laut.de-Kritik

Streifzug durch den Kitsch der Jahrhunderte.

Review von

Paul O'Neill zeichnet seit "Hall Of The Mountain King" federführend für Savatage verantwortlich. Gemeinsam mit dem Genius Olivas erschufen sie in den letzten drei Dekaden etliche Klassiker der Rockmusik ("Gutter Ballet", "Streets"). Dass sich das ehemals als Nebenschauplatz ins Leben gerufene Trans-Siberian Orchestra zu einem solchen Renner auswachsen sollte, dass darüber sogar Savatage zur Randnotiz verkamen, konnte anfangs noch niemand ahnen. Doch genau so kam es.

Jeder Megaerfolg bringt aber auch eine entsprechende Verpflichtung mit sich: Die Show muss weitergehen. Künstlerischem Anspruch und der Liebe zum Detail schenken die Amis weniger Beachtung. Neben dem Edelfan soll bei ihnen auch Ottonormalhörer zum Zug kommen.

O'Neill kann grandiose Geschichten erzählen. Seine Lyrics und Konzepte mit humanistischem Anspruch regen immer zum Nachdenken an. Doch die Fesseln, die der Produzent und Jon Oliva der Musik auferlegen, wirken wie ein gordischer Knoten, der nicht so leicht zu lösen sein dürfte. Vielleicht erst, wenn die Savatage-Mucker den sicheren Hafen des Projektes irgendwann verlassen.

Die Musik liefert ein gutes Beispiel dafür, dass Rock, erstarrt in Konvention und Klischees, nichts anderes als Volksbelustigung darstellt. Der Saarländer nennt es "Stippeln": ein redundant-monotones Nerven, das einen zur Weißglut treibt. Das Spiel, das kleine Kinder in Perfektion beherrschen, erledigen in diesem Fall die Klänge.

Grob in zwei Teile gegliedert, präsentiert uns das Star-Ensemble nach einer Ouvertüre mit Chor und Bombast sechs Instrumentals. Steife Klassik-Versatzstücke von Rimsky-Korsakov oder Bach und gefälliges Beethoven-Klimbim suggerieren ein Fünkchen Hochkultur. Musikalisch bedeutet das: O'Neill und Oliva greifen im besten Fall ein Thema auf, das in Täglich-grüßt-das-Murmeltier-Manier in Endlosschleife auf sämtlichen Instrumenten dudelt. David Garrett lässt grüßen.

Hier spielt eine routinierte Kapelle, die ihren Job zweifelsohne perfekt absolviert. Doch Virtuosität und ein wenig Klassik-Klingelton garantieren noch keinen Ohrenschmaus. Die Fahne des Kitsches hissen die Megaseller am Ende bei "Lullaby Night", einem "Ave Maria"-Abklatsch
mit schwülstigen Synthies.

Danach betreten die Sänger die Bühne. Jeff Scott Soto (Ex-Yngwie Malmsteen, Ex-Axel Rudi Pell), Russell Allen (Symphony X) oder Lzzy Hale (Halestorm) präsentieren solide arrangierte Rocksongs und Balladen, die den imposanten Stimmen aber nur im Ansatz gerecht werden.

Ärgernis provozieren die recycelten Savatage-Riffs ohne Schmiss, über die ein Chris Caffery nur die Nase rümpfen könnte, brächte er damit nicht seine Rente in trockene Tücher. Die Akustik-Gitarren-Arpeggien von "Stay" sind fast eins zu eins bei Metallicas "Welcome Home (Sanitarium)" abgekupfert. Was auf den ersten Blick nach einem Potpourri unterschiedlicher Stile aussieht, entpuppt sich schnell als Streifzug durch den musikalischen Kitsch der letzten Jahrhunderte.

Die Produktion unterstreicht diesen populären Ansatz, klingt zumindest in Musical-Kreisen nach State Of The Art, wirkt jedoch gerade bei den rockigen Passagen viel zu handzahm. Paul O'Neill gebührt ein großes Lob für die pompös-bombastische Inszenierung der Savatage/TSO-Show auf zwei Bühnen beim diesjährigen Wacken Open Air. Die neue Platte hält diesem Anspruch nie und nimmer stand.

Trackliste

  1. 1. Time & Distance (The Dash)
  2. 2. Madness Of Men
  3. 3. Prometheus
  4. 4. Mountain Labyrinth
  5. 5. King Rurik
  6. 6. Prince Igor
  7. 7. The Night Conceives
  8. 8. Forget About The Blame (Sun Version)
  9. 9. Not Dead Yet
  10. 10. Past Tomorrow
  11. 11. Stay
  12. 12. Not The Same
  13. 13. Who I Am
  14. 14. Lullaby Night
  15. 15. Forget About The Blame (Moon Version)

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