laut.de-Kritik

Belang- und kraftloses Pop-Allerlei zum Muttertag.

Review von

Wie zahlreiche Gangster-Rapper vor ihm, übt sich Ronan Keating in einer Nabelschnurschau. Der Boyzone-Sänger verfolgt mit dieser Veröffentlichung jedoch ein anderes Anliegen: das Andenken an seine 1998 an Brustkrebs verstorbene Mutter zu ehren, ihre Lieblingssongs zu verewigen und ihr somit ein kleines Denkmal zu setzen.

Sicherlich dient die Zusammenstellung auch der eigenen Auseinandersetzung mit diesem Thema. Als seine Mutter starb, gründete Ronan mit dem Rest seiner Familie eine Stiftung. Lobenswert daran: Mehrere Teams reisen seitdem von Stadt zu Stadt und weisen die Menschen auf Prävention, Risiken und Behandlungsmethoden hin.

Ärgerlich angesichts dieses lobenswerten Ansatzes liest sich hingegen die Aussage Keatings: "Auf dem Album finden sich Songs für jedermanns Mutter." Wenn ihm das mal nicht die Kommerzgeier seiner Plattenfirma ins Ohr geflüstert haben. Kein Sticker auf der CD, der auf die Stiftung hinweist, auch im Booklet findet sich kein Hinweis auf die Stiftung und ihr Anliegen. Dass dieses Thema wegbricht, lässt sich nicht mit der persönlichen und familiär gestimmten Atmosphäre der Platte entschuldigen.

Die Tracklist als "Nummer Sicher" zu bezeichnen, ist viel zu kurz gegriffen. Einzig zwei Traditional-Bearbeitungen brechen die ansonsten kollektiv bekannte Songzusammenstellung auf. Ausschläge auf dem Ärgernis-Meter bis in den roten Bereich hinein liefern "Time After Time", "I Believe I Can Fly" und die Elvis-Nummer "Suspicious Minds". Radioeinsätze im unendlichen Bereich und Repertoirebestandteil jeder Kirmeskapelle der beiden erstgenannten Titel sind ein gewichtiges Argument gegen eine Bearbeitung. Oder sogar dafür? Egal, aufgrund der klettenhaften Nähe zum Original fehlt es Keatings Versionen an jeglicher Originalität.

Dazu die hüftsteife Version des Elvis-Klassikers. Zahlreiche Liveaufnahmen des Kings von "Suspicious Mind" geben Zeugnis von der wahrlich meisterhaften Dynamik, die er und seine Mitmusiker diesem Stück entlockten. Dagegen wirkt Keatings Fassung wie ein Soundtrack-Beitrag zum High School Musical.

Als Katalysator der musikalischen Belanglosigkeit wirken handelsübliche Billigbeats, programmierte seelenlose Drums und vor allem die immer identischen Spannungsbögen:
Akustik-Gitarren streicheln zärtlich den Rücken. Dazu gesellen sich dezente Piano-Einsprengsel. Ronan säuselt, haucht und schmalzt ins Mikro. Die Kitsch-Evolution wird mit dem Einsatz frequenzberaubter Drums und ploppender Basstöne fortgesetzt. Die Wolkendecke durchstößt der Klangturm durch den Einsatz von Gospel-Chören und einer entfernt an romantische Klangideale erinnernde Orchestrierung.

Sowieso: Ronan Keatings Gesangs fällt streckenweise sehr schwach aus. "Both Sides Now" verzichtet komplett auf die der Vorlage eigene Phrasierung und Rhythmisierung. An die Dynamik von Garth Brooks Interpretation des Dylan-Klassikers "Make You Feel My Love" reicht er nicht mal ansatzweise heran.

Positiv hervorzuheben: "Vincent". Don McLeans Hommage an Van Gogh ist mit Akustik-Gitarren-Geplätscher und einem dezent den Hintergrund bezirzenden Schifferklavier angenehm instrumentiert. In dieses dahin perlende Bächlein fallen hier und da Piano-Tröpfchen, wie bei einem Maler, der sein Fragment mit jedem Pinselstrich ergänzt.

Sehr schön auch, wie nach dem Höhepunkt auf der Zeile "and when no hope was left in sight on that starry, starry night" die flirrende Streicherbegleitung in sich zusammenfällt und einem warmen romantisierenden Klang Platz macht. Ein farbenfrohes Bild im Gegensatz zur restlichen Krakelei.

Die Verwendung eines folkloristischen Instrumentariums entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Mogelpackung: Denn außer der typisch irischen Flöte und ein paar verstreuten Percussions versinkt alles im gezähmten Orchesterkitsch. Die Produktion verzichtet auf jegliche Organik. Und als hätte sich Ronan Keating den Zappaschen Songtitel "My Guitar Wants To Kill Your Mama" zu eigen gemacht, klingt die Produktion kraftlos und ohne Dynamik.

Aber hey, wer schert sich denn bitteschön um die Musik? Schwiegermamas Bester hat uns wie aus dem Nichts ein Geschenk für den bevorstehenden Muttertag aus dem Hut gezaubert. Statt Blumen gibt es dieses Jahr einen Keating zum Tag der Erzeugerinnen. Somit ist auch die knappe Spielzeit von vierzig Minuten vom jeweiligen Standpunkt abhängig. Man muss es ja nicht selbst hören.

Trackliste

  1. 1. Time After Time
  2. 2. Make You Feel My Love
  3. 3. Both Sides Now
  4. 4. Vincent
  5. 5. Carrickfergus
  6. 6. I Believe I Can Fly
  7. 7. Mama's Arms
  8. 8. The Wild Mountain Thyme
  9. 9. Suspicious Minds
  10. 10. This Is Your Song

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