laut.de-Kritik
Besonders die ruhigen Tracks funktionieren sehr gut.
Review von Ulf Kubanke"Unendlich" ist nicht nur das insgesamt achte Studioalbum der Schandmäuler. Es ist auch das erste nach dem Labelwechsel zu Universal. Das neue Zuhause tut den bayerischen Folkrockern hörbar gut. Heraus kommt einmal mehr ein Album mit Licht und Schatten. Erstmals weist die Tendenz indes deutlich nach oben.
Die einengende Bezeichnung 'Mittelalterrock' wird ihnen nicht mehr gerecht. Ihre Folkelbausteine orientieren sich mittlerweile mehr an Shantys und britischem Folk des 18. Jahrhunderts. Als besonderer Leckerbissen entpuppt sich auf fast allen Liedern der Dialog zwischen English Flute und Geige. Das vergnügliche Eigenleben beider perfekt eingesetzter Instrumente ("Tippelbruder") ist eine echte Stärke. Auf Albumläge perfekt als frische Brise irischen Frühlings ausbalanciert. Immer melodisch, oft rhythmisch fokussierend, dabei aber niemals banal. Hoffentlich bleibt die songdienliche Zutat auch auf den nächsten Platten an Bord.
Dazu gibt es überwiegend die altbekannte Melange pseudoharter Gummimetal-Gitarren, die trotz Strom und Verzerrer immer schön handzahm und dudelfunktauglich bleiben. Hier wünscht man sich als Hörer, die Truppe würde nicht stets darauf achten, dass es vom Finanzbeamten oder Bankangestellten bis zum H&M-Gothchick wirklich allen gefällt. Wer es allen recht machen will, läuft Gefahr, jene Eigenständigkeit und sandpapierne Rauheit zu verlieren, die live erkennbar ist. Ein wenig mehr flohzerbissene Räudigkeit und weniger geleckter Kostümverleih-Schick stünde ihnen gut zu Gesicht.
Textlich ist Frontman Tom Lindner mittlerweile mit einer abgehangenen Reife gesegnet, die ihn als echten Storyteller ohne sprachliche Peinlichkeiten adelt. So gibt er schönes Seemannsgarn à la "Mit Der Flut" zum Besten. Gern und oft streut er abenteuerlichen Geschichts- und Heldenunterricht ein. So beschäftigt sich "Trafalgar" mit der legendären Schlacht Lord Horatio Nelsons mit Franzosen und Spaniern. "Baum Des Lebens" wartet mit Wälsungenblut und Edda auf und sollte allen Freunden nordischer Sagen gefallen. Vor allem das atmosphärische und sehr sanfte Arrangement des Liedes bezaubert nachhaltig.
Sogar Lindners Gesang kaschiert die eigenen Schwächen besser als ehedem. Eine prächtige und voluminöse Klangfarbe sucht man zwar weiterhin vergebens. Durch das hörbare in den Vordergrund mischen kann er aber auch flüsternd neben heftigstem Instrumentalgewitter bestehen. Doch der Trick ist zweischneidig, da auf Kosten einer organischen Balance errungen. Deutlich besser funktioniert ihr Kniff, die Vocals gedoppelt zu bringen ("Der Teufel") und Lindner gelegentlich bei den Backingvocals einzusetzen. Das bringt zwischendurch wenigstens mal die Illusion von Wucht.
So funktionieren besonders die puristischen, akustischen und ruhigen Tracks sehr gut. Lieder wie "Mein Bildnis" zeigen eine gereifte Band, die es nicht nötig hat, stets auf dem kleinsten Nenner des Bummspartyfolkrocks zu agieren. Mehr unplugged bekommt ihnen gut. Besonders gelungen sind die beiden Instrumentalstücke wie "Little Miss Midleton" oder "Tangossa". Letzteres jongliert angenehm mit eingeflochtenen Tangoelementen. Beide sind eine willkommene Erholungspause vom Gesang. Auch das niedliche Bach-Zitat ("In Deinem Namen") ist als Idee im Rock-Kosmos zwar alles andere als neu, aber dafür songdienlich umgesetzt.
Leider befinden sich auch ein paar Füllsongs auf der Scheibe, die wohl textlich taugen, nicht jedoch musikalisch überzeugen. Der Opener "Trafalgar" ist im Vergleich zu seiner spannenden Geschichte ein wenig belanglos und bleibt kaum im Ohr. "Kaspar" ist kaum mehr als routinierter Allerwelts-Rock für die Met-Ecke des örtlichen Mittelaltermarktes. Und der engagierte Antinazi- und pro Toleranz-Track "Bunt Und Nicht Braun" bleibt kompositorisch leider so lahm und belanglos, dass seine plakative Hymnenhaftigkeit ihn auch nicht vom Los der Mauerblümchen-Komposition vom Reißbrett retten kann.
So bleibt schlussendlich auch "Unendlich" eine musikalische Reise der gemischten Gefühle. Erstmals jedoch hat man die leise Ahnung: Schandmaul können noch einmal richtig gut werden, so sie die angefangene Entwicklung weiter ausbauen.
12 Kommentare mit 36 Antworten
Um Gottes Willen .... Reinhard Mey nur ohne die vielen Falten ... furchtbares Zeug.
Musik für alle Ungewandeten der Mittelalterszene. Entsprechend des Jargons sind Schandmaul nicht "A", ich sage sie sind einfach nur Scheisse. Dann lieber PUR hören, die sind auch nicht besser oder schlechter.
Word!
Wer hört heute noch Pur? *grübel*
wo sind all die Indianer hin?
Wann verlor das grosse Ziel seinen Sinn?
CafPow, hör gut zu: du bist mein Glück.
Ein graues Haar!!! Wieder geht ein Jahr.
Ich hab alle Indianer getötet außer Häuptling Chuck Billy von Testament und seine Sippe
Auch die aus Cleveland?
Ich muss mal gerade loswerden, dass zu meinen Zeiten als Event-Dj der Pur Megamix immernoch ein Garant war, die betrunkene und gut gelaunte Meute zum tanzen zu bringen.
Verdammt die hab ich übersehen...
mich würde interessieren, in welcher weise der labelwechsel die band neu inspiriert hat; wäre dann vielleicht auch ein modell für andere musiktreibenden im in- und interland.
mein eindruck: bessere beratung und bedingungen bei der produktion.
Ich bin vom Album ein wenig enttäuscht. Mir ist es zu ruhig, zu kitschig. Das Lied "Bunt statt braun" klingt wie ein Abklatsch vom viel besseren Song "Orient und Okzident" von Weto (die ebenfalls aus Schandmäulern und Sänger Thomas Lindner besteht).
Einzig allein "euch zum Geleit" und die Akustversion von "in deinem Namen" kann mich überzeugen.
Ich trauere Songs wie "Frei" und "Assasine" sehr nach.
Es ist Schandmaul -allerdings hat es mit MittelalterROCK nichts zu tun.
bloss keine Stellung beziehen, nicht wahr?
entweder gefällt einem das Ding oder eben nicht.
Aber das hier hat mit ner Kritik nix zu tun, das ist "quotenjägerei" erst die Gesamtentwicklung loben um dann jeden Song einzeln nieder zu machen? schwache Leistung.
Was ich persönlich von dem Album nicht sagen kann, mir gefällts.
Klar ist "Der Teufel..." für die Met-Ecke, aber wie der Text schon sagt "... na und, na und?"
ich liebe schandmaul eigentlich und höre sie seit 9 jahren
uns alben wie "Narrenkönig" oder "von Spitzbuben und anderen Halunken" haben es in meine hall of fame von alben geschafft die man problemlos ganz durchhören kann und keinen track überspringt. Dabei fühlt es sich fast wie ein hörbuch an, weil sie dich mit auf eine reise nehmen in eine fantasy welt und du den alltag vergessen kannst. Bei manchen Stücken bekomm ich Heute noch gänsehaut und tränen in den Augen vor Freude! ("Herren der Winde", "Die letzte Tröte" , "das Seemannsgrab", "dein Anblick", "stein der weisen"). Es war einfach authentisch.
Aber das was da jetzt abgeliefert wird ist die gleiche Entwicklung wie bei Unheilig. Geldgeiler Kommerzschrott mit einer Zielgruppe von Hausfrauen mitte 40 a la Münchner Freiheit oder Pur. Und ich möchte hiermit mal sagen das ich dies sehr bedauere und hoffe die Bandmitglieder lesen diesen text und werden eventuell mal "wach" in Bezug darauf das ihre frühere Individualität ihre Stärke war!
Ich weiss natürlich das Schandmaul, In Extremo, Svbway to Sally für eingefleischte mittelalterfans immer schon mainstream war aber diese leute müssen sich hier ja eh nicht einmischen weil es ja nicht ihr thema dann sein sollte.
Soweit so gut, also Schandmaul mit euren neuen Hochwertigen Mitteln macht was draus und kehrt mal wieder auf alte pfade zurück, das schlimmsde was eine band machen kann ist es sich weiterzuentwickeln!(auch wenn es euch künstlern langweilig wird immer dasselbe zu machen aber dafür werdet ihr nunmal verehrt! ein fussballspieler fängt auch nicht einfach basketball an zu spielen! ist beides sport aber was völlig anderes!).