laut.de-Kritik
Entspannt, verstrahlt, einzigartig.
Review von Franz MauererThe Voidz sind ein grundsympathisches Projekt, was sie mit allen anderen The Strokes-Seitenprojekten gemein haben. Das Besondere ist auch, dass Julian Casablancas sein leichtes, doch merkliches Loslassen der Diktatorenzügel bei seiner Hauptband nicht ausgleicht mit einem Seitprojekt, in dem er waltet wie zu früheren Strokes-Zeiten. Stattdessen nahmen The Voidz, früher Julian Casablancas + The Voidz, einen ähnlichen Weg und sind eigentlich schon mit dem Vorgänger "Virtue" vor sechs Jahren eine echte Band geworden mit geteilten Songwriterpflichten.
"Virtue" war ein besonders tolles Album, das nicht nur astreine Gassenhauer (u.a. "One Of The Ones", "Leave It In My Dreams") mit einigen Fillern und Kröten kombinierte, sondern die schon auf "Tyranny" mit seinem Überhit "Human Sadness" gefundene Band-Ästhetik noch schriller fortsetzte. "Like All Before You", vorerst nur im Stream verfügbar, knüpft dort an und vereint eine leicht geringere Hitdichte mit deutlich weniger Ausschlägen nach unten zu einem tollen, verstrahlten, einzigartigem Album.
Angesichts der kaum erträglichen Urgewalt, mit der Casablancas & Co. bisweilen live auftreten, ist die entspannte Stimmung des Albums die größte Überraschung. Nach dem stimmungsvollen und richtig benannten Intro "Overture" - das genauso überzeugt wie "Walk Off (Outro)" - setzt "Square Wave" eine prägende Duftmarke. Die Gitarristen Beardo und Yaghmai bilden nach wie vor das pulsierende Herz der Band, die weniger die Sprache als vielmehr die Tonart fortentwickelt hat. Zu absolut jedem Zeitpunkt fühlt man sich hier zuhause und dezidiert bei den Voidz und nicht den Strokes. Nicht zuletzt, da das windschiefe Hineinhängen in eine verquere Soundidee, bis eine unverschämt catchy Melodie das Kuddelmuddel binnen Sekundenbruchteilen auflöst, eine Spezialität der Band bleibt.
Die zitternden, schreienden Gitarrensoli bleiben Stilelement, lieber noch aber wie zum wunderschönen Schluss von "Square Wave" vertracken sich die Gitarren ineinander und täuschen Schwäche vor, schicken Bercovicis Bass vor, bis sie unerwartet wieder das Kommando übernehmen, in immer neuen Haken, die The Voidz trotzdem nicht näher zu Julians Hauptband hinführen. Dafür sorgt auch die verträumte, spacige Atmosphäre von Songs wie "Spectral Analysis", die Casablancas im Übrigen stets im Griff hat und wie gewohnt mit allen Marotten verfremdet. Am deutlichsten hört man das bei "7 Horses", dem zweitbesten Song des Albums, der sich unruhig durch die Soundlandschaft rollt.
Der beste ist "Perseverance-1C2S", das "Human Sadness" des Jahres 2024, aber eben ganz anders. Das fängt mit den Lyrics an, Casablancas ist längst kein Geschichtenerzähler mehr, direkte Äußerungen gibt es sowieso nicht. Die Texte strotzen vor lore und üblichen Casablancas-Motiven (es gibt unfassbarerweise einige The Voidz-TV-Folgen auf Youtube), vor allem spezialisiert sich Julian auf grandiose Ominositäten wie "American myths, that's my hobby / You burned down all my rainbows / More protest songs for the mainstream" (exzellent auf "7 Horses": "Sorry I was not the man you wanted me to be / But if I could beg you maybe stop punishing me") und geleitet so stimmungsvoll durch ein Album, auf dem er omnipräsent, aber irgendwie nie Bandleader ist. Dafür drücken Jeff Kites Keys und natürlich die Gitarristen dem Song viel zu stark ihren Stempel auf.
Ein wunderschönes Schweben, mal auf Noise, mal auf hellen Synthie-Flächen, mal auf flehenden Soli, dazwischen Casablancas in jeder vorstellbaren Tonlage; ein Lied, das sich nie im Leben wie unter vier Minuten anhört und das Voidz-Drama erreicht, ohne so effekthaschend wie früher agieren zu müssen.
Insgesamt dominiert aber ein leicht bekiffter Vibe wie auf dem guten "All The Same", das sich angenehm zieht, ohne fad zu werden, auch da die Ausbrüche auf "When Will The Time Of These Bastards End" Fremdkörper bleiben und die Handbremse im Vergleich zu früher in diesen Momenten nicht völlig gelöst wird. Drumherum steckt aber wie überall auf dieser Scheibe ein ziemlich guter Song, und das ist der Unterschied zum Vorgänger.
Die Singles "Prophecy Of The Dragon" und "Flexorcist" sind doppelt schlecht gewählt: Qualitativ fallen sie leicht ab und stehen nicht repräsentativ für die Stimmung des Albums. Der immer wieder auskeilende Drachensong ist nicht ohne Reiz, aber etwas diffus, der "Flexorcist" verbiegt sich einmal zu viel, schlägt an den falschen Stellen Haken, was die Band sonst so gut schafft - und bricht ein tolles Gitarrensolo viel zu früh ab.
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