laut.de-Kritik
Das Pink auf dem Cover verfärbt sich schnell in Schamesröte.
Review von Johannes JimenoMit dieser Rezension habe ich die dreiköpfige deutsche EDM-Hydra erlegt: Nach Alle Farben und Felix Jaehn nun also Robin Schulz. Man kann sich nicht immer die Rosinen rauspicke, und seien wir mal ehrlich, ein ordentlicher Verriss macht am Ende des Tages doch Spaß. Ich gehe natürlich, wie bei jedem Künstler, unbefangen an die jeweilige Musik heran und gebe ihr eine faire Chance. Vielleicht küsst die Muse den guten Robin und er gibt sich mehr Mühe? Überrascht er mich sogar, so ganz 'auf lock', wie die Jugend anscheinend heutzutage zu sagen pflegt (ich habe das noch nie jemanden sagen hören)? Irrwitzigerweise gelingt ihm das, seinem neuesten Output hilft das trotzdem nicht.
Pink scheint indes die Farbe des Sommers zu sein, denn nach Lil Uzi Verts "Pink Tape" serviert uns der gebürtige Osnabrücker "Pink". Überbordende 17 Songs ergeben ein hartes sowie zähes Brot, bei dem jeglicher Belag nicht viel ändern würde.
Dabei erscheint Robin gar nicht so verkehrt. Seine Ansätze zeugen von einem gewissen Mindestmaß an Respekt vor der Musik, um sie sogleich mit dem nächsten billigen Piano oder debilen Gitarre mundtot zu prügeln. Wie bei "Smash My Heart", wenn er auf sein Herz "like a Piñata" einschlägt, oder beim etwas größeren Hit "Young Right Now", wo er zunächst mit leichtem Folk-Einschlag des israelischen Artists Dennis Lloyd kokettiert, um dann doch die Hörerschaft zu langweilen.
Generell beherbergen die Refrains auf "Pink" kaum Wörter, die Songtitel befinden sich im endlosen Loop. Das unaufgeregt lapidare "Killer Queen" mit Fil Bo Riva aka dem italienischen Henning May, das flirrende "On Repeat" mit dem unverwüstlichen David Guetta oder das lyrisch sehr biedere "Sweet Goodbye" zeugen von stupider Dreistigkeit. Auf "Sun Will Shine" opfert sich der schottische Singer-Songwriter Tom Walker für das dämlichste Thema: klassische Durchhalteparolen an schwierigen Tagen. Danke, brauch ich nicht.
Überraschende, gar lichte Momente versteckt Robin an zweieinhalb Stellen. Dort hatte ich Hoffnung, dass nicht aller Hopfen und Malz verloren sei. Zuerst die halbe, denn das sinistre "Break For You" hält sich vornehm bedeckt und gleitet gekonnt an den diversen Fettnäpfen vorbei, wäre da nicht die irrelevante Gesangsleistung samt austauschbarer Stimme. Das kühle "Echoes" überzeugt hingegen mit weichem Ambient und stark verzerrten Vocals im Hintergrund, das leicht kitschige Piano tut dem Gesamtkonzept keinen Abbruch. Das späte Highlight "Sight" lullt zu Beginn noch ein, schüttelt dann im Gewand des 90er Trance ordentlich durch. Die schweren Bässe poltern selbstbewusst und zeigen Robin von einer andere Seite. Nicht so stark leider der andere 90er-Verweis "Satellite", bei dem er die bpm-Anzahl dermaßen hoch geschraubt hat, dass es eher albern wirkt.
Vorhang auf für den finalen Akt, der die Blüte der gütlichen Chance im Handumdrehen verwelken lässt: Das groteske Zweigespann. Dieses Ungeziefer löst bei mir beinahe einen manischen Lachanfall aus, als meine Ohren zunächst "One With The Wolves" vernehmen. Kurz flackern alptraumhafte Assoziation der Amigos oder Andrea Berg im Intro auf, und im Refrain verfestigt das Klavier den Eindruck einer Mixtur aus Schlager und Modern Talking.
Beim zweiten ahne ich Böses und erfahre viel Schlimmeres: "Somewhere Over The Rainbow / What A Wonderful World" ist schlicht und ergreifend gottlos schlimm. Mit Partner in Crime Alle Farben (da isser ja wieder) ziehen sie die totgenudelte Ballade von Israel Kamakawiwo’ole durch ihren ehrenlosen EDM-Einheitsbrei, der die Aura eines Donau-Kreuzfahrtschiffes für Ü-70er versprüht, bei der alle bei einer Weißherbst-Schorle vergnügt vor sich hin schunkeln.
Dieser musikalische Mittelfinger ins Gesicht des guten Geschmacks hinterlässt bei mir nicht mal mehr Hass oder Wut, sondern pure Leere und Verwunderung ob seiner infamen Gleichförmigkeit. Ratlosigkeit, Kopfschütteln, Resignation. Das Pink auf dem Cover verfärbt sich in Schamesröte, wenn man solche Songs hört. Die Millionen von Spotify-Streams und großspurigen Welttourneen erkaufen sich Seele und künstlerischen Anspruch, sind wie ein Vampir, der die Produzenten und den DJ selbst blutleer zurück lässt.
7 Kommentare mit 9 Antworten
Mein Beileid. Sich Schulz, Jaehn und Alle Farben nacheinander zu geben wird einiges an Kaffee und Nerven erfordert haben.
Ist schon beeindruckend dass sich unsere "Radiomacher" aus dem wirklich sehr breiten und tiefen Meer der deutschen elektronischen Musik so zielstrebig die langweiligsten Künstler angeln, die es dort gibt.
Wobei ich mir von Alle Farben damals ein paar Tracks von Beatport gekauft habe, als diese ich nenne es mal melodische Deep House Nummer noch nicht so ganz bis zum erbrechen durchgenudelt war. Lang ist's her.
Ich hab ihm anfangs als den talentierteren David Guetta empfunden, aber eigentlich ist er auch nur ein Alman-Guetta.
*ihn
Verfolge seine Karriere seit Jahren und freue mich auf das neue Album.
Muse... Die Muse. Die Muße gibt es auch, ist hier aber falsch.
Ist vorallem müßig bei der Musik
Dieser Kommentar wurde vor 9 Monaten durch den Autor entfernt.
Das soll Musik sein?
Anscheinend ja…Der Mensch
Weiß ja nicht, was ich davon halten soll. Bei weitem nicht so ausgelutscht, wie manche Beats von Vize, aber gut…