laut.de-Kritik

Hefte raus - Klassenarbeit!

Review von

//Wir sind jung und nicht mehr jugendfrei.//

Tokio Hotel kanalisieren Phantasien, Ängste und Hoffnungen deutscher Teenies. So schön, so Marketing. Und so hübsch der musikalische Zitatenklau. Als könnte man es taktisch berechnen, wechseln langsame und meist verzweifelte Songs - die sich spätestens mit der ersten Nummer eins-Single "Durch Den Monsun" als Publikumslieblinge und Chartsgaranten bewiesen - mit schnelleren, "wilderen" Stücken ab. Genau so, wie sich das die vorwiegend weiblichen Fans der kleinen Jungs aus Magdeburg wünschen.

//Tut mir leid ich weiß wir sollen nicht/
Doch wir fangen schon mal zu leben an.//

Da bekommt jede ihre Portion Schmacht-Fetzen ab, bei der sie - wenn sie sich nicht selber darin erkennt - wenigstens die süßen Jungs in ihren Träumen trösten kann. Die schnelleren Songs kanalisieren eine zaghafte Wut. Bill schreibt jetzt bitte 100 Mal den Satz "Schrei so laut du kannst" auf, bis er ihn wirklich beherzigt. Aber das kann mit dem nächsten Album ja noch werden. Mit der reiferen Stimme kommt dann vielleicht auch die Power, wirklich wütend zu sein.

//Wir sind ne Boygroup und gecasted sind wir auch.//

Darauf, dass sie total real sind, legen die Vier großen Wert. Doch sind sie wirklich solch philosophische Tagebuchschreiber oder hat da jemand nachgeholfen? Und kennen Tokio Hotel tatsächlich noch Songs wie "Cat's In The Cradle" in der Ugly Kid Joe-Version ("Rette Mich") oder hat sich da jemand anders der Versatzstücke vergangener Pubertierender bedient? Da der allerdings davon ausgehen muss, dass Fans der vier Jungs diese alten Schmachtfetzen genau so wenig kennen, ist das ja alles überhaupt gar kein Problem.

//Deutschland braucht nen Superstar und keine Vollidioten.//

Eine Eins fürs Marketing und die Ideen dahinter, der Rest muss noch ein bisschen üben. Aber wir warten auf den Stimmbruch und dann klappt das nicht nur mit den schmachtenden Songs, sondern auch mit den wütenden. Versprochen, Bill!

//Hallo ihr habt'n Problem/
weil wir das Kommando übernehmen//

Trackliste

  1. 1. Schrei
  2. 2. Durch den Monsun
  3. 3. Leb Die Sekunde
  4. 4. Rette Mich
  5. 5. Freunde Bleiben
  6. 6. Ich Bin Nicht Ich
  7. 7. Wenn Nichts Mehr Geht
  8. 8. Laß Uns Hier Raus
  9. 9. Gegen Meinen Willen
  10. 10. Jung Und Nicht Mehr Jugendfrei
  11. 11. Der Letzte Tag
  12. 12. Unendlichkeit

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LAUT.DE-PORTRÄT Tokio Hotel

In Tokio gibt es viele Hotels. Sonderbare sogar. Hotels, in die so viele Menschen wie möglich hinein gequetscht werden, dass sie in kleinen Röhren schlafen …

502 Kommentare mit 11 Antworten

  • Vor 18 Jahren

    „Verfluchte Poser, Möchtegern Harte, Witzfiguren“-Rufe auf der einen Seite. „Bill, ich will dich heiraten, gib mir deine Handynummer!“-Gekreische auf der anderen Seite. Wir schreiben das Jahr 2005, es ist September geworden und seit Wochen belagert eine neue Band den vordersten Rang der Charts, wir sprechen von Tokio Hotel. Vier Jungs, aus Magdeburg im Alter zwischen 16 und 18 Jahren. Seit Daniel Küblböck hat wohl keine Band mehr, so stark polarisiert und für Diskussionen gesorgt. Zeit sich das Debütalbum der Burschen mal genauer anzuhören.

    Grundsätzlich kann man ja schon mal über das Auftreten von Tokio Hotel schmunzeln. Auf den Promofotos sehen wir vier, sehr kindlich wirkende, Personen die versuchen, so böse wie nur irgendwie möglich in die Kamera zu gucken. Das hatten wir übrigens für ein paar Jahren mit Nu Pagadi schon mal. Bill Kaulitz, der Frontsänger, muss fürs Image sogar nur mit einem Auge auskommen, das andere wird von seinem, von Haargel übersäten Seitenscheitel verdeckt, hinten stehen die Haare hingegen wie Stacheln weg, sehr originell. Nun, aber es geht ja auch um die Musik der Magdeburger, also ab damit!

    Der Longplayer beginnt mit dem Titel „Schrei“ recht rebellisch: „Du stehst auf und kriegst gesagt Wohin du gehen sollst, Wenn du da bist, Hörst du auch noch Was du denken sollst" In diesem Lied geht es wohl darum, das man sich als Jugendlicher nicht alles gefallen lassen soll, und das man doch bitte schreien soll, auch wenn es weh tut. Nett gemeint, keine Frage, aber wenn der liebe Bill andauernd hintereinander „Nein nein nein“ singt, dann greift man sich doch am Kopf. Schon bei diesem Lied fällt die Stimme es Frontsängers auf: Sie ist unecht. Indem er die Wörter komisch lang gezogen und mit verschiedenen Stimmlagen betont, versucht er hart und laut zu wirken. Mir gefällt das einfach nicht.

    Wir sind inzwischen beim zweiten Lied angekommen, dem Chartsstürmer „Durch den Monsum“. Dieses Lied ist recht melodisch und eingängig, doch schon nach mehrmaligem Hören will einem das Lied nicht mehr gefallen, es ist dann doch zu einfach gestrickt. Das Video zum Lied hingegen ist recht lustig. Bill Kaulitz scheint während dem Bühnenauftritt, oder doch eher Wiesenauftritt, einen spastischen Anfall zu bekommen, anders ist dieses unkontrollierte verhalten seiner Beine nicht zu erklären.

    „Planeten sind im Ausverkauf, die ganze Galaxie wird ruhig gestellt Und Zeit rast durch einen Schnelldurchlauf. Scheiss auf gestern und erinner dich an jetzt!“ Ein kleiner Auszug aus dem dritten, doch ganz klar verpatzten Titel des Albums. In „Rette Mich“ schlagen Tokio Hotel ganz ruhige Töne an, trotzdem ist auch dieses Lied zu simpel gemacht. Auch der nächste Titel will einfach nicht gefallen: Wieder versuchen Tokio Hotel rebellisch den Refrain stundenlang herumzuplärren damit er auch sicher in den Gehörgang geht. Dagegen macht sogar Christina Stürmer komplexe Musik.

    Mit „Ich bin nich' ich“ schaffen die Jungs es dann doch noch, einen sehr soliden Track abzuliefern. Auch dieser ist recht einfach gemacht, und auch hier gibt es so gar keine Überraschung, aber trotzdem hebt er sich durch die rassige Geschwindigkeit heraus. Auch der nächste, eher ruhige Track „Wenn nichts mehr geht“ ist kein kompletter Reinfall. Unbedingt öfters anhören müsste ich mir das Stück aber trotzdem nicht. Lied Nummer 8 hingegen verursacht bei mir starke Kopfschmerzen, nicht nur Musikalisch sonder auch Textlich ein kompletter Fehltritt.

    „Gegen meinen willen“ ist wohl der einzige Titel am Debütalbum der wirklich einen Sinn hat, es geht um die Situation der Kinder bei einer Scheidung. Sicher mit „Ich bin nich' ich“ das beste Lied auf der CD. Die restlichen drei Lieder sind ähnlich aufgebaut wie die vorhergegangenen: Einfach gestrickt, teils ruhig, teils rebellisch laut, aber keineswegs etwas Besonderes.

    Dann sind wir auch schon mit „Schrei“ durch. Der Hype um Tokio Hotel ist also ganz klar nicht wegen ihrer genialen Musik da, sondern eher, weil die Plattenfirmen ein neues Genre für die Chartskinder da draußen gefunden haben: Pubertierender Jugendrock. So etwas gab es noch nie, und deshalb schlägt es auch so gewaltig ein. Unterm Strich bietet dieses Album, außer zwei halbwegs guten Liedern, gar nichts! Es ist einfach genau für die Charts abgestimmt, es ist genau dass was die Bravoleserinnen wollen, und es ist genau dass was Geld bringt. Musikalisch und Textlich hingegen ist Tokio Hotel ein Reinfall, auf allen Ebenen.

    Ob es sich bei dieser Band um eine Eintagsfliege handelt, werden wir erst in den nächsten Monaten sehen. Bis dahin kann, zumindest ich mich, mit ruhigem Gewissen zurück lehnen und über die beiden „Hälften“ von dem Produkt Tokio Hotel lachen. Die einen die sie lieben, und in diversen Webforen mit voller Intelligenz folgende Meldungen zum Besten geben: „Also wenn sie Freundinnen haben schmoll ich, weil dann ham die uns radikal verarscht...“ und die andere Seite, die so extrem realen Rocker und Metaller die, die vier Magdeburger als böse Poser hinstellen. Ich finde beide recht amüsant wie lächerlich. Kinder eben.

  • Vor 18 Jahren

    hmm... das ist doch derselbe Text wie in S&G, oder?
    und wieso fällt mir darauf nur: "rock on" ein?