles" clubtauglichen, schrillen und grenzwertig nervtötenden Trap gemacht hat. Drei CDs. 28 Tracks, fast 96 Minuten. Spielfilmlänge. Und der Kicker? Es funktioniert. "SR3MM" ist eine einzige Party.
Das liegt vor allem daran, dass die dritte Installation der "SremmLife"-Serie nicht die volle Spielzeit durchheizt, sondern tatsächlich drei Alben abliefert: ein Duo-Album und je ein Solo-Flug der beiden Brüder. "Swaecation" und "Jxmtro" erkunden die Eigenheiten der Rapper ganz im Geiste des legendären "Speakerboxxx/The Love Below" von OutKast. Auch wenn keine der zwei Platten ohne Schwächen auskommt, bleibt das Gesamtbild doch ziemlich gelungen.
"Swaecation" geht dabei als der unorthodoxere Kandidat im Katalog des Duos durch. Swae Lee war schon immer der melodisch begabtere der beiden. Das ging soweit, dass ihm ohnehin schon nachgesagt wurde, er werde bald auf Solopfaden wandeln und seinen Bruder zurücklassen. Mit "Unforgettable" hat er auch schon einen ersten Hit alleine auf dem Kerbholz. Der steht nun auch Pate für die Palette der Platte. Irgendwo zwischen Dancehall und karibischem Pop hat sich Swae eine wunderbare Kerbe geschnitzt, in der er nun unverkopfte und leichtherzige Balladen trällert.
Natürlich nicht der begnadetste Sänger, öfter auf das Autotune angewiesen, fühlt sich über weite Strecken doch angenehm sympathisch an, wie er sich auf sphärischen Synthesizern und pulsierenden Drums aus der Feder von unter anderem Neenyo einfach treiben lässt. Aber Titel wie "Touchscreen Navigation" oder "Guatemala" profitieren nicht nur von der Produktionsstärke, sondern auch von Swaes Persönlichkeit.
Auch wenn die Unbeschwertheit und die wohlige Verlorenheit auf Tracks wie "Heartbreak In Encino Hills" und "Red Wine" im überzogenen Crooning zu Längen führt, lässt sie immer noch Raum für Highlights. Zum Beispiel für das wundervoll campige Young Thug-Duett "Offshore", auf dem Energie und Charakter der beiden absurde Synergie entfaltet.
Wem der verspulte und etwas träge Drive von Swae Lees Part dann aber auch langsam zu dröge wird, dürfte sich über "Jxmtro" freuen. Der brutale, primitive Gegenschlag von Slim Jxmmi wartet mit kürzeren, pointierteren Songs auf und bewegt sich deutlich näher am aktuellen Trap-Fahrwasser. Das 808-Gewummer und die schreddernden Drums nutzt Jxm auch prompt, um fast Chief Keef-eskes Songwriting anzuzapfen. "Brxnks Truck" oder "Anti-Social Smokers Club" schmeißen die Melodie zugunsten von frontalem Gepöbel und kerzengraden Flows aus dem Fenster.
Das erinnert stimmlich zwar ein bisschen an den rappigen Lil Uzi Vert oder Kodak Black, atmet aber eher den musikalischen Appeal eines Waka Flocka Flames oder Lil Pumps. Immer auf die niederen Instinkte drauf, besonders, wenn Pharrell Williams auf "Chanel" den inneren Mickey Maus channelt oder Zoë Kravitz einen Rihanna-mäßigen Rapverse auffährt. Trotzdem gibt sich Jxmmi Mühe, auch ein paar andere Facetten auf "Jxmtro" hörbar zu machen. Zum Beispiel die etwas klagemütigere Nummer "Keep God First" oder das triumphale "Growed Up". Überzeugt nicht unbedingt mit Tiefgang, rundet ein fast etwas arg konstantes Trap-Tape aber solide ab.
Beide Soloplatten haben ihre Höhen und Tiefen, sollte jemand mit der einen oder anderen aufgrund der Genres oder der monotoneren Momente nichts anfangen können, ist das aber absolut verständlich. Aber selbst, wenn "Swaecation" und "Jxmtro" keinen Nerv treffen, bleibt immer noch der gemeinsame Teil - und die ersten neun Tracks dieses Tapes sind eine absolute Glanzstunde des Genres. Nach dem Warm-Up mit der The Weeknd-Kollaboration "Bedtime Stories" und "Closer" mit Travis Scott beginnt eine der absurdesten Hot-Streaks der Trapmusik seit "Finally Rich" und "Rodeo".
"Buckets" und "42" bergen hypnotische Banger, einen Future im Zustand äußerster Schwerelosigkeit und Sr3mmLife-Parts aus der absoluten Hölle auf verzerrten und nahezu experimentellen Trap-Beats. "Rock'n'Roll Hall Of Fame" funktioniert als inoffizielle Fortsetzung zu "Black Beatles" und nimmt die psychedelische Exzentrik von dessen Beat zu etwas mit, das fast wie die Rae Sremmurd-Variante von "Devil In A New Dress" klingt. "T'ed Up" leitet mit viel Variation im treibenden Instrumental angemessen aus.
"Powerglide" mit Juicy J liefert schlicht das Kronjuwel der Platte. Mit dem entfesselten heiligen Geist der Three 6 Mafia, Swae Lees griffigstem Refrain seit "Black Beatles" und einer Synth-Line, die für Wochen im Hinterkopf bleibt, fühlt diese Nummer sich an, als schlage man im gepimpten Lamborghini Donuts durch die größten Stripclubs Atlantas.
Natürlich ist "SR3MM" allein wegen seiner Länge und der exzentrische Star-Attitüde der beiden Brüder ein nahezu unkonsumierbarerer Behemoth der Trapmusik. Gerade die Soloplatten haben ihre klaren Schwächen in den Deep Cuts, wirken hier und da eindimensional und einen Funken unterentwickelt. Trotzdem verfeinern sie die Charakterstika der beiden Rapper um ein deutliches Stück. Ihre Persönlichkeit und ihr Charisma machen schier unmöglich, dem kollaborativen Part dieser Platte nicht komplett zu verfallen.
"SR3MM" ist experimentierfreudig, vielfältig in der Produktion und, wie schon die Vorgänger, ein einziger Batzen Hype, Turn-Up und Spaß. Wer auf diesem Album nicht mindestens eine handvoll Nummern für den kommenden Sommer findet, bleibt wohl sowieso lieber drinnen.
5 Kommentare mit 5 Antworten
Alles vernichtet 4*
Bedtime Stories uffffffff
"Powerglide" ist in der Tat ein abartiges Brett von einem Track.
"Powerglide" war auch schon auf dem Juicy J Tape, oder? Dumm irgendwie, dass ich das schon rauf- und runtergehört habe. Zu viele Filler auf dem Teil sonst. Brauche mehr Anspieltipps.
Von Travis bin ich übrigens immer enttäuschter. Sein nächstes Soloprojekt wird es wahrscheinlich eh wieder rausreißen, aber seine inflationär gestreuten Featureparts sind echt kein Garant mehr.
Finde travis auf features fast immer gelungen. Er macht die songs besser. Beim miguel album zuletzt krass.
Das sehe ich anders, ich finde Sky Walker sowieso schon einen sehr starken Song - wie das ganze Album, um das an dieser Stelle mal zu sagen -, Travis Scott liefert auf Niveau ab. Gebe dem Brudi mundi recht, Travis Scott war in letzter Zeit auf straight up trash wie dem Calvin-Harris-Album oder dem leider drögen Quality-Control-Sampler vertreten und hat da auch nichts groß was dran geändert. Ein Gegenbeispiel finde ich eher, was er noch aus dem m.M.n. uninspiererten Beat von Love Hurts auf Die Lit macht.
Jap, Travis klingt sehr gelangweilt und uninspiriert in letzter Zeit. Und seine neue Astroworld-Single ist leider auch nicht der Hammer, v.a. Travis eigener Part.
Weitere Beispiele für mmn gute Leistung: "Deserve", "Big Shot" (!), "Blue Pill" (!!), sein part auf "Without Warning".
27 tracks? hab mich durch die ersten 9 durchgekämpft, ausser powerglide nichts für mich.
Ist mir dann inzwischen doch zu juvenil, passt aber natuerlich zum Autor der Rezension.
Hoere da lieber noch einige Male das Trouble-Album, war die bessere Ear Drummer-Veroeffentlichung dieses Jahr.