laut.de-Kritik

Gelungener Output aus dem Home Office.

Review von

"How Do You Burn?“ ist der Beweis, dass musikalisches Home Office funktionieren kann. Selbst für eine Band wie die Afghan Whigs. Nach 26 Jahren Bandgeschichte und fünf Jahren Wartezeit seit "In Spades" veröffentlichen die Musiker um Frontmann Greg Dulli ein Album, das bei der Entstehung genau in die Corona-Pandemie fiel. Anstatt also zusammen im Proberaum zu jammen, schickten sich die Musiker Dateien hin und her und setzten so ihre neunte Platte zusammen.

Diese ist im wahrsten Sinne des Wortes komplett durchproduziert, büßt dabei aber nichts von dem rumpeligen, leicht chaotischen Charme ein, der die Afghan Whigs seit ihrer Gründung Ende der Achtziger umgibt. Der Opener "I'll Make You See God" klingt mit seinen scheppernden Drum-Grooves und fetten Gitarren nach einem Trip durch die Wüste, natürlich mit wehender Mähne und brüllenden Harley-Motoren.

Nach diesem Auftakt gibt es die Kehrtwende: "The Getaway" und "Catch A Colt" sind relativ ruhige Nummern, die sich langsam aufbauen und dabei immer epischer werden. Die Arrangements sind dabei von Streichern und Percussion durchzogen und klingen wesentlich vertrackter als der Opener. "Jyja" baut auf einem durchratternden Synth-Arpeggio auf, der Bass doppelt zumeist Dullis Stimme. Generell ist es vor allem Dullis Gesang, der die einzelnen Songs zusammenhält. Irgendwie passt das auch zu den Afghan Whigs, denn diese Band war schon immer so etwas wie sein Baby. Bandmitglieder wurden des öfteren getauscht, Dulli blieb die einzige Konstante.

Besonders schön gelungen ist der Spannungsbogen auf "How Do You Burn?". Nach dem zurückhaltenden "Please, Baby, Please" sind Schlagzeug und Synthesizer in "A Line Of Shots" wieder präsent. "Domino And Jimmy" lädt die befreundete Sängerin Marcy Mays ein, die bereits auf "My Curse" des Albums "Gentlemen" großartige Arbeit leistete. Wer die Whigs schon länger verfolgt, wird sich über dieses Detail sehr freuen. Zusätzlich hat die Band Mark Lanegan eingeladen, der das Release des Albums leider nicht mehr miterleben kann. Auf "The Getaway" ist seine Stimme unter den Gesang Dullis gemischt, so subtil, dass man Lanegan beim ersten Hören nicht unbedingt identifizieren kann.

Greg Dulli erklärte im Vorfeld, dass er sich auf die musikalische Zukunft seines Bandprojektes freue. Mit "How Do You Burn?" liefern die Afghan Whigs eines der stimmigsten und dichtesten Alben ihrer bisherigen Diskografie ab. Das Label Grunge, das sowieso immer fehl am Platz war, haben die Musiker längst erfolgreich hinter sich gelassen – genau wie alle anderen Erwartungen und Genre-Zuschreibungen.

Trackliste

  1. 1. I'll Make You See God
  2. 2. The Getaway
  3. 3. Catch A Colt
  4. 4. Jyja
  5. 5. Please, Baby, Please
  6. 6. A Line Of Shots
  7. 7. Domino And Jimmy
  8. 8. Take Me There
  9. 9. Concealer
  10. 10. In Flames

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4 Kommentare

  • Vor einem Jahr

    Auch so ne heimliche Lieblingsband vieler Musiker. Es gab immer jede Menge starker Songs auf jeder Platte, und keiner davon schaffte es je in die Popkultur. Schön, wie sehr das auch höchstens ein Zufall bliebe.

    Bin sehr gespannt!

  • Vor einem Jahr

    Sie halten auf jeden Fall ihr hohes Niveau und die Platte gefällt mir insgesamt auch besser als Dullis Soloalbum von 2020. Es gibt keinen Ausfall, alles riecht nach Sex und Schweiß und man findet auch sonst alles, was die Band ausmacht.
    Da kommt jetzt nichts an die Großtaten von der Black Love ran (wo bleibt da eigentlich der Meilenstein?), aber trotzdem toll, dass die Band einfach weiter abliefert.

  • Vor einem Jahr

    Bin froh über jedes neue Album von ihnen. Haben einen unverkennbaren eigenen Stil kreiert.
    Die neue Platte gefällt mir besser als die letzten zwei.
    @hrvorragend: 'Black Love' absolut verdienter Meilenstein! Vielleicht auch 'Gentleman'.

  • Vor einem Jahr

    In Spades war unerwartet stark, hat einige Rotationen hinter sich bei mir. Die neue würde ich etwas darunter einorden. Also 1* weniger.