laut.de-Kritik

Eine gesungene Autobiografie mit überarbeiteten Songs.

Review von

Das Feld der Rockopern und musikalischen Erzählungen haben die Jungs von Queen und Pink Floyd bisher am konsequentesten beackert. Dennoch gibt es Brachland en masse in dieser unorthodoxen Genre-Nische. Diesen Umstand nutzt Tori Amos gnadenlos aus, um genau dort ihre musikalischen Märchenschlösser zu errichten.

Tori Amos gehört zu den Künstlerinnen, deren Person und Werk über jeden Qualitätsdiskurs erhaben ist. Von Publikum und Fachpresse gleichermaßen hoch gelobt, stellt sich bei ihrer Musik nur das oft formulierte "gefallen/nicht gefallen"?! Wer auf gehaltvolle Kompositionen, ausgeklügelte Arrangements und Balladen mit Tiefgang steht, wird von Frau Amos hervorragend bedient.

"Tales Of A Librarian" ist das erste Best Of-Album der amerikanischen Künstlerin, die sich seit mehr als zehn Jahren erfolgreich im Musikbiz behauptet. Von Tori selbst kompiliert, wartet die Scheibe mit 20 Songs auf, die einen hervorragenden Überblick über ihr bisheriges Werkeln geben. Eine gesungene Autobiografie sozusagen. Eine Retrospektive über ihr acht Alben umspannendes Gesamtwerk mit Songs, die ihren Werdegang reflektieren und aufarbeiten.

Im Unterschied zu anderen 08/15-Best-Ofs, die sich auf das Aufwärmen alter Kamellen beschränken, verzichtet Tori darauf, uns die Titel ungeschminkt zu servieren. Alle Songs sind deshalb "reworked" und "reconditioned", will sagen überarbeitet und neu eingespielt. Neben Hits wie "Cornflake Girl", "Winter" und "Crucify" serviert sie auch zwei brandneue Nummern, "Angels" und "Snow Cherries From France". Außerdem tummeln sich mit "Mary" (im Original auf der europäischen "Crucify"-Single zu finden) und "Sweet Dreams" (aus der '92er Limited Edition-CD 'Winter') noch zwei rare B-Seiten auf dem Album.

Tori Amos spielt zweifellos in der Liga großer Songpoetinnen wie Joni Mitchell, Rickie Lee Jones und Kate Bush. Ihre oft klassisch inspirierten Ideen packt sie in komplexe Kompositionen, die mal mit Gospel-Chören ("Way Down"), mal mit Tuba ("Mr. Zebra"), immer aber mit Einfallsreichtum, Phantasie und wohldosiertem Pathos arrangiert werden. Als Paradebeispiel soll "God" dienen, das mit Taktarten ebenso spielt, wie mit eigenwilliger Instrumentierung und filigraner Linienführung.

"Tales Of A Librarian" präsentiert eine reife Künstlerin, deren Ausdrucksvermögen sich als äußerst mannigfaltig und eigensinnig offenbart. Das mit 20 Songs vollgepackte Album stellt für Tori-Neulinge den perfekten Einstieg in den Amos'schen Klangkosmos dar. Altgediente Fans dürfen sich über die Neubearbeitungen vertrauten Materials freuen. Von Tori Amos lasse ich mich gern an der Hand nehmen und aus diesem trostlosen Winter entführen.

Trackliste

  1. 1. Precious Things
  2. 2. Angels
  3. 3. Silent All These Years
  4. 4. Cornflake Girl
  5. 5. Mary
  6. 6. God
  7. 7. Winter
  8. 8. Spark
  9. 9. Way Down
  10. 10. Professional Widow
  11. 11. Mr. Zebra
  12. 12. Crucify
  13. 13. Me And A Gun
  14. 14. Bliss
  15. 15. Playboy Mommy
  16. 16. Baker Baker
  17. 17. Tear In Your Hand
  18. 18. Sweet Dreams
  19. 19. Jackie's Strength
  20. 20. Snow Cherries From France

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