laut.de-Kritik
Keine Prinzessin: Die Königin der Percussions regiert hier souverän.
Review von Kerstin KratochwillEin Album, das mit einem obskuren Wirbel aus Percussions beginnt und dann organisch in den eingängigen Opener sowie die erste Single "Sister Fate" übergleitet: Im Clip zum catchy Track sehen wir Sheila E. als eine Art weiblichen Prince, als dessen Protegé sie ja auch gilt. Der Superstar schrieb viele Songs für Frauen – und mit ihnen zusammen –, darunter Madonna, Martika, Stevie Nicks, Cyndi Lauper, Chaka Khan, Sinead O’Connor und natürlich den Überhit "Manic Monday" für die Bangles.
Auch das Groove-Dancefloor-Monster "A Love Bizarre", das auf "Romance 1600", dem zweiten Album von Sheila E. zu finden ist, wurde von ihr und Prince gemeinsam geschrieben. In dem Hit hört man ihn auch in den Backing-Vocals, an der Gitarre und am Bass. Und doch: Was den Song prägt, ist das schnelle Percussion-Spiel von Sheila E., das sich in der epischen zwölf Minuten langen Album-Version in all seinen Facetten entfaltet.
"Romance 1600" mit seiner Renaissance-Optik glitzert nicht nur opulent, sondern ist voller unwiderstehlicher und auch unkonventionellen Eighties-Hits, mit geradezu ausgelassenen Lyrics auf Stücken wie "Toy Box" oder "Yellow", in dem sie zwischen Hicksen und Stöhnen dadaesque singt: "Yellow's a happenin' color / If you're a banana / Countin' the days until you're a prune / But blue's a better color / If you're lookin' for a lover".
Der Sound entfaltet sich dabei irgendwo zwischen Jazz, Synth-Pop, Latin und Disco – gerade das Titellied ist der perfekte Tanztrack mit den hedonistischen zeitgemäßen Zeilen "Let's dance until we see the sun (...) We were not ashamed (...) Fun is all 2 blame". Das ist unbeschwerte Musik, allerdings clever komponiert sowie detailverliebt instrumentiert und mit einem charmanten deutschem "Danke scheen" endend. Ja, danke Sheila E. für diesen unterschätzten Meilenstein der Pop-Musik, der mit verrückten instrumentalen Tracks wie "Merci For The Speed Of A Mad Clown in Summer", in der ihr Drum-Genie brilliert, zudem Vorreiter von eklektischen Künstlern wie Thundercat oder Flying Lotus ist.
Geboren als Sheila Cecilia Escovedo in Kalifornien, beginnt ihre musikalische Karriere Mitte der 1970er Jahre. Sie spielt mit Größen wie Marvin Gaye, Herbie Hancock oder Diana Ross.
Sie verlobt sich mit 18 Jahren mit Carlos Santana und trennt sich von ihm, mit 30 Jahren ist sie mit Prince verlobt und beendet auch diese Beziehung. Und auch wenn die Zusammenarbeit mit ihm ihre Solo-Karrie mit dem Debütalbum "The Glamorous Life" (1984) befeuert, ist Sheila E. selbstbewusst genug, ihre Stärken solo auszuspielen: Ein extrem physisches Schlagzeugspiel gehört dazu, eine extreme Disziplin, die der einer Spitzensportlerin gleicht.
Ohne ein dazugehöriges Training macht der Körper dieses körperlich anstrengende Drumming nicht mit, was sich 1989 nach einer Tour in der Band von Prince zeigte. Sheila E. trat dabei stets in High Heels auf, ihr Körper rebellierte, sie hatte Lähmungserscheinungen und einen Lungenkollaps. Auch die Beziehung zu Prince kollabierte damals regelrecht, erst 1991 nahm sie mit "Sex Cymbal" schließlich ein neues Album auf, das jedoch mit den vorigen Erfolgen nicht mithalten konnte.
"Romance 1600" bleibt so zwar das schillernde, strahlende Ausnahme-Album ihrer Karriere, doch Sheila E. hat sich längst ihren Platz in der Musikgeschichte erspielt: Sie gilt als die beste Schlagzeugerin der Welt, die ohne weibliche Vorbilder ihren ganz eigenen Sound erspielt hat. Ihr extrem schnelles, präzises sowie rhythmus-getriebenes Percussionspiel zwischen Latin und Funk ist einzigartig. Bei ihren Auftritten wirbelt sie immer noch alle schwindlig und beendet ihre Shows oft mit einem befreienden Schrei am Ende: Punk statt Prinzessin!
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
4 Kommentare mit 3 Antworten
Was auch immer die Intention für diesen Meilenstein war: Zwischen "Romance 1600" und "Sex Cymbal" erschien 1986 noch die EP "Holy Rock" sowie 1987 das Album "Sheila E." ("Koo Koo") ...
Von mir mal 3***, denn außer "A Love Bizarre" ist dieses Album erschreckend schlecht gealtert.
Ich finde A Love Bizarre ist natürlich der Hit vom Album aber die anderen Lieder können sich auch sehen lassen besonders Sister Fate und der Titelsong Romance 1600 sind auch gelungene Songs.
Ähnliches könnte man*in aber auch über die 84er "Glamoures Life" schreiben. Oder über die 84er "Ice Cream Castles" von The Time ("Jungle Love", "The Bird"). Oder, oder, oder ...
Es gibt viele Prince-Perlen auf vielen zweitklassigen Alben. Sheila E. und The Time stechen da deutlich heraus ... Aber das ganze Zeug klingt doch arg antiquiert.
Ja die Musik ???? ist für dich vielleicht Schlecht gealtert aber jeder hat seine eigene Meinung zur Musik ????.
Plattentests stellt hier die wirklich wichtigen Fragen.
Stimme ich zu; das Album ist schlecht gealtert. Die Produktion zwar für ihre Zeit zeitgemäß, aber grausig. Und Love Bizarre in typisches Primce Lied.
Das Album läuft bei mir immer wieder. Jenseits der üblichen achzigerplatten immrnoch ein Geheimtipp. Mir gefällt auch die Produktion - absolut abwechslungsreich!