laut.de-Kritik
Nicht jeder gute Handwerker ist auch ein guter Künstler.
Review von Daniel StraubJames Bond alias Roger Moore schaute 1986 im Wiener Gaswerk vorbei, um hier einige Sequenzen für sein Agentenabenteuer "Hauch des Todes" zu drehen. Für die österreichische Techno- und Houseszene ist die Location so wichtig wie die Love Parade für alle Liebhaber elektronischer Musik in unserem Land. Sechs Jahre lang tobten sich Tausende auf den Gazometer-Raves zu den Grooves der besten DJs aus, bis ihnen die Zunge zum Halse heraus hing.
Dem belgischen Technoproduzenten Redhead flatterte damals noch keine Einladung nach Wien in den Briefkasten; seine Zeit war noch nicht gekommen. Dafür erweist er den Gazometer-Machern in der "More Favorite Tools"-Reihe, auf dem hauseigenen Label XXX nun mit einem erwartungsgemäß harten Technoset die Ehre. Damit reiht er sich prima in die bisherigen DJs ein, die allesamt im Ruf stehen die Tanzenden hart ranzunehmen. Von Singapurs DJane Gayle San über Berlins Technobeauty Miss Yetti bis zu Redheads Landsmännern Stanny Franssen und Marco Bailey reicht die illustre Liste der Tool-Akrobaten.
Werkzeuge ist denn auch das richtige Stichwort für Redheads 19 Tracks umfassendes Set. Der maschinelle Charakter im Mix wird stark herausgestrichen, Funktionalität ist Trumpf. Das heißt bei Redhead, dass jeder Track ohne viel Schnick-Schnack nach vorne abgehen muss: Schranz nennt sich das, wenn der DJ seine Loopbretter von Chris Liebing, Marco Bailey oder Michael Burkat aus dem Werkzeugkasten zieht und sie passgenau hintereinander nagelt. Wertarbeit wird eben auch an den Turntables geschätzt. Die liefert Redhead aka Steve Vangilbergen auf "More Favorite Tools" zweifelsfrei ab.
Zeit zum Verschnaufen bleibt bei einer solchen Tour-de-Force aber natürlich keine. Und auch die Seele der Tracks lässt sich nur noch selten finden. Sämtliche Stimmungen, mit denen ein richtig guter DJ spielen kann, fallen hier leider dem unaufhörlich nach vorne bretternden Groove zum Opfer. Schade, denn schaut man in den Backkatalog des Produzenten Redhead, so finden sich dort unter dem Pseudonym Soulwatcher gleich einige hochwertige Technotracks. Mit viel Seele im Gepäck hält die "Battery EP" die Tanzfläche trotzdem fest in ihrem Griff.
Am Ende bleibt der Eindruck, mit "More Favorite Tools" ein angeschranztes Stück Musik in den Händen zu halten, das mit seinen Maßstäben gemessen durchaus Bestand hat. Allerdings reduziert Redhead den DJ auf einen handwerklich guten Plattenaufleger, der die einzelnen Tracks sauber aneinandersetzt. Was dem DJ Redhead aber leider fehlt, ist eine lebendige Vision von elektronischer Musik. Der DJ fungiert dann nicht mehr nur als Handwerker, sondern wächst in die Rolle des Künstlers.
Noch keine Kommentare