laut.de-Kritik
Leicht zu hören, aber schwer zu fassen.
Review von Martin LeuteDie Post-Rock/Jazz- Band The Sea And Cake klang immer anders als andere Bands. Immer stand der Versiertheit der Musiker die Beiläufigkeit der Melodien und des Gesangs gegenüber, so dass man ihren Sound entweder als äußerst intelligent und inspiriert oder aber als schlicht gleichmütig auslegen konnte. Lässiger, unaufdringlicher jazzorientierter Post-Rock, der weder überschäumt, noch in Abgründe blickt, der wenig Emotionen freisetzt, als ob hier Männer am Werk sind, die ihre Vorstellung von objektiver und zeitloser Musik konservieren wollen. Und in der Tat kann man eine Sea And Cake-CD jederzeit bedenkenlos in den Player legen.
Das nun erschienen "Everybody" ist das siebte Album seit 1994 und das erste seit vier Jahren. Von früheren Veröffentlichungen unterscheidet sich "Everybody" durch seine rauere Beschaffenheit und eine kraftvollere Gangart. Und die steht ihnen gut.
Luftige Gitarrenakkorde bilden den rhythmischen Unterbau des schönen Opener "Up On Crutches", das Schlagzeug steuert den Beat bei, auf den Sam Prekop mit seinem weichen Gesang aufspringt und eine angenehme Melodie anstimmt, während eine E-Gitarre lautmalerisch im Hintergrund zirpt. Zu dem schwungvollen Schlagzeug gesellt sich in "Too Strong" ein sonniges Fingerpicking und Synthesizer-Klänge, ehe wieder Prekops testosteronfreie Stimme ansetzt. Ein Song wie eine Brise an einem heißen und trägen Nachmittag.
Ein härteres tonangebendes Gitarren-Riff überrascht im großartigen "Crossing Line" und fordert Prekop zu variationsreicherem Gesang auf. Tolle Melodie, tolles Arrangement. Im ruhigeren "Middlenight" spielt Prewitt ein lässiges Gitarrensolo zum eingängigen Schlagzeug-Beat, ein hübscher, wie eine Querflöte tönender Synthesizer-Lauf ergänzt wunderbar die Melodie.
So heiter-gelassen geht es auch mit der Midtempo-Nummer "Coconut" weiter. Kein Zuviel, kein Zuwenig, und Prekops sich auf eine Tonhöhe beschränkender Gesang, der den Liedern gerade das an Leben einhaucht, das sie benötigen, um unglaublich entspannt zu klingen. Lehnt er sich wie in "Left On" zurück, entsteht ein instrumentaler Tumult. Das Schlagzeug scheint sich zu überschlagen, konfuse, atonale Klangflächen überlagern das Fingerpicking.
Im dezent funkigen "Exact To Me" beschleunigen Drums und Gitarre das Tempo, ein elektronischer Beat kontrastiert raffiniert die Lieblichkeit in "Lightning". "Transparent", der letzte Track des Albums mutet an wie ein urbanes Schlaflied. Sachte schwebende Gitarren, eine Lap Steel und weiche Percussions kündigen das Ende an.
"Everybody" ist leicht zu hören, aber schwer zu fassen. The Sea And Cake haben sich im Laufe der Jahre eine atmosphärische und elegante Soundästhetik zu eigen gemacht, die aus dem Zusammenspiel transparenter Arrangements, flüssiger Instrumentierung und dem unaufgeregten Gesang Prekops resultiert. Die perfektionierte Kunst, Triviales mit Brillantem zu verbinden. Keine Aggression, kein Aufbegehren und dennoch alles andere als Banalität.
Noch keine Kommentare