laut.de-Kritik
Rock'n'Roll braucht keine Turmfrisuren.
Review von Michael SchuhNicht nur Kollege Dobler wartet bereits sehnsüchtig auf jenen Augenblick im Juni, an dem uns Cindy Wilson und Kate Pierson ihre Turmfrisuren live vorführen werden (oder wenigstens das, was davon übrig geblieben ist). Die Rede ist vom Live-Comeback der ewig verschollenen US-Rock'n'Roll-Kultband The B-52s, die vor knapp 30 Jahren hochgradig infektiöse Songs komponierte und doch meist nur auf die unsägliche "Flintstones"-Single reduziert wird. Was das mit den Rogers Sisters zu tun hat?
Zunächst einmal die gemeinsame Heimat: New York. Hört man dann deren Song "The Clock", seinen minimalen Beginn mit dem furztrocken ratternden Bass, die sich gegenseitig in die Höhe schraubenden Stimmen des Geschwisterpaars Jennifer und Laura Rogers mitsamt dem im Hintergrund grummelnden Basser Furtado; man wähnt sich beinahe im Manhattan der End-70er, direkt vor der Bühne des Max's Kansas City, wo die vier erstgenannten Verrückten 1978 ihren Party-Cocktail anzurühren pflegten.
Nichts würde dem Kompositionstalent des Trios aus Brooklyn aber weniger gerecht als schleppende Vergleiche. Dazu fährt der dynamische Post Punk-Charme, den wir auf ihrem zweiten regulären Album aufgetischt bekommen, viel zu sehr in die Glieder und präsentiert sich angenehm vielschichtig. Schon beim ersten Anlauf fräst sich die Single "Never Learn To Cry" tief ins Gedächtnis, deren durchdachter Aufbau die von der Band als Grundprinzip ausgerufene Do-It-Yourself-Attitüde beinahe als Koketterie entlarvt. Doch nach sechs Jahren Bandhistorie, einem Album und einer EP entwickelt man eben zwangsläufig eine Routine, die sich im Songwriting von "The Invisible Deck" durchaus bemerkbar macht.
Anders als so manche Retrorocker begnügen sich die Sisters nicht damit, ihre Gitarren in den Verstärker einzustöpseln und lo-fi drauflos zu brettern, sondern überzeugen mit zumeist dynamischen, aber auch mal besinnlichen, immer klar strukturierten Songs. So hält sich die Verwunderung darüber, dass das Trio auf früheren Konzerten ausgerechnet The Cures unbekanntes Post Punk-Juwel "Object" coverte, bei Songs wie dem stürmischen "The Light" oder dem düster schleichenden Abschlusssong "Sooner Or Later" doch in Grenzen.
Nur konsequent, dass auch der inzwischen verstorbene John Peel die Band 2003 in sein Studio beorderte. Beim Song "The Conversation" sind wir inhaltlich zwar wieder nah an "6060-842", und auch Rogers Sisters-Bassist Furtado klingt einmal mehr verdammt nach dem unnachahmlichen Fred Schneider, aber wie gesagt, die Songs der Rogers Sisters faszinieren auch ohne Verweise auf Vorbilder. Und wer braucht schon Turmfrisuren?
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