laut.de-Kritik
Eine dringend notwendige Platte.
Review von Anastasia Hartleib"Salt-N-Pepa came back to the mic / it's not the end of the road / and like the boom in the bass - about to explode!" Es ist 1993 und Salt-N-Pepa sind kurz davor, die Radiostationen - mal wieder - zu beherrschen. Als sie 1987 mit Hilfe des Radio-DJs Cameron mit "Push It" das erste Mal durchstarteten, dachte noch niemand daran, dass sie sechs Jahre später sogar einen Grammy einheimsen würden.
Bereits mit dem Vorgänger "Blacks Magic", brachten sich Cheryl 'Salt' James, Sandra 'Pepa' Denton und Deidra 'DJ Spinderella' Roper in die Ohren und auf die Tanzflächen der Welt. Doch erst "Very Necessary" drückte der Welt endgültig ihren gut gewürzten Stempel auf.
Dass sich ausgerechnet ihr viertes Album zum Groundbreaker entwickelt, ist kein Zufall. Allerdings - zumindest aus Labelsicht - auch alles andere als zu erwarten. Bis dato sah die klassische Produktion beim Trio aus New York nämlich folgendermaßen aus: Hurby 'Lovebug' Azor, Produzent und Manager der Kombo, schreibt und produziert die Songs, die Girls gehen raus und performen. Lovebug war zeitweilig auch mit Salt liiert, bis es 1989 zum Bruch zwischen den beiden kam. Er bleibt zwar Manager & Produzent bei Salt-N-Pepa, richtet den Großteil seiner Aufmerksamkeit aber zunehmend auf die Kumpels von Kid'n'Play, bei denen er auch als Manager und Produzent tätig ist.
Salt, Pepa und Spinderella fühlen sich kurz vor "Very Necessary" erstmal ein bisschen allein gelassen. Doch Däumchen drehen und warten, bis die Männer wieder Lust auf sie haben, war noch nie ihre Devise. Stattdessen wittern sie die Luft der Selbstbestimmtheit: sie verlangen einerseits deutlich mehr vom Umsatz ihrer Songs von Label & Lovebug und wollen endlich auch mehr Einfluss nehmen auf das, was sie da ins Mic rappen.
So kommt es, dass sich vor allem Salt und Spinderella am Produzentinnentum versuchen. "Children play, women produce" - ziemlich genau so muss es ausgesehen haben im Studio von Salt-N-Pepa. Alle drei sind mittlerweile Mütter und das erste Mal Herrscherinnen über die Regler. Als Lovebug mitbekommt, dass die drei einfach ohne ihn weitermachen, ist Azor doch ganz schnell wieder mit im Studio. Sie einigen sich schließlich auf eine 50-50-Lösung: 50 Prozent der Songs kommen von Lovebug, 50% von den Ladies.
Vor allem Salt kämpft um ihre Anerkennung als Produzentin. Sie ist es, die "Shoop" schreibt und produziert. Als sie den Song das erste Mal dem Label vorspielt, sind die alles andere als begeistert. Doch Salt lässt nicht locker. Sie bearbeitet Label und Produzent so lange, bis "Shoop" auf dem Album landet - und auch die erste Single-Auskopplung wird. Und siehe da: "Shoop" wird ihr bis dato größter Erfolg. Platz vier in den Billboard Hot 100, Platz 1 in den Hot Rap Songs.
Es war also dringend notwendig, dass Salt-N-Pepa endlich auch im Business die Rolle der starken, unabhängigen Frauen einnehmen. Lovebugs Einfluss sollte allerdings nicht kleingeredet werden - es ist diese Mischung aus härteren Rap-Passagen und schummrig schönen Soul-Einlagen (für die übrigens Lovebug verantwortlich zeichnet), die "Very Necessary" zu seinem donnernden Erfolg verhelfen.
Das Album startet mit einem recht schlecht gealterten Dancehall-Wumms names "Groove Me", bevor "No One Does It Better" mit schmalzigen Ginuwine-R'n'B-Vibes ins Ohr tropft. Doch Salt und Pepa geben dem Ganzen den richtigen Twist: "Take a good look / bet that ass'll be hooked / because I'm better than the good book", flowt Salt, bevor Pepa nachlegt: "Got thrills and frills like a theme park / before the chill part you can't have an ill heart."
Das Album ist zum Bersten gefüllt mit expliziter, weiblicher Sexualität. Ob der soulige Hit "Whatta Man" mit En Vouge, das Grammy-prämierte "None Of Your Business" oder schlicht "Sexy Noises Turn Me On" - überall wird weibliche Lust ganz selbstverständlich gefeiert und zur Schau gestellt. Nie geht es um Devotheit, darum dem Mann um jeden Preis zu gefallen. Es geht darum, was Salt, Pepa und Spindarella brauchen, um zum Höhepunkt zu kommen. "Go up and down and go round and do all that / but don't forget that I'm a sister with a thing for the sound / so make a sexy noise when you on your way down / yeah all the way down!"
Salt-N-Pepa bringen diese Zeilen mit einem derart mühelosen Selbstbewusstsein an den Mann, wie man es von drei jungen Frauen im Pop-Business der Neunziger Jahre kaum erwarten würde. Ihre Selbstsicherheit beim Rappen dieser Zeilem, ihr hörbarer Spaß an Lust und sexueller Freizügigkeit sind nicht nur verdammt unterhaltsam, sondern auch noch heute verdammt inspirierend.
Hierin liegt die Magie von Salt-N-Pepa. Sexy Tunes, die junge Frauen entspannt und humorvoll zur Selbstbestimmtheit auffordern und allen Hörenden gleichzeitig schmunzelndes Kopfkino bereiten. "You're so packed and you're stacked - 'specially in the back / brother, wanna thank your mother for a butt like that / can I get some fries with that shake-shake-boobie? / If looks could kill you would be an Uzi / or a shotgun - bang / what's up with that thang? / I wanna know - how does it hang? / straight up, wait up, hold up, Mr. Lover / like Prince said you're a sexy motherf..."
Bei all dem lustvollen Spaß liegt es Salt-N-Pepa allerdings sehr am Herzen, auf ein in den Neunzigern äußerst dringendes Anliegen aufmerksam zu machen: AIDS. Bereits vor "Very Necessary" haben sich die drei u.a. mit einer abgewandelten Version ihres Hits "Let's Talk About Sex" dem Thema gewidmet. Besonders auf der zweiten Hälfte ihres Viertlings bekommt das Thema AIDS und Prävention Dringlichkeit.
"I seen a lot of women fall and gettin' fast money / 'cause either AIDS or jail will get that ass honey" rappt Salt beispielsweise auf "Big Shot". Die drei gehen sogar so weit, das letzte Wort einer Schülergruppe zu geben, die ein sog. 'Public Service Announcement' aufgenommen haben. Der Dialog zwischen einer jungen Frau und ihrem Freund, bei dem sie sich mit dem Virus angesteckt hat, zeigt nicht nur auf sehr drastische Weise die Grausamkeit dieser Krankheit, sondern steht auch im harten Kontrast zur unbeschwerten Leichtigkeit des Albums. Umso stärker sinkt allerdings die Message des Skits ein: "The best cure is not to get it and not to spread it."
Obwohl Salt-N-Pepa bis 2002 weiter bestanden, konnten sie nie wieder an die Erfolge von "Very Necessary" anknüpfen. Doch ihre sorglose Art, mit der sie sich ein Standing beim Label und Publikum gleichermaßen erarbeiteten, waren Türöffner für andere Frauen, die nach ihnen das Biz' unsicher machten, wie auch Missy Elliott kürzlich feststellte, als die drei New Yorkerinnen Anfang November 2022 einen Stern auf dem Walk of Fame erhielten. Deswegen halten wir es wie die Rapperinnen in ihrem letzten Song des Albums: "Keep, keep it on, 'til the break of dawn!"
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
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