laut.de-Kritik

Der Sänger als Dienstleister.

Review von

Dass Rod Stewart aufs 'American Songbook' der Jazz-Standards aus den 1920er bis 50er Jahren steht und die damit verbundene Dekadenz gerne mit seinem britischen Blut feiert, bewies er mehr als einmal. Dass er mit einem Symphonieorchester harmoniert und sich mit pompöser Instrumentierung verträgt, zeigte er 2019 aufs Schönste. Jetzt geht er beiden Leidenschaften noch mal nach und begibt sich mit Londons Aufbrezel-Meister Jools Holland auf Perlentauchaktion im Repertoire des schrillen und schunkeligen Blechbläser-Shoobeedoo. 

Rod und Jools finden "Pennies From Heaven", eine herrenlose Nummer, die von Bing Crosby über Louis Prima zu Frank Sinatra und von Duke Ellington und Dave Brubeck bis zu Nelson Riddle wanderte - also durch die erste Reihe der Entertainer und Leiter von Swing-Orchestern. Rods Version wählt einen schmissigen, ziemlich guten Ansatz, der sich zum Beispiel vom zarten Herangehen James Taylors in dessen "American Standard" abgrenzt.

Vieles rauscht geschäftsmäßig vorbei, als wär's ein Abhaken von Revue-Nummern, die beim Publikum als bekannt vorauszusetzen sind. Es gibt Cover-Bands, die AC/DC und Helene Fischer im selben Set für Volksfeste und Hochzeiten drauf haben, und einen ähnlichen Pragmatismus strahlt "Swing Fever" aus. Breit aufs Brot streichen Hollands Musizierende die Formalien des Swing. Fieber merkt man der Produktion nun gerade nicht flächendeckend an.

So schlängelt sich das uralte "Love Is The Sweetest Thing" unschuldig und brav von der Tanzfläche zur Toilette. Denn der Unterhaltungswert reicht ungefähr für die WC-Pause bei einer Live-Aufführung. Historisch interessant mag sein, wie solche Songs später das Fundament für die Entstehung von Calypso trugen. Aber Temperament merkt man der Nummer kaum an. 

"Ain't Misbehavin'" bietet durch zwei Brüche im Rhythmus, mit Switch in einen perkussiven und dann in einen Klimper-Abschnitt schon mehr das Gefühl, einer wilden Party beizuwohnen. Die Nummer aus dem Jahr 1929 legte eine lange Karriere hin, die mit Fats Waller und Louis Armstrong begann und zu Sam Cooke und Ray Charles führte. Besonders die orchestrale Umsetzung an der neuen Aufnahme hat ihren Charme. Der Mister "Maggie May" als Sänger geht hier aber relativ unter, mag er auch Laute wie "ha!" und "ah yeah" einwerfen oder "watch it!" kläffen. Und dieser älteste Tune hier zeigt nur besonders deutlich, welche geringe Bedeutung seine Vocals für dieses Album haben. "Swing Fever" ist zwar sein Album. Doch man spürt Rod the Mod irgendwie nicht so recht heraus aus dem ganzen Brass-Tohuwabohu mit Nadelstreifen.

Stücke, die wirklich auf den Berufsjugendlichen mit den "Hot Legs" zugeschnitten sein müssten, wie das Storytelling "Frankie And Johnny", profitieren so gar nicht von seiner Stimme. Zum einen, weil viel geschäftiges Treiben um den Gesang herum flirrt und Unruhe erzeugt oder sich - siehe "Them There Eyes" - in den Vordergrund drängt und die Stimme unter sich begräbt. Dann, weil "Baby Jane"-Rod mit dem Repertoire nicht so umgeht, dass er es sich zu eigen machen würde. Er fungiert eben als Dienstleister wie in einer Cover-Band, der die Stücke technisch beherrscht. Um noch mal auf James Taylor zurück zu kommen: Der behielt den Hut über sein Standards-Projekt auf, formte eine stimmungsvolle neue Erzählung, ließ sich in den Liedern nieder.

So viel innere Positionierung geht dem Sir des "Rhythm Of My Heart" ab. Obwohl das komisch ist, hat er doch immerhin als Modelleisenbahn-Sammler das Philadelphia der '40er nachgebaut und sich durchaus ins Lebensgefühl rein recherchiert, das auch diese Jazz-Spielart von damals umwabert. Wieder mal reitet er eine Scheibe (von vielen) auf einer Pobacke ab. 

In der Quantität des Outputs blieb offenbar keine freie Minute für ihn, um in sich selber rein zu horchen: Was machen die Stücke mit dem Celtic Glasgow-Fan? Warum sollte er sie aufnehmen? Welche Szenarien entstehen dabei vor seinem inneren Age? In "Almost Like Being In Love" und "Walkin' My Baby Back Home" verlässt sich die Paarung von der Themse auf die Unkaputtbarkeit dieser Superklassiker. Natürlich flutschen sie dem versierten Orchester genauso makellos vom Taktstock, wie sie dem "Downtown Train"-Reisenden über seine Disco- und Softrock-erprobte Zunge gleiten. - Also alles in Butter!

Was für Musik-Freaks, Jazz-Fans und Rod-Kenner aber wirklich fehlt, ist eine persönliche Note, ein neuer Anstrich, ein frecher Schlenker. Besonders routiniert geraten die Passagen, die ein Rock'n'Roll-Klavier honkytonken lassen, "Tennessee Waltz" etwa oder "Good Rockin' Tonight". Für nebenbei taugen die Tracks vortrefflich und bilden karamellsüßen Vintage-Klang aus der guten alten Zeit, als man ins Tanztheater ausging.

Während die Platte vor allem den Evergreens auf der Spur ist, so sorgt "Swing Fever" immerhin ein Mal für eine Entdeckung, mit "Oh Marie", inzwischen einer Rarität. Louis Prima nahm das Töne-Feuerwerk mit Orchester zwar mal auf, allerdings finden sich sonst kaum Aufnahmen und diese auch nicht allzu leicht. In dieser Nummer geht der Blonde mit der Raspelstimme mehr aus sich heraus.

Schlecht ist das Album zwar überhaupt kein bisschen, dazu sind die Zutaten zu nobel. Aber eine nennenswerte Überraschung ereignet sich eben auch nicht. Deswegen: Wer einem absolut Swing-unerfahrenen Menschen eine Einführung in ein paar Stücke schenken will, die halbwegs zur Allgemeinbildung gehören, kann die Platte für entsprechende Anlässe im Hinterkopf behalten. Damit wird "Swing Fever" zu den vielen Produkten werden, die fürs Regal gekauft, aber nie angehört werden. Im United Kingdom stieg sie gleich auf Eins der Charts ein.

Trackliste

  1. 1. Lullaby Of Broadway
  2. 2. Oh Marie
  3. 3. Sentimental Journey
  4. 4. Pennies From Heaven
  5. 5. Night Train
  6. 6. Love Is The Sweetest Thing
  7. 7. Them There Eyes
  8. 8. Good Rockin' Tonight
  9. 9. Ain't Misbehavin'
  10. 10. Frankie And Johnny
  11. 11. Walkin' My Baby Back Home
  12. 12. Almost Like Being In Love
  13. 13. Tennessee Waltz

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1 Kommentar

  • Vor 8 Monaten

    Hier passt, aus meiner Sicht und im Vergleich zu den American Songbook Veröffentlichungen, gar nichts, aber das liegt, auch wieder aus meiner Sicht, nicht am Sänger, sondern an Jools Holland und der Instrumentierung. Ich weiß nicht, für wen hier die Musiker spielen, aber ich habe bei keinem Song das Gefühl, dass sie für Rod Stewart spielen und genau das ist, aus meiner Sicht, das Problem. Das, und die zwei Probleme, dass Rod Stewart einfach nicht mehr wie mit 25 singen kann, was auch nicht nötig ist, wenn die Songs demensprechend arrangiert und gespielt werden und eben das zweite Problem, dass die Musiker zwar professionell, aber ohne Herz und Seele spielen.
    Schade.