laut.de-Kritik

Großes Klang-Kino trotz kleinster Mittel.

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Fünf Jahre lang schwebte Tori Amos auf wattigen Klassik-Welten. Während dieser Zeit entstanden ein Weihnachtsalbum ("Midwinter Graces"), ein Konzeptalbum ("Night Of Hunters") und eine Retrospektive ("Gold Dust") – alles ummantelt von orchestralem Prunk. Damit ist jetzt Schluss: "Ich habe diese Abzweigungen gebraucht um wieder zu mir selbst zu finden", sagt die gebürtige Amerikanerin, die seit vielen Jahren im englischen Cornwall zu Bett geht.

Auf ihrem 14. Studioalbum blickt die Piano-Virtuosin mit der unvergleichlichen Stimme wieder zurück. Weniger Opulenz, mehr Tiefe. Statt sich mit flächendeckenden Philharmonie-Arrangements zu duellieren, lehnt sich Tori Amos entspannt zurück und lässt die beiden Elemente zur Hochform auflaufen, die der Bardin bereits seit über zwanzig Jahren treu zur Seite stehen: ihre Stimme und ihr Klavier.

Bereits "America" weckt Erinnerungen an Zeiten, als Alben wie "Under The Pink" oder "Boys For Pele" Melancholie neu definierten. Ähnlich betörende Intim-Highlights lassen nicht lange auf sich warten. Da wäre beispielsweise das zartbittere "Wild Way" – ein harmoniegeschwängertes Hin und Her zwischen Freud und Leid. Ebenso lieblich schleicht sich der moll-lastige Vergangenheitsbewältiger "Weatherman" durch die Boxen. Auch das mit akzentuierten Elektro-Einschüben versehene "16 Shades Of Grey" schmiegt sich butterweich in die Gehörgänge.

Neben aufwühlenden Kammer-Momenten präsentiert Tori Amos aber auch nicht minder gehaltvolle Roots-Kost. So erinnert der famose Groover "Trouble's Lament" an die Hochzeiten des Man in Black, während sich die Sängerin mit dem Ukulele-Hüpfer "Giant's Rollin Pin" an die Fersen des pubertierenden Paul McCartney heftet.

Mit lieblichen Harmonien, immer wieder eingestreuten Dynamik-Spielereien und bezirzender Stimmakrobatik zeigt die erfahrene Bardin der neuen weiblichen Singer/Songwriter-Generation die Grenzen auf. Großes Klang-Kino trotz kleinster Mittel: Tori Amos blüht beim Blick in den eigenen Rückspiegel regelrecht auf. Mit dem berührenden Mutter-Tochter-Duett "Promise" werden sogar noch Zukunftsängste verabschiedet. Sollte sich Toris Tochter Tash nämlich stimmlich weiter so entwickeln, dann wird der Name Amos auch in zwanzig Jahren noch eine große Rolle im Business spielen.

Trackliste

  1. 1. America
  2. 2. Trouble's Lament
  3. 3. Wild Way
  4. 4. Wedding Day
  5. 5. Weatherman
  6. 6. 16 Shades Of Blue
  7. 7. Maids Of Elfen-Mere
  8. 8. Promise
  9. 9. Giant's Rollin Pin
  10. 10. Selkie
  11. 11. Unrepentant Geraldines
  12. 12. Oysters
  13. 13. Rose Dover
  14. 14. Invisible Boy

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12 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 9 Jahren

    Ich verstehe das allseitige Bedürfnis nach Heldenwiederauferstehung, gerade in der heutigen Zeit. Aber um dem allgemeinen Hype entschieden zu widersprechen: Dies ist ganz bestimmt NICHT Toris Resurection, wie immer wieder behauptet. Zu flach die musikalischen Ideen, zu uninspiriert und glatt die Produktion. Nichts davon beeindruckt wirklich, nichts bleibt hängen, zumindest verglichen mit "Earthquakes", "Under the Pink" und erst recht nicht mit "To Venus and Back". Vielleicht ist es Dein Alter, vielleicht ist jede Deiner Geschichten schon x Mal erzählt. Aber es ist Zeit aufzuhören, Tori, eigentlich schon seit gut zehn Jahren.
    Bitte nicht falsch verstehen: Das Album ist gut gemachte Durchschnittskost, aber nun wirklich kein Gänsehautbringer, für den der Name Amos mal stand.

  • Vor 9 Jahren

    Dann musst du wohl bereits beim ersten Lied taub gewesen sein :) Ich finde, dass Tori der Wechsel in ein leichteres Soundgewand sehr gut getan hat. Seit 10 Jahren habe ich mich erstmal wieder zur Albumerscheinung in den Plattenladen gewagt und nach meiner Abkehr seit dem Beekeeper holt mich Tori seit 2011 Stück für Stück wieder zurück. Klar hätten die wilden Pianoparts von Shattering Sea auch eine Rückkehr in die Little Earthquakes-Zeit einläuten können, aber wollen wir das wirklich? Jedes von Toris Alben ist anders als seine Vorgänger und Nachkommen. Es ist immer schwierig, an alten Alben gemessen zu werden und solange ich keine derartigen musikalischen Luftnummern wie bei Madonna oder durchkalkulierten Pop wie bei Kylie verdauen muss... Ich habe nach der ersten Plattenseite von Unrepentant Geraldines aufgehört und lasse das erstmal sacken, bevor es weiter geht. Tori säuselt sich meiner Meinung nach einfach nur schön durch America, dass es eine Freude ist, ihr zuzuhören. "I'm a classic car" hat sie vor einiger Zeit in einem Interview gesagt und ich finde, das kann man einfach mal so stehen lassen. Nimm dir eine Pause und Zeit für die neuen Lieder. Freundschaften erschließen sich nicht von heute auf morgen, Strohfeuer brennen dafür schnell nieder ;)

  • Vor 9 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 9 Jahren

    Gib dem Album mal ein bisschen Zeit. Es sind gerade 5 Tage seit der Veröffentlichung vergangen. Liebe braucht eben Zeit. Ich habe mir bislang nur die erste Seite der Vinylausgabe angehört (4 Songs) und lasse den Rest nach und nach auf mich zukommen. Toris wilde Jahre sind vorbei, so viel ist klar. Warten wir mal ab, wie sie sich entwickelt. Die neuen Konzerte sind songtechnisch jedenfalls eine wahre Offenbarung für die Ohren: Viele B-Seiten, unpopuläre Albumtracks und ein paar dezent eingestreute Cover.

  • Vor 9 Jahren

    Wenn man sich in die Details hineinhört, findet man das Kleinod. Ebenso haben sich Joni, Kate und Laurie verändert. Lebenszyklen vollenden sich... Gegen die Gartenzwerg-Idylle von "Beekeeper" ist es geradezu eine Offenbarung. Sie ist und bleibt wandlungsfähig. Vieles erinnert mich an Joni Mitchell und Kate Bush, nicht nur musikalisch. Was der einen ihr "Bertie" ist der anderen ihre "Tash". Selbst Joni hat ihre Mutterschaft besungen. So ist das, wenn man älter wird. Man sollte nicht den Fehler machen, frühe Alben mit dem aktuellen zu vergleichen. Die musikalische Fantasie und die Lust am Text sind noch immer da. Darauf kommt es an. Mir gefällt das Album sehr gut, man muss sich, wie immer, darauf einlassen.