28. September 2006

"Wir wollten mit rauchenden Colts rauskommen"

Interview geführt von

Mit ihrem Debütalbum "Hot Fuss" haben The Killers richtig abgesahnt. Sie eröffneten nicht nur für ihr großes Vorbild Morrissey, sondern teilten sich auch mit U2 die Bühne. Nach zwei Jahren klingelt Nachschub an der Pforte: Das Quartett stellt sein zweites Machwerk vor. Zu diesem Anlass sprach Brandon Flowers mit laut.de über Cowboys in Las Vegas, den Druck beim Songwriting und darüber, wie die Band sich in den Weltraum begab, um völlig verändert zur Erde zurückzukehren.Brandon Flowers wirkt unruhig. Vor dem Interview fragt er schnell die Promoterin, wie viele "von denen" denn noch kämen. Ein paar noch, lautet die Antwort - er nimmt sie halbwegs gefasst auf und setzt sich. Der als zeitweilig launisch bekannte Sänger scheint auf einem einem Ameisenhaufen anstelle eines Stuhls Platz zu nehmen. Denn das nervöse Zappeln seiner Füße hält konstant in einer enormen Lautstärke an, so dass es anschließend deutlich auf dem Band zu hören ist - als beatlastiger Soundtrack eines Gesprächs. Die Hände auf der Tischplatte, widmet er sich mehr oder weniger geduldig den Fragen. Ein Treffen aus der Kategorie "interessant".

Bevor ihr ins Studio gegangen seid, hast du gesagt, du wärst im Begriff, das wichtigste Album deines Lebens aufzunehmen. Jetzt, da es fertig ist: Denkst du, dass es dieses wichtige Album geworden ist?

Brandon Flowers: Ja, ich denke schon. Das muss es sein, wir standen in der Pflicht, das beste Album zu machen, zu dem wir in der Lage sind. Das gilt aber für jede Platte, und ich hoffe, dass es sich für mich bei der dritten genauso anfühlt. Zu diesem Zeitpunkt ist es definitiv ein Wendepunkt für uns. Mit dem zweiten Album muss man sich festigen. Viele Leute werden schwächer. Wir wollten aber mit rauchenden Colts herauskommen. David Bowie hat "Hunky Dory" mit 24 gemacht, Bruce Springsteen hat mit 24 an "Born To Run" gearbeitet und ich war 24, als mir klar wurde, dass ich mich fragen muss; dass wir uns auch gegenseitig fragen müssen, ob wir es in Angriff nehmen wollen. Wir wollten es richtig machen.

Der NME schrieb, dass ihr Anfang des Sommers immer noch einige Songs nicht fertig hattet. Hat euch dieser seit langem feststehende Veröffentlichungstermin in der letzten Phase der Produktion unter Druck gesetzt?

Flowers: Ja, da war eine Menge Druck. Der Druck lag vor allem auf mir, ich musste die Texte fertig schreiben, sie perfekt machen. Das ist meine Aufgabe. Die Songs waren bereits großartig, und ich musste nur noch die passenden Worte finden.

Was war besonders schwer daran, sie zu schreiben?

Flowers: Es fällt mir ziemlich leicht, mir eine Geschichte auszudenken. Aber diese Songs sind realer. Ich wollte, dass sie echter sind. Das war sehr schwer für mich und hat seine Zeit gebraucht.

Das ist mir in dem kurzen Pre-Listening auch aufgefallen. "Hot Fuss" war von den Texten her ziemlich fiktional angelegt. So weit ich das beurteilen kann, sind sie jetzt persönlicher.

Flowers: Ja, deshalb hat es so lang gedauert. Manchmal war es mir peinlich, so persönliche Dinge zu schreiben. Aber jetzt fühlt es sich gut an.

Was war der Auslöser dafür, mehr von dir selbst preiszugeben? War es eine bewusste Entscheidung von dir?

Flowers: Ja, ich habe mich dazu entschieden. Ich wollte eine Verbindung zu den Menschen aufbauen. Es wird immer noch ein großer Spaß sein, wenn man sich die Killers anschaut. Wir werden sie live nicht enttäuschen, es sollte aufregend und etwas übertrieben sein. Aber die Songs sollen verbinden.

Hast du dich thematisch auf etwas Bestimmtes konzentriert?

Flowers: (denkt nach) Es geht darum, derjenige zu werden, der man für den Rest seines Lebens sein wird und sich beim Gedanken daran wohl zu fühlen. Es geht um die Erfahrungen, die man machen muss, um dorthin zu kommen. Ich mag die Zeile aus "Strawberry Fields", wo John Lennon schrieb "It’s getting hard to be someone, but it all works out". Darum geht es im Prinzip auf dem Album insgesamt.

Der Song "Why Do I Keep Counting" handelt von deiner Flugangst. Vor der Veröffentlichung von "Hot Fuss" haben David und Ronnie davon erzählt, dass sie eigentlich diese Flugangst teilen, seitdem ihr einmal in richtig starke Turbulenzen gekommen seid. Habt ihr die Angst mittlerweile gezwungener Maßen überwunden?

Flowers: Die anderen Jungs fühlen sich jetzt wohl im Flugzeug. Mein Problem mit dem Fliegen ist größer als ihres, aber ich muss es tun, es wird schon werden.

Was bedeutet es für dich, ständig fliegen zu müssen?

Flowers: Ich hasse es. Es fühlt sich an, als wäre ich in einem Sarg.

Die Wege zwischen euren ersten Promoterminen in Deutschland damals habt ihr mit dem Zug zurückgelegt. Fliegt ihr jetzt auch innerhalb des Landes?

Flowers: Wir fahren jetzt so viel wie möglich mit dem Bus.

"Wir waren im Weltraum"

Man hat immer wieder gehört, dass ihr mit dem neuen Album besonders auf eure Herkunft hinweisen möchtet, auf die USA. Hat der Titel "Sam's Town" eine gedankliche Verbindung zu "Uncle Sam"?

Flowers: (grinst) Einige Leute nehmen das an. Wir versuchen, nicht darüber zu sprechen. (lacht)

Warum?

Flowers: Es ist jetzt nicht so, dass wir versuchen, besonders mysteriös zu sein - Musik sollte ein wenig unklar und mehrdeutig sein. Die Leute sollen das Album auch für sich selbst entdecken und es genießen. Wir denken "Sam's Town" ist ein Ort, an den sich die Menschen mal begeben sollten.

Das Album wirkt wie ein Werk, das konzeptionell zusammenhängt. Es gibt ein "Enterlude" und ein "Exitlude", wie man eben auch in eine Stadt hineingeht und sie schließlich wieder verlässt.

Flowers: Es ist fast ein wenig traurig, wenn man sie am Ende verlässt. Man will zurück, weil es dort gar nicht so übel ist. Dort leben wir. Es ist zwar in Amerika, trotzdem hoffe ich aber, dass es den Leuten in Deutschland genauso gefällt wie mir.

Also nicht zwingend ein physisch vorhandener Ort?

Flowers: Ja, genau.

Viele Songs sind nicht so eingängig und poppig wie jene auf "Hot Fuss". Man möchte das Album noch einmal hören, sich hineinfinden. Die Songs, wie zum Beispiel "Sam's Town", haben mehr Teile und sind oft auch etwas komplexer angelegt. Wolltet ihr ein komplexeres Album schreiben?

Flowers: Wir wollten es nicht komplexer machen, sondern wir wollten verschiedene Rezepte anwenden. Ich denke, dass es immer noch Popsongs sind, manche sind vielleicht heavyer als auf dem ersten Album. Wir wollten verschiedene Arrangements ausprobieren, deshalb ist es so geworden.

War es eine bewusste Entscheidung von euch, die Synthesizer und Keyboards mehr in den Hintergrund zu rücken und die Gitarren nach vorn zu holen?

Flowers: Wir hatten einige großartige Gitarrenparts von David, die dann auch präsenter sein mussten, das ist einfach gut.

Der Sound der Platte erscheint etwas geerdeter. Hat es damit zu tun, dass ihr lange von der Glitzerwelt Las Vegas weg wart?

Flowers: Ich glaube schon. Wir waren im Weltraum und sind wieder zurückgekommen (lacht), das war gut für uns. Wir haben mehr darüber herausgefunden, wo wir herkommen. Ich hasse das Wort "ehrlich" in diesem Zusammenhang zu benutzen … es ist mehr, wie du gesagt hast ..wie könnte man es noch ausdrücken … (überlegt lange und zappelt mit den Beinen herum) ... ich weiß nicht, lass uns sagen, es ist mehr wie … eine Eiche (lacht).

Das, was mit eurer Musik passiert ist, scheint sich auf eure äußere Erscheinung niedergeschlagen zu haben. Ihr habt euer Aussehen ziemlich radikal verändert.

Flowers: Wir saßen nicht wirklich viel herum und haben darüber diskutiert, aber es hat sich einfach richtig angefühlt. Wir beziehen damit unsere "Western"-Wurzeln ein. Es gibt zwei Seiten von Vegas: Die moderne Seite mit den Lichtern und so - und dann gibt es auch das alte Las Vegas in der Wüste und in den Bergen, das ziemlich cowboymäßig ist.

Aus welchem Teil seid ihr?

Flowers: Wir sind aus dem alten, Western-Teil von Las Vegas, draußen in der Wüste. Wir leben nicht auf dem Strip. Wir sind aber in der Lage uns mit beiden Bereichen zu identifizieren.

"Diese Mobiltelefone sind einfach erstaunlich"

Lass uns über das Songwriting reden. Beim letzten Album sind viele Ideen zwischen David und dir entstanden, im Wohnzimmer des einen oder des anderen. Hat sich das geändert?

Flowers: Jeder hat Sachen zu Hause geschrieben und dann haben wir sie mit allen im Übungsstudio gespielt. Die Ideen kamen aus vielen verschiedenen Richtungen. Das war gut. "For Reasons Unknown", "Bones" und "My List" wurden im Bus geschrieben, "Why Do I Keep Counting" habe ich zu Hause auf meinem Bett geschrieben. An "When You Were Young" waren wieder alle zusammen beteiligt.

Wo du gerade über Bus und Bett sprichst: Fühlst du dich an manchen Orten kreativer als an anderen?

Flowers: Nein, es ist mehr der Moment. Man kann sich nicht dagegen wehren, wenn die Ideen kommen.

Haltet ihr eigentlich Kontakt zu euren alten Freunden?

Flowers: Ja, wir sehen sie, wenn wir zu Hause sind. (Mit ironischem Tonfall:) Außerdem sind diese Mobiltelefone einfach erstaunlich, man kann zu allen möglichen Menschen Kontakt halten (hebt sein stylishes Handy vom Tisch auf, das ein wenig nach Raumschiff aussieht).

Ich meinte das eher in diesem Sinne: Fühlt es sich nicht unwirklich an, wenn man von der einen Welt in die andere kommt? Wenn man sich erst mit Bono und Elton John trifft und hinterher seine alten Freunde sieht? Es sind doch sicherlich getrennte Welten oder mischt sich das?

Flowers: Manche Leute, die wir kannten, wussten nicht, wie sie sich uns gegenüber verhalten sollten. Aber in den meisten Fällen haben wir da viel Glück und es hat sich nicht viel verändert.

Wie kam es eigentlich zu der Bekanntschaft mit Elton John?

Flowers: Elton lebt zeitweise in Las Vegas, weil er dort für drei Monate pro Jahr eine Show hat. Er besucht uns und wir ihn. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass wir ihn ständig sehen. Vielleicht einmal im Monat.

Könntest du dir vorstellen, eine feste Show in Las Vegas zu haben?

Flowers: Eines Tages, wenn wir genug Hits haben, klar. Nach zwanzig Jahren oder so sind wir oft genug zu den Leuten gekommen, dann sind sie dran, zu uns zu kommen (lacht).

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