29. September 2005

"Im Plattenladen dachte ich: Der muss es sein!"

Interview geführt von

Wenn das kein Grund ist, den Spittern mit dem heißen Scheiß aus dem Untergrund ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Am Ende eines langen Arbeitstages sind Jana und Paul immer noch bestechend gut gelaunt. Zwischen den Terminen mit der Presse schiebt sie sich ein falsches Gebiss in den Mund und blödelt mit ihm herum. Die lästigen Promotermine, die für einen Musiker vor jeder Albumveröffentlichung so sicher wie das Amen in der Kirche anstehen, nerven sie keineswegs. Schließlich gehe es darum, ihre Band bekannter zu machen.

Sie, das ist Jana Pallaske, er Paul Radermacher. Das Pärchen ist zwei Fünftel der Berliner Punkrock-Combo Spitting Off Tall Buildings. Sie singen im Duett, er spielt Gitarre. Bei diesem Termin nicht dabei sind Gregor Albrecht, der zweite Gitarrist, André Jürgens, der Basser und Schlagzeuger Niels Eberle. Dass sie trotzdem gleichberechtigte Mitglieder der Band sind, zeigt sich daran, dass Jana und Paul keine Fotos von sich alleine machen lassen wollen. Sie verweisen auf die Pressefotos, auf denen alle abgebildet sind. "Wir legen Wert darauf, dass wir Fünf sind," erklärt Jana freundlich. Klar. Außerdem wollen sie sich nicht so gerne am Konferenztisch abgebildet sehen. Aber da sitzen wir nun mal und reden über das Album.

Die Beiden drehen den Spieß erst mal um und befragen mich, wie ich ihr Debüt finde. Sie selbst sind offensichtlich zufrieden damit. Paul erklärt: "Wir versuchen, eine gute Live-Band zu sein und eine bestimmte Energie zu transportieren. Das wollten wir auch auf der CD irgendwie hörbar machen. Eine gewisse Rotzigkeit sollte das Ganze natürlich auch haben." Deshalb haben sie die Platte live aufgenommen, also alle Instrumente gleichzeitig eingespielt, und nicht allzu lange daran herumgedoktert. So wie die Red Hot Chili Peppers das mit "By The Way" gemacht haben, meint Jana und rollt mit den Augen. Nein, sie sind stolz darauf, ihr Album in kurzer Zeit eingespielt zu haben, Rock'n'Roll-Style halt.

Der doppelte Gesang von Jana und Paul verleiht dem Ganzen einen besonderen Charme, weil man merkt, hier singen Zwei über ihre Leidenschaft und ihre Liebe. Im Guten wie im Schlechten. Eine unterkühlte Berechnung wie bei den Raveonettes oder den Kills hört man bei den Berlinern nicht heraus. Das Stück "In Love And Rockin'" haben Jana und Paul beispielsweise in einem ihrer ersten gemeinsamen Urlaube geschrieben, abwechselnd Zeile für Zeile. Das Stück beschreibt, wie die Sängerin den Gitarristen das erste Mal getroffen hat. Natürlich im Plattenladen, in dem er gerade arbeitete, von oben bis unten tätowiert und mit einem blauen Auge. "Ich dachte sofort: Der muss es sein!", sagt Jana heute mit verzücktem Gesichtsausdruck. So erzählen beide in "In Love And Rockin'" die Geschichte aus ihrem jeweiligen Blickwinkel.

Doch da ist ja auch noch die andere Jana Pallaske. Aber wenn es um Spitting Off Tall Buildings geht, redet die kleine Schwarzhaarige nicht gerne über ihre Tätigkeit als Schauspielerin. Es geht ihr auf die Nerven, immer nur als die singende Schauspielerin wahrgenommen zu werden. Wohl auch deshalb, weil nur wenigen gelingt, beides unter einen Hut zu bekommen. Juliette Lewis und Julia Hummer beispielsweise, meistens leidet aber die eine oder andere Seite ein wenig (siehe Keanu Reeves, Bruce Willis oder andersherum Jennifer Lopez). Jana möchte mehr sein. Überhaupt erfüllt sie das Musikmachen mehr als die Arbeit vor der Kamera: "Es hat mich schon immer glücklich gemacht, Musik zu hören, und zu singen."

An ein Instrument hat sie sich allerdings nie herangewagt, dachte immer, sie sei dafür zu unmusikalisch. Paul fand dagegen gerade das Experiment interessant, eine ungeschulte Sängerin ans Mikro zu stellen. "Mittlerweile ist sie eine echt gute Sängerin geworden", urteilt er wohlwollend mit einem Grinsen, gibt aber zu: "Ich bin ja auch kein virtuoser Yngwie Malmsteen-Gitarrist." Virtuosität soll bei Spitting Off Tall Buildings auch gar nicht das Ziel sein, meint der Saitenmann mit den vielen Tattoos: "Wir wollen High-Energy-Rock machen." Jana pflichtet ihm bei: "Die Leute machen das immer so kompliziert. Wir wollen einfach Musik machen, wie tausend andere auch. Warum sollten wir es weniger ernst meinen als irgendjemand anders?" Es geht ihnen nicht darum, einen gefälligen Sound aufzunehmen, um möglichst viele Platten zu verkaufen. Schließlich haben sich auch ihre Vorbilder Fugazi, Black Flag oder At The Drive-In wenig um musikalische Konventionen gekümmert.

Durch die vielen Auftritte seit der Bandgründung 2002 haben sich SOTB in der Berliner Szene schnell einen Namen als gute Live-Band, und so blieben die Angebote der Plattenfirmen nicht lange aus. So konnten sich Spitting Off Tall Buildings aussuchen, mit wem sie zusammen arbeiten wollten. Den Zuschlag bekam Sanctuary Records und so sind SOTB jetzt Labelkollegen von Adam Green und De La Soul. Paul über die Gründe für die Wahl: "Wir haben nach einem Label gesucht, dass möglichst 'indie' ist, aber trotzdem groß genug, um mit Kraft da ran zu gehen und die Band so zu supporten, dass wir die Aufnahmen bezahlt bekommen."

Der Produzent Moses Schneider (Tocotronic, Beatsteaks) lernte die Band bei einem ihrer ersten Auftritte vor circa zwanzig Leuten kennen. Jana erklärt mit einem Lachen: "Das waren bis auf fünf Leute alles Freunde von uns. Einer der fünf war Moses." Er war überzeugt von der Energie, die die Band ausstrahlte und bot sich sofort als Produzent an. Die erste Demo-CD hat Moses Schneider produziert, ebenso wie das selbstbetitelte Debütalbum. Gordon Raphael, ein Freund von Schneider aus New York und besser bekannt als Hausproduzent der Strokes, nahm den Gesang auf, um sicherzustellen, dass die englischsprachigen Vocals authentisch klingen. Dass sie mit so großen Namen zusammen arbeiten, ist Jana und Paul nicht wirklich wichtig, Hauptsache die Chemie stimmt.

Dass die Zwei viel über private Dinge aus ihrer Beziehung singen, stört ihre Bandkollegen nicht wirklich: "Wir haben das nicht konstruiert. Man singt halt über das, was einen so beschäftigt. Die Idee, dass wir zusammen singen, hatten wir auch nicht gleich am Anfang", erinnert sich Jana. Mit der Zeit würden sie auch immer mehr wagen: "Man ist verletzlich mit Gesang, aber jetzt traue ich mich, auch im Proberaum mal was auszuprobieren oder ein bisschen schief zu singen." Paul meint noch, dass da der Band ja etwas bevorstünde, in Wirklichkeit macht die Combo aber schon den nächsten Schritt. Sie entwickelt ihre individuellen Fähigkeiten ständig weiter und das nächste Album ist schon in Planung. "Es ist noch nicht alles gesagt," sagt Paul zum Abschluss und grinst wie einer, der noch ein As im Ärmel hat.

Mit Spitting Off Tall Buildings sprach Matthias Möller.

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