laut.de-Biographie
Rummelsnuff
Ein riesiger Fleischberg Mann, dieser Rummelsnuff. Da strömt aus jeder Pore der Geruch des ganzen Kerls. Da verwundert es niemand, dass seine Themen ganz im Zeichen des Männlichkeitswahn stehen: Zur See fahren, Muskeln zur Schau stellen, schweißtreibend auf der Matte ringen und - Elektrorock Marke "derbe Strommusik" machen.
"Derbe Strommusik" - das bezeichnet recht treffend eine Industrial-Klangwalze, die mit Rummelsnuffs dröhnender Stimme unterlegt ist. Dazu Techno-Pop, der sich an Rammstein, Laibach und der gesamten deutschen Musikgeschichte "von Hans Albers bis DAF" orientiert.
Dazu trägt Rummelsnuff Springerstiefel, obwohl er sicher kein Rechter ist: Das gehört einfach auch zum Image. Doch wer steckt hinter dieser inszenierten Kunstfigur Rummelsnuff?
Der Berliner Roger Baptist ist Erfinder und Mensch im Rummelsnuff. Er gibt dem Kraftprotz seine Authentizität. Von klein auf ist Roger Baptist mit der Musik verwachsen. Beide Eltern sind Musiker, sein Vater war Posaunist und Bandleader der Peter Baptist-Combo. In jungen Jahren erlernt Roger das Fagottspiel in der Musikschule und ist Mitglied des Orchesters des Landkreises Riesa-Großhain in Sachsen.
Ende der 80er bringt er sich selbst erst Schlagzeug und dann Bass bei. Mit diesem Können verschlägt es ihn im nächsten Schritt für kurze Zeit in die kleine Untergrundband Kein Mitleid in der langsam zerbröckelnden Deutschen Demokratischen Republik. 1989 wird er der Keyboarder der avantgardistische DDR-Band Freunde der italienischen Oper, in der in den 60er Jahren bereits seine Mutter Renate Baptist Mitglied war. Als jedoch 1992 der Leader Franz Friedrich Kunze überraschend stirbt, löst sich die Gruppe auf. Daraufhin wird Baptist Mitbegründer des Industrial-Elektrotrios Automatic Noir, das sich 1999 allerdings, noch bevor sich Erfolg einstellen könnte, trennt.
Es scheint, als habe Roger Baptist nach so viel Bandwirren erst mal die Schnauze voll vom Musikgeschäft. Denn an diesem Wendepunkt in seinem Leben kehrt er Deutschland den Rücken und blickt nach Norwegen, um genauer zu sein, auf die skandinavische See. Baptist heuert als Matrose auf einem norwegischen Handelsschiff an und bereist die Weltmeere zwischen Hammerfest und Sansibar. Fünf Jahre lang lebt der Seefahrer mit seiner Mannschaft auf dem Ozean, dann kehrt er um diese männliche Erfahrung reicher zurück.
Pünktlich zum Reunionkonzert der Freunde der italienischen Oper 2004. Als kurz darauf der norwegische Maler Bjarne Melgaard um die musikalische Ausstaffierung einer seiner Ausstellungen bittet, ist Baptist bereit, seine Klangscheiben zu rekrutieren. Synthies, Sampler, Muskelshirts, Männermythen und was man sonst noch so braucht, fährt der seefahrende Musiker auf: Rummelsnuff ist geboren.
Beim ZickZack Label, das auch Jens Friebe, Klotz+Dabeler, Katze und Knarf Rellöm unter seinem Dach vereint, stößt er auf Gleichgesinnte: Das Besondere, Einzigartige steht hier im Vordergrund. Rummelsnuff entfaltet seinen ironisch überzogenen Männerkult zur Gänze und eckt damit auch an Grenzbereiche an: "Du ein Mann, ich ein Mann / beiden juckt das Fell / Zum Ringen auf die Matte jetzt / Zum Kampfe, aber schnell" heißt es beispielsweise im Song "Ringen" seines Debüts "Halt durch!". Unterstützung bei Live-Auftritten holt er sich bei seinem libanesischen Label-Kollegen Roman Shamov, der auch auf seinem Debüt Duettpartner ist.
Seine Eigeninterpretation von Martialität, Machismo und elektronischer Musik, rückt ihn bald in den Fokus der großen Feuilletons. Irritation und Faszination wechseln im Zuge der Veröffentlichung des Zweitlings "Sender Karlshorst" 2010. Rummelsnuff bleibt auch hier der vergegebenen Marschroute treu.
Die Faszination für den Seefahrer und das Männliche zieht sich durch sein Werk, das 2012 mit "Himmelfahrt" nochmals vergrößert. Die Hintergründe der Kunstfigur bleiben weiterhin im Unklaren. Das kurzzeitig gesteigerte Medieninteresse ist dem interviewscheuen Roger Baptist egal: Es sind die Seemänner, die Schrauber, die Heizer und Türsteher, die im Vordergrund stehen sollen.
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