laut.de-Kritik
Virtuoses Spiel mit Spannungsbögen und filigranen Riffs.
Review von Yan VogelSoen standen in der Vergangenheit unter dem Verdacht des Namedroppings. Im Schatten der Ex-Bands von Drummer Marin Lopez (Opeth, Amon Amarth) und Ex-Bassist Steve DiGiorgio (Death, Testament, Iced Earth) tat sich das internationale Kollektiv lange schwer damit, einen eigenen Stil zu definieren. Dazu kamen noch Soundanalogien zu Tool ...
Erst mit "Lykaia" gelang der erste Schritt zur Eigenständigkeit. Gerade dessen Produktion, die der damalige Gitarrist Marcus Jidell fuhr, stellte nicht jedes Bandmitglied zufrieden. Konsequenterweise verpasste die Band dem Album 2018 eine klangliche Neupolitur. "Lotus" beschreitet diesen Weg nun konsequent weiter. Zudem kam es zum Wechsel an den sechs Saiten. Mit Cody Ford übernimmt fortan ein neues Gesicht diesen Posten. Der Kanadier füllt den Tonraum mit geschmackvoll-floydigen Soli und kernigem, noch immer an Tool angelehnten Riffing.
Das neue Werk knüpft außerdem an die bisherigen mythologisch geprägten Konzepte an. Der sechste Sinn ist, rein materiell betrachtet, der Körpersinn. Spirituell gesehen ist er das Tor zur geistigen Welt. So oder so betont er eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen. Dies steht in Verbindung mit der Lotus-Blume, dem Symbol für Leben, Liebe und Lust. Das Thema schlägt sich sich konzeptuell und in der Gestaltung des Artworks nieder.
Der Videoclip zu "Martyr" weist jedem Bandmitglied einen Avatar im Drag-Gewand zu. Das Be-yourself-Motiv gewinnt gerade angesichts der aktuellen politischen Implementierung des dritten Geschlechts (neben "männlich" und "weiblich" wird nun auch "divers" anerkannt) an Bedeutung. Den zu erwartenden Gegenwind von Ewiggestrigen hat das Quintett sicher in seinen Überlegungen einkalkuliert. Zur gesellschaftlichen Debatte um das Anderssein trägt die Band mit ihrer visuellen Umsetzung des Songs mehr bei als irgendwelche rechtsversifften Gartenzwergverteidiger oder pseudolinke Spießbürger, die mit dem SUV vor dem Biomarkt ohne Betriebsrat vorfahren.
"Opponent", "Penance" oder "Rival" laden mit filigranen Riffs und atmosphärischen Sounds zum Tanz ein, grooven dabei im modernen Sound-Setting wie Hölle und verzücken das Ohr mit einprägsamen Refrains. Die Band versteht das Spiel mit Spannungsbögen und versieht selbst Tanzflächenfeger wie die erste Single "Martyr" oder das Hookmonster "Covenant" mit dynamischen Laut-Leise-Passagen.
Gänzlich zu den Riversides und Wilsons an der Artrock-Spitze schließt die Klanggemeinschaft mit den balladesken Stücken "Lotus" und "River" auf. Ford brilliert wie einst Guthrie Govan auf "Drive Home" mit begnadeten Licks, und Sänger Joel 'Jogi' Ekelöf singt quer durch seine stimmlichen Register, die irgendwo zwischen Åkerfeldt, Keenan, Duda und Tankian zu verorten sind.
4 Kommentare mit 4 Antworten
4/5 gehen klar.
Review liest sich allerdings eher "hingerotzt"... Eher mit der Band (-geschichte) und zahlreichen Referenzen beschäftigt, als sich tiefergehend mit den Songs auseinander zu setzen. Hätte die Band dann doch verdient...
Gerade das "Martyr"-Thema scheint der Band allerdings immens wichtig zu sein, schwingt auch bei Interviews durch. Insofern kann man das schon so stehen lassen.
Klingt für mich nach dem ersten Hördurchgang nach einer Light-Version von Tool, oder tue ich ihnen damit unrecht?
Ne stimmt schon, sind discount-Tool
Und dazu stinklangweilig, schon immer gewesen.
Hört sich für mich eher an wie härtere Opeth.
Meine Lieblingsband 2018. Das bessere Tool and Opeth
Traumhaft schönes Album. Meine Platte des Jahres 2020.