laut.de-Kritik

Der letzte epische Schwanengesang des Ringtone-Raps.

Review von

Ganz ehrlich: Irgendwie war es zwar klar, dass Sexyy Red eine von diesen kon-tro-ver-sen Rapperinnen sein wird. Aber irgendwie hatte ich es trotzdem nicht kommen sehen. Mich hat sie nicht entrüstet. Im Gegenteil, mir leuchtete sie von Beginn an komplett ein: Sie ist einfach nur Gucci Mane. Und wir lieben inzwischen alle Gucci, oder? Sie hat es auf dem Outro ihres ersten Tapes doch selber gesagt!

"Hood Hottest Princess" war eines dieser Brecher-Mixtapes, zu denen man am liebsten mit gigantischer Bluetooth-Box auf den Metro-Parkplatz vorfahren wollen würde. "In Sexyy We Trust" bedeutet nun aber mehr als nur fiese Bässe und Crunk-Sportsgeist. Es ist das erste Album, auf dem Sexyy nicht nur sich selbst als Rapstar versteht, sondern sie auch wirklich mit den (teilweise unangenehmen Realitäten) des Celebrity-Status dealen muss.

Das bedeutet vor allem: Big Sexyy ist ein Meme, und sie weiß es. Natürlich wusste sie das vorher auch schon, sonst wären Monstertracks wie "Pound Town" nie entstanden. Aber nun muss sie wirklich damit klarkommen, dass die ganze Welt zuguckt. Und dies übersetzt sich in Tracks wie "U My Everything".

Ich weiß wirklich nicht, was ich zu diesem Track sagen soll. Nicht die beste Basis für eine Kritik, ich weiß. Zuerst gilt es nüchtern festzuhalten, dass er extrem beschissen ist. Dann muss man aber auch sachlich dagegenhalten, dass er ein absolutes Meisterwerk ist. Erstmal ist da Sexyy, die ihre beste Betrunkene-Tante-Singt-Soul-Schmachtfetzen-aus-den-Siebzigern-Karaoke-Stimme macht, die ihr genau drei Silben in die Performance bricht, und die sie dann bis zum bitteren Ende durchzieht.

Ich interpretiere das als Versuch, "Just A Friend" von Biz Markie zu rekreieren. Es ist so charmant, wie es unhörbar ist. Dagegen steht dann ein Drake, der so extrem hörbar ist, wie er uncharmant ist: Sein Part schlägt flowmäßig super ein, er interpoliert den "BBL Drizzy"-Beat, und flippt es irgendwie zu seinen Gunsten zurück. "You My Everything" ist ein seltsames, nahezu unerklärliches, popkulturelles Artefakt, das in zehn Jahren so absolut gar keinen Sinn mehr machen wird. Aber wenn man sagen würde, man sehe zwei Bad Bitches, Drake und Sexyy, dann gibt dieser Track dem Recht. Im Guten wie im Schlechten.

Dieser Track deutet es an: Sexyy geht auf "In Sexyy We Trust" all-in auf ihren eigenen Troll-Status. Das bizarre Brett, das Mike Will Made It ihr in "Outside" gebaut hat, geht den Mittelweg zwischen Stripclub und Zirkuszelt. "Awesome Jawsome" ist eine noch hohlere Interpretation von "Pound Town", "Sexyy Love Money" und "Lick Me" (mit einem beachtenswert schlechten Lil Baby) scheinen mit Ansage der Frage nachzugehen, wie man dem typischen Reddit-Hip Hop-Fan am meisten ans Bein pissen könnte.

Das witzige ist ja: Dafür hätte sie sich gar nicht anstrengen brauchen. So etwas macht sie aus purer Existenz. Und auch hier sind die besten Momente oft dort versteckt, wo sie einfach nur ihr ganz normales Trapper-Ding macht. "Boss Me Up", "Fake Jammin", "Get It Sexyy" - alles absolute Brecher. Die besten Momente kommen oft gegen Ende, Adlibs und ein noch ein paar Takte weiter driftender Beat. Diese Musik hat Sprengkraft. Man muss sie nicht intellektuell verstehen, nur körperlich fühlen.

Apropos: Sexyy ist eine durchschnittliche Rapperin, aber jetzt schon legendär, was Adlibs angeht. In diesem Sinne gehört sie eigentlich auch nicht ins Trap-Zeitalter, sondern ist einfach nur der letzte, epische Schwanengesang der Ringtone-Rap- und Crunk-Ära. Wie sie die "Go! Go! Go! Go"-Chants skandiert, wie sie sich selbst hypet, wie sie Tracks mit einem Geräusch Textur und Attitüde verleiht. Auf "U My Everything" imitiert sie in der Hook zum Thema Auto das Geräusch eines vorbeibrausenden Auto. Schockierend süß!

Es ist nicht so, als wäre "In Sexyy We Trust" ein substanzielles Tape, das jetzt den Sommer retten wird. Es fühlt sich weniger fokussiert auf die Musik an als "Hood Hottest Princess", was übrigens definitiv mindestens einen Sommer gerettet hat, und beschäftigt sich stattdessen viel mit der Suche nach viralen Momenten. Verständlich, Big Sexyy ist eine große Persönlichkeit. Aber trotzdem könnte sie auf dem nächsten Tape zumindest versuchen, ein paar Schritte aus der Komfortzone herauszugehen. Aber selbst, solange sie das nicht tut: Spaß macht es definitiv weiterhin. Da können wir wahrlich in Sexyy vertrauen.

Trackliste

  1. 1. Tim Talking
  2. 2. She's Back
  3. 3. Boss Me Up
  4. 4. U My Everything (feat. Drake)
  5. 5. Ova Bad
  6. 6. Get It Sexyy
  7. 7. Fake Jammin
  8. 8. Outside (feat. Mike Will Made It)
  9. 9. Sexyy Love Money (feat. VonOff1700)
  10. 10. Sport
  11. 11. TTG (Go)
  12. 12. Lick Me (feat. Lil Baby)
  13. 13. Awesome Jawsome
  14. 14. It's My Birthday

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