laut.de-Kritik
Playlist-Futter mit fragwürdigem Frauenbild.
Review von Hannes HußIrgendwo auf dem Weg haben Schorl3 den Spaß vergessen. "Pia" hat 2020 irgendwie Laune gemacht. Das war nicht unbedingt gut, oder neu, oder aufregend, hat aber das gemacht, was Kulturgüter so machen sollen. Jetzt haben die drei Hamburger mit "Songs Für Dich" ihr zweites Album gebastelt und können sich kaum bewegen vor lauter Bedeutungsschwere und Zeitdiagnose beim Verhandeln des großen Themas Liebe. Hier springen keine quietschenden Casios mehr durch den Song, stattdessen fühlt man sich permanent wie auf der einen WG-Party, auf der im kleineren Zimmer die ganze Zeit dieser eine Typ saß, der als "Lofi-Rapper, du weißt schon, bisschen Mac Miller und so, das fühl ich total" groß rauskommen wird, "ganz sicher Brudi, ich leb für den Scheiß", aber in Wahrheit nur ziemlich weirde Sachen über seine Ex sagt und in zwei Monaten aus seiner WG geschmissen wird, weil er seit er eingezogen ist kein einziges Mal den Abwasch gemacht hat.
Der Zweitling der Hamburger reißt allen guten Willen eh schon direkt beim ersten Blick mit dem Arsch ein. Auf dem Cover ist, na klar, eine nackte Frau zu sehen. Und irgendwie, bei aller Sexpositvität, hat das auch 2024 ein ordentliches Geschmäckle für ein Album von drei Männern. Frauen kommen hier an allen Ecken und Enden vor, aber auf die Art und Weise, wie 16-jährige Jungs über ihre Klassenkameradinnen reden, wenn sie sich besonders bedeutungsvoll geben wollen.
Es strotzt vor Plattitüden, die Sänger LMO und das Produzentenduo Hannes und Anton mit Allgemeingültigkeit verwechseln. Das belanglos-sanfte "Netflix" faselt irgendwas von "bist du nicht hier / ist dieser Raum nicht mein Zimmer" und klingt wie die schlimmste Pick-Me-Boy-Exegese des noch jungen Jahres. Sänger LMO trägt all seine Weisheiten und Sehnsüchte von Netflix-Algorithmen und Dating-Shows so schmachtend vor, dass man ihm am liebsten das Mikro wegnehmen und ein kaltes Glas Wasser vor dem Rausschmiss mitgeben will. "Vier Quadratmeter Decke machen alleine keinen Sinn" und so. Sag doch einfach, dass du horny bist und dich für Gottes Geschenk an die Frauenwelt hältst, Junge.
Nach all den Debatten um Sexismus im Deutschrap ist die Debatte um Sexismus im deutschen Indie-Pop eh überfällig, das zeigen Schorl3. Die Sprache ist natürlich sanitärer als die Exzesse von Kollegah und Co., Schimpfwörter kommen nie vor. Stattdessen sind Songs wie "Wasser Fahren" von einem Indie-Analogfilter überzogen, leicht verwachsen im Piano, wie ein sanftes 70s Roadmovie. Darin geht dann unter, dass LMO, Anton und Hannes Frauen die ganze Zeit angaffen, sie nur als Objekte ihrer Begierde behandeln. Liebe scheint hier nicht zwischen einem Mann und einer Frau stattzufinden, sondern von einem Mann auf eine Frau projiziert zu werden.
"Songs Für Dich" wirkt in seiner Fülle wie die schlechteste Version eines selbst, direkt nach einer Trennung. LMO bettelt, klagt an, verhandelt und fühlt sich damit irgendwie dauerhaft im Recht. Dieses Selbstrechtfertigung zerschießt ihm das ganze Album, dadurch kippt alles von 'charmant-augenzwinkernd' zu 'verkrampfter Weirdo auf der WG-Party'. Am deutlichsten wird diese seltsame Verkrampftheit auf "Wasser Fahren", dessen Intro genau gleich klingt wie "Hope" von Alex G. Der Anti-Folk des US-Amerikaners entblättert diese Lo-Fi-Ästhetik allerdings genüsslich, setzt ihr schonungslose Ehrlichkeit entgegen. Schorl3 hingegen bauen eine Plattitüde neben die nächste, Bilder wie "Ich hab mein Ziel erreicht und dabei hatten wir eigentlich nie eins" klingen so ausgelutscht Instagram-Reel optimiert, dass sie zynisch daherkommen. Alle vorgeschobene Lässigkeit wirkt auf "Songs Für Dich" kontrolliert, als würden Schorl3 bei jeder noch so kleinen Handbewegung in den Spiegel schauen, um darauf zu achten, dass das Video von dieser auf jeden Fall 'instagramable' ist.
Dazu gehört auch die ständig changierende Stimmung des Albums, auf das trottend-verliebte "Peter Spielt Golf" folgt das Bedroom-Pop-Stück "Südpol/Nordpol" folgt der kühle Uptempo auf "Magst Du Mich?" folgt der bemühte Lo-Fi "Bluelightskit" folgt der Faber-meets-Rakede-Verschnitt "Leicht (Mit Serpentin)". Eine durchgängige Stimmung lässt sich nicht identifizieren, entgegen der vollmundigen Ankündigung, über "Liebe, [...] Vermissen und wie man damit klarkommt - oder eben nicht klarkommt - allein zu sein" zu singen, wirken die "Songs Für Dich" einfach zynisch kalkuliert. Für jedes wohlkuratierte Instagram-Reel soll der passende Songs dabei sein, für Montagen aus dem ersten Pärchenurlaub, Flohmarkt-Besuchen und dem Frühstücks-Einblick. Kein Song hilft dabei, eine ernsthaft Idee von der Band "Schorl3" zu entwickeln, sie plätschern vor sich hin.
Kein Song entwickelt auch nur ansatzweise eine Form von Dynamik, wie auch, sind sie doch alle unter leicht-konsumierbaren drei Minuten gehalten. "Overhaupt" probiert sich als trippelnder Darkpop und bleibt am Ende vor allem belanglos. "Der Song, den wir einst hörten, ist nicht mehr auf repeat" ist als zentrale Zeile auch von einer solchen Bedeutungsleere, es wirkt fast wie ein schlechter Witz. Anton und Hannes überladen das Stück im Hintergrund noch mit endlosen "Huhu"-Chören, kurzen Adlips und bedeutungsschwangeren Pianos. Es gibt sogar einen kleinen Break und vor allem eines: Verwirrung. Denn auch emotional widerspricht sich LMO dauerhaft, auf die Änderung der Songauswahl folgt ein "Frag mich, ob du mich überhaupt noch liebst", wenn die Antwort eh schon klar ist.
Dieses Plätschern, kombiniert mit der Verkrampftheit macht "Songs Für Dich" auch noch mal schwächer, als es in seinen Grundzügen eh schon ist. Simplizität im Songwriting wird so von charmant-naiv zu unfähig, die ständig wechselnden Stimmungen des Albums sind nicht mehr leichtgängig, sondern unentschlossen. So, wie man dem Typen auf der WG-Party eben nicht mehr sagt: "Ja, Brudi, alles gut, ich versteh dass die Trennung für dich hart war, gib Bescheid, wenn ich dir irgendwie helfen kann", sondern nach dem dritten selbstreleasten Song, der im Refrain viel zu viel über den Sex mit der Ex erzählt, sich mehr ein "Jetzt komm mal klar, Hanna fühlt sich super unwohl in deiner Nähe deswegen und wir dadurch halt alle auch" einstellt.
Ich hätte jetzt gerne abschließend ein nettes Wort an Schorl3, so im Sinne von "Anton, LMO, Hannes, ich glaub es wär geil wenn ihr auf meiner nächsten WG-Party wärt, kommt rum." Aber ganz ehrlich? Ne.
2 Kommentare mit einer Antwort
Na da steht jemand nicht so auf Schorl3…
Schorl4 - Electric Boogaloo goes to Christmas Camp ist auch einfach der bessere Teil.
""Vier Quadratmeter Decke machen alleine keinen Sinn" und so. Sag doch einfach, dass du horny bist und dich für Gottes Geschenk an die Frauenwelt hältst, Junge."
Ich habe hier schon viele Verrisse gelesen, aber das ist absoluter Schwachsinn. Bitte was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Pro-Tipp an den Autor: Decken sind nicht nur zum Schnackseln da. Und wer nicht gern alleine ist, hält sich nicht zwangsläufig für Gottes Geschenk an die Frauenwelt.
Musik 1/5 belanglose Pop-Scheiße, Review 0/5.
Schwache Leistung.