laut.de-Kritik
Die Crossover-Revolution hat ihre Kinder gefressen.
Review von Tom KüppersGott, was sind wir alle alt geworden. Über 25 Jahre ist es her, dass Crossover, Nu- und Alternative-Dingsbums das Heavy Metal-Meer teilten, wie es selbst Moses (ohne P.) nicht besser hinbekommen hätte. Traditionsbewusster Stahl auf der einen, neumodischer Krimskrams auf der anderen Seite: So sah fortan die Aufspaltung aus, die in beiden Lagern höchst merkwürdige Blüten treiben sollte. Nicht nur, was Frisuren angeht.
Bands wie Korn, System of A Down oder Limp Bizkit gelingt inmitten des ganzen Kreuzüber-Booms sogar der (partielle) Aufstieg in die Zeitgeist-Champions-League. Bei Sevendust hingegen fragt sich der wohlgesonnene Kopfschüttler schon mal: "Wer jetzt?"
Warum ausgerechnet der Atlanta-Fünfer bislang lediglich in den heimischen USA eine halbwegs relevante Erfolgs-Rolle spielt, lässt sich musikalisch nur schwer begründen. Dafür sprechen Alben wie "Seasons" oder das seinerzeit erst ein halbes Jahr später in Europa veröffentlichte "Alpha" an und für sich eine zu deutliche Sprache. Dass Sänger Lajon Witherspoon mehr auf der Pfanne hat als der Durstige Fred und Jonathan Davis zusammen, sollte eh klar sein. Schlechter als andere sind Sevendust nun wirklich nicht nicht.
In den letzten Jahren mehren sich allerdings die Stimmen, die der Band kreativen Stillstand vorwerfen. Angesichts dessen, was das zwölfte Album "All I See Is War" zu bieten hat, sieht man sich zunächst geneigt, in den kritischen Chor einzustimmen. Das ganze Wechseln zwischen harten Parts und schmusigen Melodien, Gebrülle und cleanen Vocals und Tempi wirkt stellenweise so vertraut, dass sich schnell eine fast einhundertprozentige Vorhersagequote einstellt: Pass auf, jetzt kommt der Breakdown" oder "Solo in drei, zwei, eins …".
Genau so erstaunlich ist allerdings, wie zwingend Songs wie der megafette Opener "Dirty", das fast schon strafbar groovende "Moments" oder das angedjentete "Risen" (Alter, was für ein Gesang!) in die Gliedmaßen gehen. Dass sich Sevendust bemühen, alle Songs auf das Wesentliche zu reduzieren, steht insbesondere den nicht ganz so brachialen Titeln wie "Medicated" oder "Life Deceives You" ziemlich gut zu Gesicht.
Die Revolution hat ihre Kinder längst gefressen und nur noch die Guten übrig gelassen. Zu dieser Kategorie gehören Sevendust ohne jeden Zweifel. Dank gereiftem Songwriting sorgt "All I See Is War" für eine ziemliche Überraschung. Nicht das "Was", sondern das "Wie" entscheidet hier.
3 Kommentare mit einer Antwort
Was für ne beschissene Rezi...
Soweit mal die Behauptung, mal schauen wie lange wir auf die Argumente warten dürfen.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Sehr gute Rezension. Die Band ist ein absolutes Phänomen. Man hat bei den meisten Songs das Gefühl, die gleichen Tracks zum zigtsen Male neu aufgewärmt zu bekommen und dann schaffen sie es jedoch wieder bei manchen Songs, ihre komplette Discografie zu übertreffen. Dirty ist genau so ein Track und sucht in einem beinahe toten Genre seinesgleichen. God bites his tongue und Moments sind ebenfalls stark.
Auf Kill the flaw waren das Tracks wie "Not today" und Thank you" - Auf Black out the sun waren dies der Titeltrack und das unglaubliche "Decay". Auch wenn die Alben nicht an Home oder Seasons heranreichen, übertreffen einzelne Songs der neueren Alben sogar die alten Favoriten.