laut.de-Kritik

Wie ein Orchesterstück mit Freak-Momenten.

Review von

"This moment changes everything", beschwört Ryan Lott den Wandel gleich im zweiten Track von "Bones". Natürlich steht dieser Satz absichtlich in der ersten Reihe. Denn der New Yorker, der bisher allein hinter Son Lux stand, hat seit dem letzten Album "Lanterns" einiges verändert: Ian Chang (Drums) und Rafiq Bhatia (Gitarre), die zuvor Teil seiner Tourband waren, gehören nun als feste Mitglieder zu Son Lux.

Auf der ausgedehnten Tour im Jahr 2014, die an den bisher größten Son Lux-Hit "Lost It To Trying" anschloss, begann das Trio damit, Songs für ein neues Album aufzunehmen. Doch nach roher Live-Energie statt ausgetüftelten elektronischen Arrangements sucht man auf "Bones" vergeblich: Die vierte Son Lux-Platte knüpft eigentlich genau da an, wo Lott aufgehört hatte.

Jeder Song wirkt wie ein kleines Orchesterstück mit verspielt durcheinander wirbelnder Instrumentierung. Kleine Breaks lauern an jeder Ecke und unterteilen die Songs in Episoden, die sich wie einzelne Sätze einer Sinfonie mal eng aneinander kuscheln und dann wieder gegenseitig abstoßen. Dazwischen bleibt Platz für poppige Melodien.

Jedes einzelne Arrangement scheint minutiös berechnet und die Band kreiert einen Sound, der irgendwo zwischen den kristallklaren Weirdo-Momenten Björks und dem roboterhaften Freak-Folk von Sufjan Stevens' "Age Of Adz" anzusiedeln ist. "White Lies", mit seiner behaglichen, folkigen Art zu leiern und seiner schrägen Instrumentierung weckt jedenfalls sofort ähnliche, Zauberer von Oz-mäßige Assoziationen.

Die zwei neuen Bandmitglieder kommen vor allem im Detail zur Geltung. Drummer Ian Chang stellt sich meist hinter den schweren elektronischen Beats an. Phasenweise spielt er sich dann jäh aus dem Schatten des Drumcomputers – sei es durch ausgefuchste Schlagwerk-Schnörkel oder nervös trippelnde Floor-Tom-Parts.

Die neu hinzugewonnene Gitarre tritt indessen öfter in den Vordergrund. Etwa in "Undone", wo ihr Surf-Sound ganz ungeniert gegen den Rhythmus arbeitet. Gerade diese Passagen lassen den menschlichen Faktor hinter den ansonsten maschinell auf Hochleistung getrimmten Songs erkennen und sorgen im richtigen Moment für die Wärme im ansonsten klinisch rein anmutenden Raum.

Es ist nicht die musikalische Raffinesse, die an "Bones" stört, sondern vielmehr die Häufung dieser Effekte, die die Song-Wirkung auf Albumlänge schmälert und die dargebotene Perfektion auf eine Art degradiert. Im Sumpf dieser kurzlebigen Reizüberflutung hätte dem Album etwas mehr des besungenen change ganz gut getan: Mut zur Reduktion. So bleiben "Bones" lediglich die Freak-Momente, die den Langspieler zu einem hörenswerten Erlebnis machen.

Trackliste

  1. 1. Breathe In
  2. 2. Change Is Everything
  3. 3. Flight
  4. 4. You Don't Know Me
  5. 5. This Time
  6. 6. I Am The Others
  7. 7. Your Day Will Come
  8. 8. Undone
  9. 9. White Lies
  10. 10. Now I Want
  11. 11. Breathe Out

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2 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    "Lanterns" war ganz große Klasse. Und die Singles haben mir auch gefallen. Nur leider bin ich arm. :(

  • Vor 9 Jahren

    Sehe das Album jetzt mit etwas Abstand doch recht klar hinter dem Vorgänger.

    Für mich sind gar nicht so sehr die "Freak-Momente" das Problem, wenngleich "Change is Everything" und "You Don't Know Me" schon ein bisschen überladen daherkommen.
    Eigentlich empfinde ich gerade die abgedrehter Stellen, etwa aus "This Time", "White Lies" oder "Now I Want", sogar eher als Höhepunkte.

    Irgendwie wirkt aber vieles, vor allem auch die ruhigeren Passagen, die "Lanterns" maßgeblich zu einem meiner Lieblingswinteralben gemacht haben, ein bisserl ziellos und gerät so auch nach dem xten Hören zum unbewussten Hintergrundrauschen.

    Liest sich jetzt vielleicht arg negativ, mir gefällt die Musik hier über weite Strecken ja schon gut, nur eben das mit dem Vorgänger, Matrix nichts dagegen.

    P.S.: Wenn mich übrigens doch noch jemand bzgl. der Quali der Son-Lux-Teile von 08 und 11 erleuchten möchte, ich bin ganz Auge :)

    • Vor 9 Jahren

      "We are Rising" ist fantastisch, leichtfüßiger als "Lanterns" und passt auch ganz gut in den Sommer.

      P.S.: Erst jetzt bemerke ich, dank der Wolf Haas Anspielung, dass du mit Josef Hader Avatar rumläufst.

    • Vor 9 Jahren

      Hab vor gefühlten Ewigkeiten hier sogar mal kräftig Werbung für die Haas-Schmöker gemacht. Angesichts der überschaubaren Undergroundigkeit der Brennerreihe freilich ein etwas deppertes Unterfangen, aber man kann es eh nie oft genug sagen:

      Kauft Brenner, erwerbt Brenner! (Und die anderen Romane von Wolf Haas auch, denn er ist ein guter Muslim)

      Danke f d Empfehlung, kriegt einen Ehrenplatz auf der Liste und dann hoffentlich auch bald im Spieler.