25. September 2006
"Der Hype um uns ist eh vorbei ..."
Interview geführt von Michael SchuhNach dreijähriger Pause erschien kürzlich das neue Album "Pieces Of The People We Love" der New Yorker Formation The Rapture. Wie damals klappern auch heuer wieder munter die Cowbells, doch auch sonst hat sich so einiges bei den Disco-Punks geändert. Live kann man die Jungs in Zürich (25.9.), München (3.10.) und Köln (4.10.) bewundern.Gabriel Andruzzi sitzt mit seinen drei Bandkollegen in einem Berliner Hinterhofcafé, behauptet er zumindest am Telefon, und stellt sich einen Tag lang dem üblichen Presse-Marathon, der diesmal noch ein wenig länger ausfällt als beim Debüt 2003. Nach drei Jahren Funkstille scheint die Zeit wieder für The Rapture zu sprechen, denn verschiedenste Printler, TVler und Onliner wollen am frisch gebackenen Dancepunk-Kuchen der New Yorker naschen. Für unser Gespräch verzieht sich Andruzzi in ein ruhigeres Eckchen.
Hi Gabe. Eine dreijährige Albumpause ist heutzutage eine lange Zeit. Was lief bei euch in der Zwischenzeit?
Nach dem letzten Album waren wir ein gutes Jahr auf Tour, was ziemlich lange ist. Dann gingen wir uns zwei bis drei Monate aus dem Weg und nicht viel später gings auch schon wieder los mit Songschreiben. Wir zogen in das Kellerstudio von Freunden auf die Lower Eastside und legten los. Das war im Winter 2004/05. Und wir hatten keine Eile, sondern nutzten den ganzen Sommer zum Schreiben und sahen uns erst in diesem Frühjahr nach Produzenten um. Das zog sich aber irre in die Länge, weil wir nicht die richtigen Leute finden konnten, bzw. manche Wunschkandidaten zu der Zeit keine Zeit hatten. Aber wir wollten uns auch nicht unter Druck setzen lassen. Zumal wir anfangs erst wieder auf eine Linie kommen mussten. Bei uns geht es immer sehr demokratisch zu und jede Stimme will gehört werden.
Einen gewissen Druck dürftet ihr ja verspürt haben, nachdem ihr landauf landab als Erfinder des Disco-Punk gebauchpinselt wurdet, oder?
Nee, eigentlich gar nicht. Als wir ins Studio gingen, waren wir sehr gut vorbereitet. Wir hatten wirklich zahllose Ideen, woraus am Ende 30 Demos wurden. Ich denke nicht, dass jemand Druck von außen spürte, der Hype um uns als Band war ja eh vorbei. Im Studio hatten wir einfach Spaß mit den Leuten, mit denen wir abhingen.
Wie begegnest du Leuten, die von euch jetzt wieder eine Sound-Revolution erwarten?
Wieso wieder?
Na, euer letztes Album "Echoes" wurde damals ja schon als eine solche ausgerufen.
In welcher Hinsicht?
Weil euer Album - und meiner Meinung nach vor allem eure Singles - eine sehr moderne und cluborientierte Fusion aus Disco und Punk darstellten.
Ach weißt du, für uns ist das das normalste der Welt, denn es ist unser Sound. Klar, wir finden es spannend, die Energie des Punk mit Disco- und Dance-Elementen zu verbinden. Die neue Platte ist da sicher noch aussagekräftiger, denn sie beinhaltet das, wohinter wir heute stehen. Ich finde, wir haben diesmal einige Sachen hingekriegt, die auf "Echoes" so nicht stattgefunden haben.
Damals soll es um euch ja speziell in New York einen Riesenhype gegeben haben. Jeder nannte euch das "next big thing". Warum ist euch das, zumindest international gesehen, nicht gelungen?
Wahrscheinlich waren wir nicht poppig genug, obwohl wir damals einige Songs in diese Richtung hatten. Oder vielleicht sind wir einfach nicht blöd genug? Keine Ahnung. Jedenfalls erwarteten damals im Vorfeld einige Leute ein Punk-/Funk-Album und was dann kam, hat doch viele verwirrt. Wir bewunderten zu jener Zeit sehr das erste Roxy Music-Album, was ja ein sehr vielseitiges Werk ist. Daran orientierten wir uns. Unser Album kam aber auch erst ein Jahr nach der Fertigstellung raus, vielleicht war das zu spät, ich weiß es nicht. Wir hätten trotzdem nicht geglaubt, dass es so gut läuft. Vielleicht dachten ein paar Leute vom Label, es hätte sich besser verkaufen müssen, aber zum damaligen Zeitpunkt waren wir mehr mit der Konzeption unserer Liveshow beschäftigt.
Aber das ist Vergangenheit. Gerade hier in Deutschland stellt man uns komischerweise hartnäckig Fragen nach dem Hype um "Echoes". Dabei sind wir bei euch nie so richtig rausgekommen, wohingegen es in Frankreich super für uns lief.
Okay, zurück zur Gegenwart. Eure neuen Songs scheinen den Dancefloor stärker zu umgarnen denn je. War das beabsichtigt?
Ja, darauf konnten sich alle in der Band einigen, denn wir lieben Dance Music und den Rhythmus ganz speziell. Gut, wir mögen auch R'n'B, Funk und Soul oder auch afrikanische Musik und Minimal Techno. Wenn wir einige dieser Vorlieben unter einen Hut bekommen haben, freut uns das. Für mich ist "Pieces Of The People We Love" eine Partyplatte.
Sehe ich auch so. Habt ihr diesmal weniger experimentiert als beim Debüt?
Auf keinen Fall. Gerade das macht uns ja großen Spaß.
Ich frage das nicht deshalb, weil die Platte glatter klingt, sondern weil sie melodischer ausgefallen ist. Ich mag zum Beispiel sehr die vielen Geräusche im Hintergrund, da gibts diesmal ne Menge Sounds zu entdecken.
Schön, denn wir haben viel Zeit darauf verwendet, diese Feinheiten auszuarbeiten. Wir stehen alle auf komplexe Sounds oder Samples, die man dann irgendwo versteckt. Für "First Gear" haben wir zum Beispiel verdammt viele akustische Instrumente gesampelt. Das hättest du doch sicher nicht erwartet, was?
Nein, der ist doch sehr elektronisch, oder?
Eben. Aber die meisten Sounds darin stammen von akustischen Instrumenten. Man mag unser neues Album jetzt als weniger revolutionär ansehen, aber es sind eben drei Jahre ins Land gegangen. In Ansätzen verstehe ich das auch: Als die 12" von "House Of Jealous Lovers" damals rauskam, war das halt der heiße Scheiß. Andere Bands wie das LCD Soundsystem oder Radio 4 waren mit uns am Start. Später kamen Chick Chick Chick, Bloc Party und Franz Ferdinand, die auch einen Discobeat in ihre Songs wursteten, und plötzlich sprachen alle von einem Hype. Ich bin mir sicher, dass die Leute jetzt unsicher sind, weil sie nicht wissen, womit wir zurück kommen. Die ersten Rückmeldungen, die reinkamen, klangen jedenfalls sehr überrascht. Das freut mich. So kann es weiter gehen.
"Ich fände es toll, mal wieder mit DFA zu arbeiten"
Eure Produzenten klingen auch ehrfurchtgebietend: Paul Epworth (Bloc Party), Ewan Pearson (Depeche Mode, Franz Ferdinand) und Danger Mouse (Gnarls Barkley). Wer der drei hatte den größten Einfluss?Keiner. Ewan und Paul arbeiteten zusammen an acht Songs, Danger Mouse an zwei. Der größte Einfluss ist halt immer noch The Rapture, immerhin sind wir mit all den Stücken überhaupt erst ins Studio gekommen.
Glaubst du dass es nötig ist, bei jedem Album mit neuen Produzenten zu arbeiten, um den eigenen Sound frisch zu halten?
Eigentlich nicht, aber es ist sicher aufregender für die Band. Denn sowohl wir als auch der Produzent können nur dazulernen. Das ist wie mit jeder neuen Beziehung. Ich kann die Frage aber auch schwer beantworten, da wir erst zwei Platten gemacht haben, die erste mit DFA und jetzt diese hier. Ich fände es toll, mal wieder mit DFA zu arbeiten. So lange es Leute sind, die nach vorne blicken und experimentierfreudig sind, kann eigentlich nur etwas Frisches dabei heraus kommen.
War es Zufall, dass ihr gleich drei Produzenten ins Studio eingeladen habt?
Das kann man so sehen. Wir überlegten uns, mit wem wir gerne arbeiten würden, und da kamen wir zunächst auf unseren Freund Ewan. Mit Paul sind wir auch gut befreundet und so lag es nahe, die beiden zusammen zu führen, zumal sie vorher noch nie gemeinsam an einer Platte gearbeitet hatten. Sie kannten sich auch gar nicht, haben aber im Nachhinein wundervolle Arbeit geleistet. Über Danger Mouse sprachen wir schon vor einem Jahr. Er hörte sich unsere Demos an, suchte sich ein paar Lieblingssongs aus und dann arbeiteten wir zwei Wochen gemeinsam. Anfänglich waren wir uns nicht sicher, ob die Songs mit Paul und Ewan für eine ganze Platte ausreichten. Deshalb buchten wir eben noch Studiozeit mit Danger Mouse hinzu. Wir wollten einfach so viel hinkriegen, wie wir nur konnten.
Langweilt es euch eigentlich, ständig als "Kings of the Cowbell" tituliert zu werden?
Nein, das ist eine große Ehre. Wir haben auf der neuen Platte jede Menge Cowbells. Unsere Cowbell-Sammlung ist riesengroß.
Wie viele verschiedene Cowbells hören wir denn auf dem neuen Album?
Ich glaube es sind insgesamt vier oder fünf verschiedene Cowbells. Außerdem haben wir noch Go Go-Bells benutzt, die wohl die meisten auch für Cowbells halten. Nicht zu vergessen die Woodblocks verwendet, aber wahrscheinlich gehe ich nun zu tief ins Detail. Congas könnte der ein oder andere noch kennen. Wie auch immer: ich denke, wir haben uns vor allem rhythmisch enorm weiter entwickelt. Mehr Funk, mehr Soul. Wir sind heute einfach bessere Musiker als vor drei Jahren.
Mehr Soul, da passt es ja, dass "Pieces Of The People We Love" in den Staaten bei Motown erscheint.
Yeah, das ist cool. Allein diese unglaubliche Geschichte und deren Stellenwert für den weltweiten Pop- und Soulbereich. Es ist definitiv eine große Ehre für uns, das Motown-Logo auf unserer Platte prangen zu sehen.
"Ich wollte klingen wie Kate Bush und die Talking Heads"
Hatten sich noch andere Labels für euch interessiert?Ehrlich gesagt: nein. Es war so, dass unser altes Label ... oder lass es mich anders sagen: Es ist eigentlich purer Zufall, dass wir nun bei Motown sind. Aber ich bin sehr glücklich damit, zumal ich auch ein bisschen in deren riesigen Back Catalogue eintauchen will, um eventuell ein paar Edits alter Motown-Songs zu machen. Da kann ein Deal beim selben Label nicht schaden.
Mich erinnert der Song "First Gear" ein wenig an Primal Scream bzw. an einen Rapture-Remix eines Scream-Tracks. Denkst du auch an bestimmte Künstler bei manchen Stellen oder ist das als daran beteiligter Musiker unmöglich?
Es ist sicher nicht unmöglich, denn als wir anfingen zu schreiben, sprachen wir auch über gewisse Einflüsse. Ob sich ein Song anfühlt wie ein anderer, ob er nach einer bestimmten Ära oder schlicht nach einem Rhythmus klingt. Es geht uns eher ums Gefühl eines Songs oder eines Parts, als darum, wer das letztlich veröffentlicht hat. Eigentlich geht es uns immer nur um Versatzstücke von Künstlern, die wir lieben (sagt tatsächlich: "song pieces of people we love"). Das fängt meist so an, dass jemand meint, ein Beat erinnere ihn an Shuffle-Beats der 50er Jahre oder jener Part an Glamrock. Wir sprechen viel über solche Sachen und versuchen, jene Teile in unserer eigenen Weise neu zu interpretieren. Wir würden aber nie sagen, so oder so wollen wir am Ende klingen.
Welche Platten liefen denn bei euch während der Aufnahmen zum Album?
Während der Aufnahmen liefen so gut wie keine. Ich selbst habe ein bisschen die neue Kelley Polar-Platte gehört, ein wenig Cluster und eine CD namens "Congatronix". Keine Ahnung, ob dir das was sagt ...
Cluster ist die deutsche Band aus dem Neu!-Umfeld, nicht?
Genau. Aber nichts davon war jetzt eine direkte Inspiration. Bevor wir ins Studio gegangen sind, haben wir allerdings öfters Kate Bushs "Hound Of Love"-Album laufen lassen (von 1985, Anm. d. Red.) und "Speaking In Tongues" von den Talking Heads (ebenfalls von 1985). Ich persönlich wollte mit The Rapture anfangs am liebsten eine Mischung dieser beiden Alben hinbekommen. Aber solche Vorsätze funktionieren natürlich nie völlig. Den genannten Alben gemein ist meiner Meinung nach die Pop-Affinität kombiniert mit einer ungeheuren Tiefe in der Produktion. Obendrein interessante Gesangsideen und obskure Geräusche im Hintergrund. Großartig.
Ihr habt zuletzt auch ein paar Remixes abgeliefert, u.a. für Manhead und Who Made Who. Fällt euch die Entscheidung schwer, welchen Song ihr bearbeiten wollt?
Ach, meistens fragen die halt an. Manhead spielte uns ein paar Songs vor und wir pickten uns eben einen raus. Who Made Who schickten uns einfach ihre kommende Single und das wars schon. Aber wir mochten sie, also war das auch kein Problem.
Gab es auch einen Lieblingssong von euch, für dessen Remix euch leider die Zeit gefehlt hat?
Hmm, also nicht dass mir jetzt einer einfiele. Es gab aber definitiv einige Anfragen, die wir absagen mussten. Doch wir wollten lieber alles in The Rapture reinstecken. Und drei von uns legen nebenher ja auch noch als DJs auf, da bleibt also wirklich kaum mehr Zeit übrig.
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