laut.de-Kritik

Traditionelles Liedgut, watteweich verpackt.

Review von

Dass Rachel Unthank nun als The Unthanks firmieren, ist in erster Linie Rachels Zusammenarbeit mit ihrer Schwester Becky geschuldet, die mittlerweile als gleichwertiges Bandmitglied gilt. Dieses außergewöhnliche englische Folk-Ensembles hat in der Heimat bereits mit dem für den Mercury Award nominierten Album "The Bairns" (2008) für Furore gesorgt und sich endgültig in die Herzen der Kritiker und Folkfreunde gespielt.

Neben wenigen Eigenkompositionen wendet sich die Band auf ihrem dritten Longplayer erneut geschmackssicher ausgewähltem, traditionellem Liedgut zu, um es zu entstauben und ein kunstvolles Bild des britischen Folks zu zeichnen. Vom spartanischen und sympathisch spröden Sound des Vorgängers haben sich The Unthanks behutsam entfernt und setzen mit ihren neuen Mitstreitern Adrian McNally und Chris Prize auf ein üppigeres Instrumentarium aus Piano, satten Streichern, Gitarren, Percussion, Bläsern und Bass.

Daraus resultieren vollmundigere und elegantere Klangbilder, die die Rezeption erleichtern und mit der sanften Öffnung zum Pop ein breiteres Publikum ansprechen dürften. Auch in diesem behaglichen Ambiente büßen die Lieder nichts von ihrem Zauber ein, was in erster Linie an den betörenden, häufig zweistimmig intonierten Vokalvorträgen der Schwestern liegt, an die sich die dezent orchestralen Arrangements effektvoll anschmiegen.

Thematisch rücken die Erzählungen das Leiden der Frauen unter den gesellschaftlichen Umständen in den Vordergrund, was eine dementsprechend leidenschaftlich-bittere Grundstimmung mit sich bringt. Der lyrischen Tragik begegnet das Ensemble gekonnt mit instrumentaler Zärtlichkeit und Wärme, ohne den Songs gänzlich die Schwere nehmen zu wollen.

Während das schottische Tanzlied "Because He Was A Bonny Lad" als A Cappella-Nummer eröffnet und alsbald dezent mit Pianotupfern, Glockenspiel und Streichereinlagen dekoriert wird, besticht das ebenso traurig-melodische "Sad February" mit tristem Stepptanz-Rhythmus, Akkordeonflächen und wunderbar arrangiertem, anhebendem Bläsersatz in Moll.

Auch im weiteren Verlauf bestimmen solche geschmeidig-traurigen Inszenierungen mit feinem Gespür für dramaturgische Spannung das Album. Kontrastiert wird dieser Hang zur Melancholie von dem mit dynamischen Klavierschlägen und Jazz-Motiven ausgestattete "Lucky Gilchrist" und der heiteren Melodik in "The Testimony of Patience Kershaw", das von lebendigen Streichern rhythmisiert und ausgemalt wird.

"Folk goes Kammerpop" könnte das Motto dieses Albums lauten, mit dem The Unthanks hörbar einen Schritt nach vorne gegangen sind. Auch wenn mancher Purist die Einbettung dieser Klagelieder in solch watteweiche Arrangements als zu süßlich beanstanden mag, die wundervoll vorgetragenen Interpretationen der Traditionals entfachen auch in diesem kammermusikalischen Kontext ein Höchstmaß an Eindringlichkeit und verleihen ihnen einen angemessenen zeitgenössischen Glanz.

Trackliste

  1. 1. Because He Was A Bonny Lad
  2. 2. Sad February
  3. 3. Annachie Gordon
  4. 4. Lucky Gilchrist
  5. 5. The Testimony Of Patience Kershaw
  6. 6. Living By The Water
  7. 7. Where've Yer Bin Dick?
  8. 8. Nobody Knew She Was There
  9. 9. Flowers Of The Town
  10. 10. Not Much Luck In Our House
  11. 11. At First She Starts
  12. 12. Here's The Tender Coming

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