laut.de-Kritik

Ohrfeigen für alle.

Review von

Scala & Kolacny Brothers begehen mit "Solstice" ihr 20-jähriges Bestehen. Symbolisch enthält das aktuelle Album ebenso viele Stücke, die jeweils für ein Jahr der Bandhistorie stehen. Egal ob Michael Jackson, Dave Matthews, Green Day oder Nine Inch Nails: Keine Ikone bleibt verschont. Gnadenlos altjüngferliche Frauenchöre verwandeln alle Welthits in einen Klostergarten.

Wenn S & KB zuschlagen, bleibt kein Auge trocken. Tränen der Rührung werden es aber kaum sein. Das belgische Langzeitprojekt bleibt seinem nivellierenden Konzept unerbittlich treu: Die grundsätzlich gute Idee einer vielstimmigen Interpretation berauben sie durch strohige Saftlosigkeit des Vortrags jeglichen Charmes. Mehr Herabwürdigung als Hommage steht am Ende.

Die Eurythmics sind so manche Schändung ihrer "Sweet Dreams" gewohnt: von Frauenarzt bis hin zu Thomas Anders. Scalas Idee, den Track in Richtung Tragik zu schieben, mag man grundsätzlich begrüßen. Das Ergebnis kommt indes nicht über sedierendes Genöle hinaus. Heavenly Voices gehen charismatisch ganz anders.

Einen Lichtblick bietet ab und an Steven Kolacnys Piano wenigstens. Mittlerweile ist sein Spiel der eigentliche musikalische Höhepunkt im Ensemble. So etwa auch im belanglosen Allerweltssingsang Cures "Boys Don't Cry". "Cloudbusting" (Kate Bush) und "Fat Bottomed Girls" (Queen) ergeht es kaum besser. Kurz Momente der Ergriffenheit ergeben sich höchstens aufgrund der Genialität der Originale.

Ein paar Lieder ziehen die Chöre dennoch nicht ganz zu sich hinunter, was nicht Scalas Verdienst ist: Britney Spears "Womanizer" oder Aquas "Barbie Girl" taugten bereits vorher wenig. Das wird auch in Zeitlupe mit Depri-Touch nicht erträglicher.

Phil Collins erhält - ein Novum in der Scala-Historie - gleich zwei Ohrfeigen. Genesis "Follow You Follow Me" und seine Solovisitenkarte "In The Air Tonight" verlieren sich nicht in Leidenschaft inbrünstiger Stimmen: Sie ersaufen stattdessen in gleichgültig gesungener Bravheit, was bei Letzterem besonders schade ist. Denn hier wäre eine knackige Neuerfindung ohne das essentielle Drumkorsett sehr interessant gewesen.

Am allerschlimmsten trifft es post mortem David Bowie. Dessen Tracks eignen sich eigentlich hervorragend für Chor-Arrangements. So hat das Kollektiv Choir! Choir! Choir! aus Ontario bereits zu Beginn des Jahres eine ebenso fulminante wie sensible Interpretation von "Space Oddity" veröffentlicht. Zu Recht ging es als millionenfach geklicktes Youtube-Wunder um die Welt.

Derlei Emotionen haben Scala nicht ansatzweise in petto. Sie degradieren den tragisch romantischen Mauersong zum schnöden Mauerblümchen fürs Kaffeekränzchen später Mädchen. Wer zum Vergleich hören mag, wie großartig man die Nummer variiieren kann, der höre die um Welten intensivere Fassung von Andrea Schroeder(Album: "Where The Wild Oceans End").

Und so geht es in einer Tour de Force der Langeweile weiter. Kein einziges der 20 Juwelen erstrahlt in neuem Glanz. Alles bleibt eine Mogelpackung in Moll.

Trackliste

  1. 1. Boys Don't Cry
  2. 2. Sweet Dreams (Are Made Of This)
  3. 3. All Of Me
  4. 4. Crash Into Me
  5. 5. Cloudbusting
  6. 6. Fat Bottomed Girls
  7. 7. Heroes
  8. 8. Hungry Heart
  9. 9. Survival
  10. 10. Dirty Diana
  11. 11. The One I Love
  12. 12. Piggy
  13. 13. Strong Enough
  14. 14. Wake Me Up When September Ends
  15. 15. Womanizer
  16. 16. Follow You, Follow Me
  17. 17. In The Air Tonight
  18. 18. Barbie Girl
  19. 19. I Don't Like Mondays
  20. 20. Black Hole Sun

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