laut.de-Kritik
Überraschungstüte Screenshots.
Review von Franz MauererScreenshots, The: Unerfülltes deutsches Rockversprechen. Begann superstark mit Songs wie "Google Maps", konnte auf dem Debüt "Europa LP" das Niveau nicht komplett halten und probierte auf "2 Millionen Umsatz Mit Einer Einfachen Idee" etwas zu viel herum und verlor unnötig an Kante.
Nun folgt "Wunderwerk Mensch": Schmissige Titel können die Krefelder Kölner immer noch ganz gut, nur ist die Single "Rockstar Wie Chad Kroeger" trotzdem allzu zahnlos. Zu erwartbar und brav der Ausbruch nach dem leichten Spannungsaufbau, zu durchsichtig der Gag. Das dazugehörige Video haben binnen fünf Monaten 3662 Leute angeschaut: Leben kann man davon nicht.
Gottlob kostete das Video zu "Wie Es Vorher War" mit Sicherheit weniger Euronen als die dazugehörigen (kaum vierstelligen) Klickzahlen und der Song überzeugt deutlich mehr: Der Punk wird zwar deutlich zurückgedreht, aber auf diesen sind die Bildschirmbilder keineswegs angewiesen, dafür sind sie als Musiker und Komponisten zu gut. Heraus kommt ein schmissiger Indie-Pop-Song mit anständigen, griffigen Lyrics, der deutlich schwieriger zu konstruieren ist, als er sich im Endprodukt anhört. Leichtigkeit, Emotionalität, Nicht-Peinlichkeit und deutsche Gitarrenmusik sind, wenn schon kein Oxymoron, so doch eine ausgesprochen seltene Kombination, umso begrüßenswerter ist "Wie Es Vorher War".
"Wunderwerk Mensch" eröffnet das Album mit einem Akustiksong, der etwas zu sehr nach Gedanken des späten Thees Uhlmann auf dem Klo klingt. Irgendwie deep, aber mit beiden Beinen in einer eher wenig aufregenden Nächstenliebe-Kameraderie, deren Erkenntnisgewinn ebenso beschränkt bleibt wie die Kürze und Seichtigkeit des Songs. Klar, warum kein Akustiksong - aber warum einer mit 1:21 Spielzeit, wofür schämen sich die Schirmschüsse?
Es folgen die bereits besprochenen Singles, dann sprechröhrt Susi Bumms "Modern Dance", die als Sängerin in ihrer Goofiness hervorragend ist, wie ja aber die Gesangsposition sowieso nie ein Problem bei dieser Band war. "Modern Dance" jedenfalls ist eine im Sound leicht jaulige Hymne ans Nicht-Tanzen, die die Bumms noch viel jauliger besingt. Wer College-Rock oder Robert Pollard mag, der weiß, wie schwierig es ist, windschief gut zu klingen, dem Trio gelingt es hier mit Bravour.
Bumms singt noch zwei Mal, so auf "Satellit". Hier wandelt sich ihr Stil leider zur Wurschtigkeit und das Burschikos-Zwanglose tut dem Song nicht gut. Auch Werner trifft nicht alle Ziele, so auf dem Kölschen "Die Liebe Weiß Nit Wo Se Hinfährt", auf dem der gebürtige Kölner den eigenen Dialekt ein Stück zu sehr genießt und das Drumherum vernachlässigt. Susi singt noch auf "Nimm Das Geld Und Renn", wo man ihr aus einem nicht nachvollziehbaren Grund einen Mädchenchor zur Seite gestellt hat. Beziehungsweise ist der Grund schon erklärbar, der Kontrast aus Songtitel und -Text sollte einen Gegenpol zu den Kindern schaffen, was aber schon daran scheitert, dass der Song uneben und flach produziert wurde.
Zurück zu Dax Werner: Die emotionale Distanzlosigkeit, die ihm auf "Wie Es Vorher War" so gut gelingt, klappt auch auf "DINA8" noch ganz vernünftig. Der Song ist gefällig, dient aber letztlich nur als Unterlage für den gelungenen Refrain. "Immer 1x Mehr" geht jedoch richtig unter im Schmalz, daran ändern ironische "Süß"-Einrufe nichts. Es spricht irgendwie für die Screenshots, wie lustlos sie bei ihren schlechten Songs Musik und Text kombinieren. Was textlich kacke ist, wird auch nur lustlos heruntergeschrammelt. "Die Sonne Scheint" bestärkt die Empirie dieser Beobachtung, ein souveräner, cooler Liebessong, den etwas weniger verkopfte Bilderbuch so auch machen würden – und Werner gibt den Ernst absolut überzeugend.
Bleibt in diesem heterogenen, verwirrenden Reigen nur noch "Großeltern", bei dem der geneigte Deutschpoprocker natürlich sofort an das Großwerk der exzellenten Locas In Love denkt. "Großeltern – sie wissen, was wir nicht wissen" hört sich allerdings eher nach Heinz Strunk an als den Poeten Schrank und Sonnenberg. Die stabile Idee wird nicht nur durch textliche Unbeholfenheit, sondern auch wegen der vermeintlich zarten, tatsächlich verzagten, musikalischen Untermalung sabotiert. "Wunderwerk Mensch" fehlt es vordringlich am Mut und der Konsequenz, was angesichts der erfolgreichen Karriere der Musiker in anderen Bereichen, ihres handwerklichen Könnens und ihrer nachgewiesenen Kompetenz verwundern und trotz aller gelungenen Ansätze enttäuschen muss.
2 Kommentare
Ich mag die ja ganz gern. Es sei ihnen wegen der Texte verziehen, dass sie Rockstars wie Chad Kroeger sein wollen: https://youtu.be/MAI9-R-YOuA
Zwischen Schnipo Schranke und Sportfreunde Stiller. Nur weniger Wortwitz und etwas schlechter gesungen. Hat Jan Böhmermann bestimmt schon in der Playlist.