laut.de-Kritik

Schwedische Schwitzkur!

Review von

Was haben sie ihren Fans für einen Schrecken eingejagt, die Hellacopters. Ende Januar verschwand auf einmal die gewohnte sandfarbene Homepage und wurde gegen eine schwarze Seite ausgetauscht, auf der in großen, freundlichen Lettern lapidar geschrieben stand: "Rock & Roll Is Dead". Mehr nicht. Sollte das etwa das Ende von Schwedens Vorzeigerockern sein? Und würden sie wirklich einen ganzen Musikstil mit ins Grab nehmen?

Als einige Wochen später die schmallippige Proklamation mit hellacopterschem Sound, neuem Sound, unterlegt wurde, ahnte man, dass alles nicht so schlimm würde, wie in düstersten Weltend-Szenarien ausgemalt. Die Copters bestehen weiterhin und das Ganze ist wohl nur ein Gag, der die renovierte Seite ankündigen soll. Fast so ist es. "Rock & Roll Is Dead" prangt auf dem sechsten Sudioalbum des hochoktanigen Sextetts. Ein Albumtitel, der auch nicht gerade Gutes ahnen lässt. Fährmann des Rock, wohin geht die Fahrt?

Als wollten sie sich gleich zu Anfang selbst widersprechen, brettert der Opener "Before The Fall" in allerfeinster Chuck Berry-Manier los, dass mir fast die Pomade aus dem Haar bröselt. Unweigerlich schließt man die Augen und sieht riesige haifischflossenbesetzte Cadillacs vorbeigleiten, die Mädels tragen kurze Kleider und Schleifen im Haar, die Jungs machen mit der Zigarettenpackung unterm T-Shirtärmel einen auf halbstark. Nach dem eher gesetzt wirkenden "By The Grace Of God" geben die Hellacopters endlich wieder Vollgas.

Wie gern die neuen Songs sich unter die alten mischen, konnte man letzte Woche schon im aus allen Nähten platzenden Knaack in Berlin sehen, als das Publikum die noch unbekannten Songs genauso abfeierte wie die Evergreens. Der Abend beweist wie dieses Album: die Copters sind auf dem Höhepunkt ihres Könnens. Die Platte ist abwechslungsreich wie keine zuvor, straighte Rocker mit großartigen Melodien wie die von "High Visibility" geben sich mit bedächtigen Stücken à la "By The Grace Of God" die Klinke in die Hand. So ist "Everything Is On T.V." eine eher ruhige Nummer, bevor "Monkeyboy" direkt in die Gehörgänge und die Beine geht.

"No Angel To Lay Me Away" bekommt den richtigen Twist mit souligen Backgroundsängerinnen, hier klingen die Höllenschrauber mal wieder, als kämen sie aus dem heiß-schwitzigen Süden der USA und nicht aus dem eher frostigen Schweden. Kein Wunder, dass es hier auch um den Glauben geht. Kaum ist der besinnliche Moment verflogen, greift Tastenmann Anders "Boba" Lindström bei "Bring It On Home" in die Tasten, als wäre der Leibhaftige in ihn gefahren. Das Wechselspiel zwischen langsamen und schnellen Stücken führen Nicke Andersson und Co. unbeirrt weiter, komischerweise gibt gerade das dem Album einen schönen entspannten Fluss, und dann sind da immer wieder diese Backgroundengel. Wunderbar!

Nach dem etwas nachdenklich stimmenden "Murder On My Mind" blasen die Hellacopters die dunklen Wolken mit dem wohl lustigsten Stück auf der Platte weg: "I'm In The Band" handelt von Begegnungen der dritten Art mit Security-Typen und anderen Starrköpfen. So viel augenzwinkernden Humor habe ich ihnen gar nicht zugetraut. Gegen Ende lassen sie es dann doch etwas ruhiger angehen (nach einem Honkytonk-Ausflug mit "I Might Come See You Tonight"), aber das tut dem Gesamtbild keinen Abbruch: Rock'n'Roll ist definitiv nicht tot, im Gegenteil.

Rock'n'Roll bekommt von den Hellacopters einen kräftigen Wecktritt in den Allerwertesten, um dann mit einer liebevollen Portion Soul trostgeküsst zu werden. Die Entstehung des Albums kann man auf der der Special Edition beiliegenden DVD nachvollziehen. Das ist zwar nicht so spannend wie "Stirb Langsam III", für Fans aber sicher ein netter Bonus. Da bleibt mir nur noch, Farin Urlaub zu zitieren: Jag älskar Sverige! - Ach so, wer mir sagen kann, wo auf dem Album sich Hives-Sänger Pelle Almqvist versteckt, bekommt von mir eine Monatsration Respekt.

Trackliste

  1. 1. Before The Fall
  2. 2. Everything's On TV
  3. 3. Monkeyboy
  4. 4. No Angel To Lay Me Away
  5. 5. Bring It On Home
  6. 6. Leave It Alone
  7. 7. Murder On My Mind
  8. 8. I'm In The Band
  9. 9. Put Out The Fire
  10. 10. I Might Come See You Tonight
  11. 11. Nothing Terribly New
  12. 12. Make It Tonight
  13. 13. Time Got No Time To Wait For Me

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8 Kommentare

  • Vor 18 Jahren

    das ist zwar ein solides Album, aber mit der Wertung kann ich auch nicht gut leben.
    Ich habe mir von den Copters eigentlich etwas anderes erhoft.
    Der Trend war seit High Visibility abzusehen (trotzdem noch eine geile Scheibe).
    Mir gefallen die Sachen auf Supershitty, Payin the Dues, Grande Rock einfach besser.
    Würde die Copters persönlich lieber wieder in der Ecke Gluecifer, Backyard Babies, Turbonegro sehen, sollen für mich nicht innovativ sein..., sondern musikalisch mal wieder die Handbremse lösen.
    Welche innovative CD der Verfasser der Kritik gehört hat, weiß ich nicht; den Song der brettert, den suche ich auf Rock & Roll is dead auch noch....
    Gut, dass die Band live wohl noch zu überzeugen weiß ! Die waren live bis jetzt immer spitze !

  • Vor 18 Jahren

    Ich muss sagen auf dem Album ist weitaus mehr Innovation als die gesammte Rapscene die letzten 5 jahre herrausgebracht hat. Spitzen Gitarren , super Vocals , einfach gut......
    Rock 'n' Roll ist nunmal die Musik die die Copters machen.......