laut.de-Biographie
Hellacopters
1994 wird in Schweden eine Art Duales System des Rock eingeführt, es nennt sich Hellacopters. Eine Handvoll Motörhead-Scheiben, die Klassiker von Kiss und dazu noch das Frühwerk von AC/DC durch den Vinylwolf gedreht, kommt der nicht immer originelle, aber rotzfreche und technisch absolut hochwertige Sound dieser Band heraus.
So etwa entsteht 1996 auch das Debüt "Supershitty To The Max!", und erstmals häufen sich in der Fachpresse Berichte über den Scandinavian Rock. Seitdem werden sie in einem Atemzug mit Gluecifer und Turbonegro genannt, die sich in Skandinavien auch auf dieser schweißtreibenden Retro-Welle bewegen.
Dabei sind die Hellacopters aber keine armselige Cover-Band, die auf Faschingsbällen mit "Highway To Hell" zu Tränen rührt. Von Kopieren kann hier nicht die Rede sein. Die Höllenschrauber beschäftigen sich vornehmlich mit dem Recycling von Rockmusik der 60er bis 80er Jahre. Und dabei machen sie ihre Sache sehr gut. Ja sogar derart gut, dass bald schon in den Staaten Stimmen laut werden, die den Copters seit ihrem Erfolg mit "Payin' The Dues" nachsagen, sie klängen amerikanischer als z.B. die Stooges oder MC5.
Das verwundert nicht weiter, wenn man sich die Einflüsse der Hellacopters ansieht: Kiss, die Ramones und Slayer finden sich in den Plattenschränken der Jugendlichen Nicke Andersson und Kenny Hakansson. Diese Einflüsse saugen die Rock'n'Roll-Fans in sich auf und wachsen so zu Fans und Machern gleichermaßen.
Vor den Hellacopters drummt Nicke bei der Death-Metalkapelle Entombed. 1994 beschließt er, eine Pause einzulegen. Doch das Verlangen, Musik zu machen, ist stärker, und so klemmt er sich kurzerhand drei Drumroadies unter den Arm und formt: die Hellacopters. Natürlich gibt es zu Anfang kleinere Probleme, wie zum Beispiel, dass Kenny nicht einmal einen Bass besitzt. Dem kann jedoch schnell abgeholfen werden.
Nicke, Drummer Robert Eriksson, Gitarrist Robert Dahlqvist, Tastenmann Boba Fett und Kenny haben seither einen unnachahmlichen Drang entwickelt, Songs zu schreiben und herauszubringen. Ihr Credo lautet: schreib' nur das, was dich selbst rockt, und bring den Scheiß raus, bevor er erkaltet. Betrachtet man ihre Diskographie, so ist erkenntlich, wie ernst sie ihr eigenes Bekenntnis nehmen: so haben sie seit Anfang 1995 sechs Alben, zwei B-Seiten-Compilationen ("Cream Of The Crap Vol. 1" von 2002 - der zweite Teil folgt Anfang 2004), über vierzig Singles mit Non-Album-B-Seiten und EPs oder Split-EPs herausgebracht. Außerdem sind sie auf neun Samplern vertreten.
Auf das 2000er Meisterwerk "High Visibility" folgt zwei Jahre später mit "By The Grace Of God" eine weitere Mustersammlung mitreißender Rocknummern, die sowohl eingängig als auch mächtig arschtretend, aber ein wenig erwachsener als die vom Album davor daherkommen. Nebenher betreibt das Arbeitstier Nicke Andersson die Soul-Bigband The Solution, deren Debütalbum 2004 erscheint.
Im Herbst des selben Jahres vertrösten die 'Copters ihre Fans mit einer weiteren EP namens "Strikes Like Lightning". Im Januar 2005 schaltet ihre Homepage dann auf einmal auf stumm und verkündet lediglich: "Rock & Roll Is Dead". Nach bangem Warten stellt sich einige Wochen später heraus, dass es sich bei diesem unheilvollen Satz um den Titel ihres sechsten Albums handelt, das im Juni erscheint und auf halbem Weg zurück zwischen "High Visibility" und "By The Grace Of God" Halt macht.
In der Folgezeit kümmert sich Andersson wieder mal um seine Wurzeln und drischt beim Death-Metal-Projekt Death Breath die Drums und schwingt die Axt. Im Frühjahr 2006 geht es in den USA auf Tour, im Sommer erscheint in Schweden die Best Of "Air Raid Serenades".
Die Werkschau versammelt lediglich bereits veröffentlichte Songs und soll drei Zwecke erfüllen: eine Ära beschließen, die Plattenfirma ruhig halten und "just for the hell of it" erscheinen. Ein Ende der Höllenschrauber bedeute es nicht, betont die Band damals noch auf ihrer Homepage. Das Best-Of-Album kommt in Deutschland Ende Januar 2007 heraus.
Gitarrist Robert Dahlqvist beschäftigt sich den Rest des Jahres mit seinem Nebenprojekt Thunder Express. 2007 geht die Band erneut ins Studio, um ihr siebtes Album einzuspielen. Als dieses sich schon im Mixing befindet, verkünden die Hellacopters via Bulletin auf ihrer Homepage dann doch ihre Auflösung.
"Playing in a rock and roll band isn't always a walk in the park, but thanks to all of you who rocked out with us at sweaty clubs, rainy festivals or at home by the stereo throughout the years, it's been a fantastic trip. We'll never forget your support," bedanken sie sich bei den Fans.
Das letzte Studioalbum erscheint dennoch wie geplant im April 2008, es heißt "Head Off". Darauf zu hören sind allerdings keine neuen Songs, sondern Coverversionen von Helden der Hellacopters. So verabschiedet sich die Band, die immer für den Rock'n'Roll gelebt hat mit dem Tribute an ein Genre. Eine Abschiedstour durch Europa lässt man sich jedoch nicht nehmen. Danach heißt es wirklich: Rock'n'Roll is dead.
Zumindest bis Mitte 2016: Aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums ihres Debüts "Supershitty To The Max!" spielen Nicke und Co. auf einem schwedischen Festival noch einmal im Original-Line Up. Auf einer parallel zur Show veröffentlichten 12"-Scheibe sind die Songs "My Mephistophelean Creed" und "Don't Stop Now" vertreten, die bereits 1996 geschrieben, aber nie veröffentlicht wurden.
Im Februar 2017 wird bekannt, dass der frühere Gitarrist Robert Dahlqvist im Alter von 40 Jahren gestorben ist. Er ersetzte 1998 Gitarrist und Gründungsmitglied Dregen (Backyard Babies) und feierte im Folgejahr auf dem vierten Studioalbum "Grande Rock" seinen Einstand. Die Band ist untröstlich: "Zehn Jahre lang reisten wir gemeinsam um die Welt (...) Wir können nicht in Worte fassen, wie wir ihn vermissen".
Gründungsmitglied Dregen (Backyard Babies) kehrt in der Folge an die Gitarre zurück. Gigs u.a. beim Roskilde Festival folgen. 2019 sieht man die Hellacopters dann auch in Deutschland wieder - Praise the Lord, people: Rock'n'Roll is NOT Dead.
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