laut.de-Kritik

Zeitloser Soul hat immer Saison.

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Noch einmal ganz genau nachsehen: Steht nicht vielleicht doch irgendwo "Daptone Records" auf dem Cover? "Black Rose" fiele in deren Programm überhaupt nicht aus dem Rahmen. Angesichts der schwindelerregend hohen Standards der Labelheimat von Sharon Jones oder Charles Bradley kommt dieser Eindruck einer Adelung gleich.

Nö, "Tucxone Records" heißt es da. Die sitzen auch nicht in Brooklyn, sondern in Madrid. Abgesehen davon erscheinen die Parallelen geradezu frappierend. Hier wie da liefert erdiger, analoger, zeitloser Soul ohne moderne oder gar futuristische Sperenzchen das Maß aller Dinge. Hier wie da haben Musiker die Geschäfte in die eigenen Hände genommen. Tucxones Dap Kings heißen The Silverbacks, ihre Sharon Jones: Shirley Davis.

Von einer Kopie kann trotzdem keine Rede sein, dafür wirken Frontfrau und ihre Hintermannschaft um Welten zu selbstbewusst. Die Qualität der Musiker, die aus jeder Note dringt, spricht hier lautstark für sich. Die Seelenverwandtschaft zu den Kollegen aus Brooklyn lässt sich aber auch nicht leugnen. Dass die Damen Davis und Jones keine Konkurrenz, sondern eine gute Freundschaft pflegen, verwundert überhaupt nicht. Wieso sollten sie auch nicht? Die Welt verkraftet problemlos zwei Top-Soulsängerinnen, genau wie sie von dieser Sorte Soul-Platten eigentlich dringend noch viel mehr bräuchte.

The Silverbacks haben den Groove gepachtet: Drums und direkt die Blutbahnen entlang pulsierende Bassläufe weben die Grundlage der Songs. Gitarre, Percussion und die fast allgegenwärtige Orgel bringen Fleisch aufs Skelett. Alle Beteiligten demonstrieren virtuose Handwerkskunst. Die Bläsersektion führt ihren Namen mit jedem Recht der Welt: Was The Roaring Tigers beisteuern, tönt so mächtig, man möchte kaum glauben, dass sie tatsächlich nur zu zweit antreten. Den kompletten Sturm entfesseln ohne weitere Unterstützung Aarón Pozón am Saxofon und Javier Martinez an der Trompete.

Nein, diese Band bräuchte keinen Sänger, um zu fesseln. Das beweist spätestens das mittig platzierte Instrumentalstück "Burial Of A Dead Star". Dem einlullenden, berückenden, dunklen Sound liefert die Orgel die Melodie. Die Bläser wiegen das ohnehin schon dahingeschmolzene Zuhörerherz sanft im Dreivierteltakt: ein Hochgenuss. Gesang? Fehlt überhaupt nicht.

Um so verblüffender, wie mühelos sich Shirley Davis in diesem sich eigentlich selbst genügenden musikalischen Kosmos behauptet. Mehr noch: Ihre Stimme dreht alle Scheinwerfer auf sie. "My Universe" klingt da plötzlich wie eine Besitzanspruchserklärung: "I'll take you to my world": eine Einladung, der man bedenkenlos folgen sollte. "Come with me, don't be afraid."

Sobald diese Frau zu singen ansetzt, kreist ohnehin alles um sie. Dann steht sie als strahlendes Zentralgestirn, als Dreh- und Angelpunkt in der Mitte des Geschehens. Dafür muss sie sich gar nicht besonders aufplustern oder irgendwelche exaltierten Vokalknödeleien vom Stapel lassen. Shirley Davis' Präsenz kommt von innen.

Ihre gelegentlich befremdlich breitmäulige Art, Worte auszusprechen, betont nur den himmelweiten Unterschied zu manch anderem austauschbaren, überzuckerten Gesangsmäuschen. Ein solches würde, ginge es nicht schon in der schieren Klasse des musikalischen Rahmens unter, spätestens in den Spoken Word-artigen Passagen von "Two Worlds" oder "Vanity" gnadenlos absaufen. Shirley Davis jedoch nicht: Sie klingt vielmehr, als stamme sie in direkter Linie von Gil Scott-Heron ab.

Wer Experimentierfreude und unerwartete Wendungen zu seiner inneren Glückseligkeit braucht, den lässt "Black Rose" möglicherweise leise enttäuscht zurück. Besonders innovativ wirkt diese Platte wirklich nicht. Langeweile kommt trotzdem keine auf, was, außer an der Leistung der Musiker, auch daran liegt, wie geschickt sich dynamischer, kraftvoller Soul und ruhigere Stücke abwechseln.

Nach der Atempause, die "Pay For Your Love" und "Be Yourself" gewähren, fährt "Vanity", ein echter Ausbund an Funkyness, noch einmal alle Motoren bis an die Leistungsgrenze hoch. "Made My Day" entlässt dann mit warmen, stimmungsvollen Klängen in den Sonnenuntergang: genau der richtige Moment, um hängengebliebenen Zeitgenossen mit zopfigen Vorlieben "Black Rose" um die rückwärtsgewandten Ohren zu hauen, zusammen mit ihrem oft bemühten, trotzdem ungebrochen saublöden Lieblingssatz: "Ach, damals, DAS war noch Musik!" Wieso denn damals, bitte? Soul mit Herz und Seele hat immer Saison.

Trackliste

  1. 1. Black Rose
  2. 2. Dilemma
  3. 3. Two Worlds
  4. 4. What Can I Do
  5. 5. Burial Of A Dead Star
  6. 6. My Universe
  7. 7. Pay For Your Love
  8. 8. Be Yourself
  9. 9. Vanity
  10. 10. Make My Day

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