laut.de-Kritik
Der Nickelback-Vergleich ist passé.
Review von Toni HennigVor drei Jahren veröffentlichte die mehrfach mit Platin ausgezeichnete Band Seether ihr letztes Album "Poison The Parish". Nun erkundet Sänger Shaun Morgan in den dreizehn zwischen Euphorie und Elend pendelnden Tracks auf "Si Vis Pacem, Para Bellum" (ins Englische übersetzt: "If you want peace, prepare for war") persönliche und politische Dämonen, um sich von ihnen frei zu machen. Dabei legen die ursprünglich aus Südafrika stammenden Post-Grunger die wohl beste Platte ihrer Karriere vor.
Daran hat Corey Lowery (Ex-Stuck Mojo) einen großen Anteil, der 2018 seinen Bruder Clint als Tour-Gitarristen ablöste und ein Jahr später zum vollwertigen Band-Mitglied aufstieg. Mit seinen melodischen Leads prägt er den Sound der Scheibe maßgeblich. Auch die restlichen Musiker geben an ihren Instrumenten eine mehr als überzeugende Figur ab. So treiben Shaun an der Rhythmus-Gitarre und John Humphrey an den Drums das Werk nach vorne, während der Bass von Dale Stewart dynamisch vor sich hinbrodelt. Diese Dynamik fehlte dem Vorgänger so gut wie vollständig. Zudem tönt die Produktion des Sängers noch wuchtiger aus den Boxen als zuletzt.
"Dead And Done" bildet mit schweren Saiten-Klängen und heftigen Shouts im Refrain einen krachigen Einstieg, lässt aber Seethers besonderes Gespür für eingängige Melodiebögen nicht vermissen. "Bruised And Bloodied" besitzt danach durch den Bass und Shauns mysteriöser Stimmführung mehr Komplexität, entlädt sich jedoch in einer umso melodiöseren Hook. Hymnischer klingt dann "Wasteland", das nach lyrischen Leadgitarren-Sounds in einem Wutanfall Morgans mündet.
Dass sie auch Hits schreiben kann, beweist die Formation im folgenden "Dangerous". Der nachdenkliche Refrain, der an A Perfect Circle erinnert, setzt sich nämlich schnell im Ohr fest. Ein düsterer Ausbruch im frühen Tool-Stil rundet gegen Ende die von düsteren Saiten-Klängen durchzogene Nummer hervorragend ab. "Can't Go Wrong" erweist sich ebenso als Hit, wenn eine präzise, wütende Hook die melodiösen Strophen ablöst. Durch die Leadgitarre kommt außerdem noch eine Prise Melancholie hinzu. Dazwischen hört man mit "Liar" eine midtempolastige Ballade, die sich melodisch an Staind anlehnt, was für wohlige Nostalgie sorgt.
Ab der Mitte driften Seether dann etwas zu sehr in postgrungige Behäbigkeit ab. Dafür beenden sie diese Durststrecke mit einem Paukenschlag. "Beg" könnte nämlich mit alternativen Riffs und wüsten Shouts im Refrain für Band-Verhältnisse aggressiver kaum sein. Hier drängt sich der Vergleich mit den frühen Tool wieder einmal förmlich auf. Auch mit den restlichen Stücken halten Shaun Morgan und Co. das sehr gute Niveau.
"Drift Away" wartet jedenfalls mit gefühlvollen Leadgitarren-Tönen und der hymnischsten Hook des gesamten Albums auf, nur damit sich kurz vor Schluss mit einem emotionalen Gesangsausbruch düstere menschliche Abgründe auftun. "Pride Before The Fall" findet danach zwischen knackigen Riffs und melodiösem Midtempo eine ausgewogene Balance. Das abschließende "Written In Stone" bietet schließlich mit staubigen Saiten-Sounds und rauem Gesang Grunge, wie er im Buche steht.
Im Großen und Ganzen hat man den Eindruck, dass Seether endlich den Dreh raus haben, wie man Melodik und Härte miteinander in Einklang bringt, ohne zu sehr in Beliebigkeit abzudriften. Darüber hinaus legen sie so eine Spielfreude und so eine gesangliche Frische und Angriffslaune an den Tag, dass die ewigen Vergleiche mit Nickelback ohnehin nicht mehr ziehen.
2 Kommentare
jau läuft. macht ordentlich druck. keine ahnung ich habe die 2003/4 sehr gefeiert als der post-grunge seinen peak hatte. und danach bis jetzt eher nicht mehr gehört. keine ahnung, was die letzten 16 jahre so war, aber das hier haut ordentlich rein
Mega geiles Album, ich bin fast schon geschockt. Nach all der Zeit nochmal so einen Brocken rauszuprügeln, alle Achtung!