laut.de-Kritik
Im Rinnsaal von Bands wie Fleet Foxes und The National.
Review von Ulf KubankeDiese Platte ist das klingende Zeugnis eines echten Dramas. Zach Williams schrieb die meisten Zeilen im Wartezimmer jenes Hospitals, in dem seine Frau nach einem Reitunfall erst um ihr Leben und dann gegen die drohende Querschnittslähmung kämpfte. Frau Williams geht es zum Glück inzwischen wieder gut und das selbst betitelte "The Lone Bellow"-Debüt gebiert aus der erlittenen Hölle fluffige Americana-Musik für Fans von Neil Young, The National oder den Fleet Foxes.
Die Texte reflektieren den immerwährenden Kampf gegen die Widrigkeiten des Schicksals. Hier eine Prise Springsteen-ähnliche Sozialkritik, dort ein poetisches Eintauchen in Melancholie und alles sprachlich sehr gelungen. Musikalisch schlagen The Lone Bellow den entgegen gesetzten Weg ein: Plätschernde Gefälligkeit gibt den Ton an, so eingängig, glatt und harmlos, wie die meisten mutlosen amerikanischen Grammy-Produktionen der letzten Jahre.
Handwerklich ist alles im grünen Bereich. Perfekter dreistimmiger Harmoniegesang lässt ein wenig den Geist von Crosby, Stills & Nash aufleben. Vom schönen Streicher bis zum tropfenden Piano ist alles am Start, die gewählte Klangästhetik zu krönen. Leider vergisst das Trio vor lauter Polieren, dass eine neue Combo vor allem eines braucht: Eigenständigkeit. Und diese ergibt sich nun einmal nicht aus halbgarer Countrysoße für Sonntags-Stetson-Träger. Das ist recht schade.
Denn einige Tracks hätten durchaus das Zeug zum großen Melodram. Der Opener "Green Eyes And A Heart Of Gold" wartet mit catchy Chorus und angedeutetem Rock auf. Leider eine Spur zu sehr auf die Hörgewohnheiten amerikanischer Radiohörer zugeschnitten. Der Drive versickert im Treibsand der Prärie. Dem hymnischen "Fire Red Horse" ergeht es ähnlich. Die Leidenschaft des feuerroten Pferdes erstickt in der Betulichkeit eines allzu verzopften Arrangements. Einzig "Bleeding Out" vermag über diesen Tellerrand hinweg zu schauen.
Spätestens bei "You Don't Love Me Like You Used To" klingen The Lone Bellow dann wie eine Hollywoodschaukel-Variante all dessen, was man heute gern Indie-Folk oder Alternative Country nennt. Es ist wohl einer der langweiligstens Songs der Welt. Sogar Amerikas Persilkönigin Doris Day sähe daneben aus wie eine erdige Rockerin. Am Ende ist die Geschichte dieses Albums noch das Interessanteste. Musikalisch bleibt kaum mehr als Werbeclip-Country.
1 Kommentar
Oh, das Album hier hatte ich schon komplett vergessen ...!
Nachdem mir das mit großem Boheih empfohlen wurde, war ich auch eher ernüchtert beim (flüchtigen) Reinhören - und hatte das mittlerweile auch erfolgreich aus meinem Gedächtnis gestrichen.
Zu drei Sternen könnte man sich schon durchringen, wenn ich mich denn auf ersten Eindruck und Erinnerung verlassen kann. Aber ist halt auch wirklich nichts, was haften geblieben wäre.