laut.de-Kritik

Im Würgegriff der Geister der Vergangenheit.

Review von

"Immer, wenn ich down bin, hör' ich meine alten Platten an", offenbart Separate gleich zu Beginn. Da sich in seiner Diskografie (auch wenn mancher etwas länger gebraucht hat, um das zu kapieren) durchaus taugliches Material findet: sicher nicht der schlechteste Therapieansatz.

"Hab' gelernt, auf alle zu scheißen und keinen Fick zu geben", tat "El Mariachi" noch unbeeindruckt von der Meinung des Rests der Welt. Die "Wahrheit" sieht aber wohl doch anders aus. Zumindest ein kleines bisschen. Die Geister der Vergangenheit haben "Hessens Finest" offenbar ungebrochen fest im Würgegriff, erlittene Enttäuschungen sitzen tief.

Nur so lässt sich erklären, warum Separate die Ratschläge, die er sich und anderen schon auf "Zahltag" gab, so wenig beherzigt: Statt, wie damals empfohlen, nach vorne zu schauen, blickt er auch auf "Wahrheit" erneut konstant zurück. Er kann wohl nicht anders, als die eigene Karriere, die eigenen Fehler eingeschlossen, wieder und wieder Revue passieren zu lassen.

Schade. Könnte er sich davon abhalten, ständig in den noch immer schwärenden Wunden zu pulen, bekämen die vielleicht endlich eine Chance, irgendwann doch noch zu verheilen. Separate aber kratzt die Krusten ab, kaum dass sie sich gebildet haben. Es tut beinahe weh, ihm dabei zuzusehen.

Einen Mangel an Aufrichtigkeit, Authentizität, an Realness, wenn man so will, kann man Separate beim bösesten Willen nicht attestieren. Der Mann empfindet, was er zu empfinden vorgibt. Er meint, was er sagt, er spricht, getreu seinem Albumtitel, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, die allerdings (ähnlich wie die Schönheit) zumindest teilweise im Auge des Betrachters liegt. Gut möglich, dass die Geschichte aus dem Blickwinkel von Savas, Staiger, Casper, Pi oder Vega betrachtet ein wenig anders aussieht, als sie Separate im zweigeteilten Titeltrack noch einmal aufrollt. Daran, dass er selbst seine Sicht der Dinge für die tatsächliche hält, ändert das nichts.

Man spürt die emotionale Verstrickung, man leidet mit. Nur ist Mitleid ja eigentlich das letzte, das dieser Mann haben möchte. Ein echtes Dilemma - und nicht das einzige, in dem Separate steckt. Er müht sich an einem Spagat am anderen ab, will zugleich den Coolsten und einen ganz normalen Typen von nebenan verkörpern, den harten Kämpfer, aber doch um Himmels Willen keinen Hater. "Wenn du hasst, wirst du jeden Tag ein bisschen mehr wie sie", erkennt Separate in "Kein Stress" nämlich die Gefahr. Entsprechend versucht er, "zu vergeben, zu vergessen, zu verzeihen". Allein, es gelingt nicht immer. Die innere Zerrissenheit, das Ringen um eine positive Grundeinstellung, trotz allem, tritt an vielen Stellen zutage und macht "Wahrheit" zu einer zutiefst persönlichen Angelegenheit.

Dennoch: Der Grat zwischen verdienter Abrechnung und beleidigtem Nachtreten wird mit den Jahren nicht breiter. Separate sollte aufpassen, sich nicht in bittere Retrospektiven zu verrennen, damit seine Gegner am Ende nicht noch Recht behalten, wenn sie ihm vorwerfen: "Du steckst musikalisch fest im Untergrund, Seppo!" Das Talent, "aus gar nichts etwas und aus einem bisschen viel" zu machen, kann ihm dagegen wirklich niemand absprechen. Gepaart mit großem Maul, dickem Schädel und der Technik des Battle-erprobten Rap-Methusalems: eigentlich ein solides Karriere-Fundament. Ein Händchen für Hooklines erscheint da glücklicherweise zweitrangig.

Der eine oder andere Wegbegleiter mag ihn überholt oder fallen gelassen, verlassen, verraten oder verkauft haben. Ganz allein steht eine treue Seele wie Separate aber trotzdem nicht da. Uralt-Kumpels wie Olli Banjo, Laas, Ercandize oder Eko tragen auch diesmal wieder ihren Teil bei. Die Beats stammen in weiten Teilen von Monroe, meine beiden Lieblings-Intrumentals allerdings von PCP: der antik knisternde, leise gespenstisch anmutende Loop von "Katar" und die bestechend gelungene Kombination aus schrägen, asiatisch anmutenden Klängen mit quakig-zähen Bässen, die dem "Untergrundking" einen würdigen Thron errichten.

Separate, so scheint es, hat aus der Not eine Tugend gemacht und sich unterhalb des Mainstream-Radars halbwegs gemütlich eingerichtet. Unwahrscheinlich, dass er es noch einmal für nötig befindet, seinen Hintern an irgendwelche zeitgeistigen Strömungen zu verhuren. Die Hoffnung, es auf andere Weise zu schaffen, hält er trotzdem am Leben – was vermutlich umgekehrt genau so gilt: "Auch, wenns mich alles kostet: Ich lass' mir meinen Traum nicht nehmen."

Ich wünschte, ihm noch mehr als mir, Separate könne, was hinter ihm liegt, irgendwann endlich loslassen, damit abschließen und den Blick auf neue Horizonte richten. Die Fragen "Was mach' ich jetzt? What's next?" beantworteten sich so eventuell ganz von alleine. Dann klappt es bestimmt auch mit dem "Messagerap auf 'nem neuen Level": Dieses Versprechen aus "Dopeman" muss Separate nämlich noch einlösen.

Trackliste

  1. 1. Dopeman
  2. 2. Kein Stress
  3. 3. Mein Ding feat. Adas
  4. 4. Träume feat. Olli Banjo
  5. 5. Wie Benommen feat. Adas
  6. 6. Nur Für Dich feat. Menna Mulugeta
  7. 7. Musik feat. Eko Fresh
  8. 8. Was Weißt Du Darüber
  9. 9. Wahrheit Teil 01
  10. 10. Was Ist Jetzt feat. Laas & Corey Charron
  11. 11. Untergrundking
  12. 12. Maison Lagerfeld feat. Chaker
  13. 13. Katar feat. Ercandize &Overdoze
  14. 14. Meine Bros
  15. 15. Wahrheit Teil 02

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