5. Februar 2021

"Niemand hatte die Absicht, ein Konzeptalbum zu erschaffen"

Interview geführt von

"The Absolute Universe" stellt ein Novum in der Prog-Historie dar und markiert gleichzeitig den Traum eines jeden Fans. Vom Ausgangsmaterial einmal abgesehen erscheinen von Transatlantic drei verschiedene Versionen, die in Sachen Detailreichtum durch die Decke gehen und die Nächte unterm Kopfhörer bis in die frühen Morgenstunden ausdehnen. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Gigantomanie ja, Langeweile nein.

Transatlantic speisen ihren kreativen Input aus den Hirnen von vier Prog-Großmeistern. Wem die Namen Neal Morse, Mike Portnoy, Roine Stolt und Pete Trewavas nichts sagen, der knickt auch nach nur einer Sekunde Quintenzirkeltrainings ein. Wenn der vierköpfige Prog-gewordene Homunkulus alle zwei Schaltjahre zusammenkommt, entsteht getreu der Kiss-Maxime "You Wanna The Best, You Got The Best" nur die Quintessenz dessen, was im Frickelzirkus angesagt ist.

"The Absolute Universe" schlägt heuer dem Fass den Boden aus. Wir goutieren nicht nur ein Doppel-Album, das aus den Federn der Vielschreiber sprießt. Zusätzlich gibt es noch eine kürzere, komplett neu eingespielte Version sowie ein der Presseschar im Vorfeld vorbehaltenes ultimatives Format auf die Ohren. Roine Stolt steht Rede und Antwort und bringt Licht ins Dunkel des Schaffensprozesses.

Hi Roine, wie geht's dir?

Ich sitze derzeit in meinem Studio zu Hause und habe gerade mit einem Journalisten von Färöer Inseln gesprochen. Normalerweise konferiert man mit Kollegen aus Holland, Deutschland, Italien, Spanien oder Skandinavien durch das Glasfaserkabel (grinst).

Womit beschäftigst du dich derzeit?

Die Pressearbeit für Transatlantic ist das eine. Daneben arbeiten wir an einigen Videos für die Flower Kings. Jeder Tag ist gut gefüllt. Europa liegt komplett im Lockdown, wobei jedes Land ein wenig anders mit den Einschränkungen umgeht. Hier in Schweden, in meiner Stadt gehen die Covid-19-Fälle zurück, ich kann mich frei bewegen und sogar ein Restaurant besuchen. Alkoholausschank nach 20 Uhr ist verboten und alles schließt früher.

Deutschland geht einen restriktiveren Weg. Kultur und Gastronomie sind komplett geschlossen für Besucher und Gäste. Gerade für Familien ist es nicht einfach, da auch die öffentlichen Bildungsbereiche von Einschränkungen betroffen sind.

Ich baue auf den Frühling, dass dann die Fälle zurückgehen und bewahre mir grundsätzlich einen positiven Blick.

In den letzten Jahren habe ich zahlreiche Bands und Projekte gehört, in die du involviert gewesen bist. Gerade mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre fällt die Vorstellung schwer, dass du überhaupt geschlafen hast. Man denke an die Kollaboration mit Yes-Sänger Jon Anderson auf "Invention Of Knowledge", The Sea Within, zwei Platten mit den Flower Kings, eine Soloveröffentlichung und nun Transatlantic.

(Lacht) Es mutet verrückt an, aber ich schlafe ziemlich ausgewogen und führe ein ausgeglichenes Familienleben. Wenn ich wach bin, arbeite ich ausgiebig und bin äußerst zufrieden mit meiner Beschäftigung. Ich verspüre keinerlei Druck, niemand drängt mich.

Die Vielfalt ist immens, es macht Spaß Gitarren aufzunehmen, Songs zu schreiben oder ein Album abzumischen. In beiden Fällen denke ich mir, welch tolle Gelegenheit seine Zeit zu verbringen und Geld zu verdienen. Sein Hobby zum Beruf zu machen und mit verdienten und talentierten Musikern zu spielen, stimmt mich ziemlich zufrieden.

Bist du beim Songwriting lieber für dich oder genießt du die Zusammenarbeit mit anderen Musikern?

Jede Band verfügt über ihre eigene Chemie und Faszinationen, die in bestimmten Momenten in Kreativität mündet, ich meine diese Aha-Momente, wenn man gemeinsam jammt und sich dadurch tolle Musik herausschält. Man blickt sich kurz an, grinst und weiß, jetzt passiert etwas Großartiges. Wir kennen uns schon so lange. Vieles ereignet sich auf einer unbewussten Ebene. Gleichzeitig gibt es die Momente, in denen wir im Clinch liegen. Manchmal schweben zu viele Ideen durch den Raum, aber selten fühle ich mich wie im musikalischen Vakuum.

Das betrifft alle meine Bands und Projekte und ich bin mir sicher, dass auch Deep Purple, Yes oder Frank Zappa keine anderen Geschichten erzählen würden. Wir vier haben unsere Formel bereits vor 21 Jahren bei der Arbeit für das Debüt gefunden. Man kennt seine Stärken und Schwächen und konzentriert sich darauf das Beste herauszuholen. Selbst wenn etwas absolut chaotisch klingt oder sich wie Humbug anhört, bleiben wir ruhig, im Wissen darauf, dass es sich fügen wird. Wir gehen ohne Masterplan ins Studio, vieles ist noch unentschieden. Wir hören uns durch die Tapes durch, bauen Brücken zum gegenseitigen Verständnis und stürzen uns anschließend in die Arbeit.

"Selbst mich überwältigt die Vielzahl an Parts".

Du hast ja gerade die Antwort auf die Frage vorweggenommen. Hättest du es für möglich gehalten, bevor ihr euch zum ersten Mal für die neue Platte getroffen habt, dass ihr nahezu drei Stunden an neuer Musik aufnehmen würdet? Was meinst du hätte euer Label Insideout gesagt, wenn ihr von Beginn an die Überzeugung kommuniziert hättet, dass es diesmal zwei Konzeptalben geben wird, die sich zudem deutlich voneinander unterscheiden, nicht nur in Sachen Länge, sondern auch was unterschiedliche Spots mit Blick auf das Arrangement, die Texte und Melodien angeht.

September 2019 markierte den Startpunkt. Ich bin fest davon ausgegangen, dass wir ein Album aufnehmen und vielleicht ein paar Coversongs dran hängen, wie wir es auch bereits in der Vergangenheit getan haben. Wir registrierten gar nicht, wie viel Musik entstanden ist. Wir haben einfach alles aufgenommen, was interessant klingt. Schnell dämmerte es uns, dass das Material den Rahmen eines Albums sprengt. Die Frage stand im Raum, das Format zu kürzen und den Rest als Bonus-Tracks zugänglich zu machen. Erst Monate später wurde die Entscheidung getroffen, daraus ein Doppel-Album zu machen. Und wiederum einige Zeit später, es muss Frühling 2020 gewesen sein, schickte uns Neal eine Mail mit der Schlussfolgerung, doch alles auf ein Album runter zu brechen.

Die damals existierende Version, die längere, die nun unter dem Titel "Forevermore" erscheint, war so gut wie fertig. Ich zögerte, gab schließlich nach. So kam es Ende dazu, dass wir zwei Alben hatten, von denen keiner sagen konnte, welches nun die bessere Version sei. Mike Portnoy preschte mit dem Vorschlag vor, zwei Alben auf den Markt zu bringen und Neals akustische Fantasie wie er meinte ebenfalls zur Geltung zu bringen. Wobei ich mich eher mit "Forevermore" identifiziere. In jedem Fall stimmte das Label zu und so kommt es das nun zwei Versionen erscheinen, die in Teilen voneinander abweichen.

Schwer zu sagen, welcher der beiden Teile nun überwiegt. Das ist sicher auch stimmungsabhängig. Auf manchen Platten findest du Demo-Versionen einzelner Tracks, die dem Fan die Entwicklung eines Liedes nahelegen. Bei euch gibt es zwei gleichwertige Varianten wie den Opener, der einmal mit "Reaching For The Sky" betitelt ist und zum anderen den Namen "Heart Like A Whirlwind" trägt. Beide Songs sind auf ihre Art fantastisch.

Es ist wie es ist. Wir zeigen dem Hörer verschiedene Optionen. Du kannst auch die große schwarze Box kaufen, wenn du dich nicht zwischen der kürzeren und der längeren Version entscheiden kannst. Darauf findet man sogar noch eine dritte Version, die je Aspekte von "Breath Of Life" und "Forevermore" in sich trägt. Selbst mich als Urheber und Interpret verwirrt und überwältigt diese Vielzahl an Parts, aber schließlich befinden wir uns in Zeiten des Lockdowns. Wir können gemütlich zu Hause sitzen und uns Alben anhören (lacht).

Ich hatte die letzten beiden Monate ausgiebig Gelegenheit, mich mit den Details zu beschäftigen. Um nochmal auf die beiden Tracks, die sich der jeweiligen Ouvertüre anschließen zurückzukommen. "Reaching For The Sky" hat einen optimistischen Unterton und wird flankiert von erbaulichen Dur-Akkorden. "Heart Like A Whirlwind" hingegen wirkt nachdenklicher, die Melodien korrespondieren mit einer anderen Akkord-Progression und die Synths wirken sphärischer. Ist dies nur meine Interpretation oder führt ihr den Hörer in zwei unterschiedliche emotionale Welten ein.

Für den Anfang verfasste Neal die beiden Texte und ich glaube noch davor lieferte ursprünglich Pete die Texte. Diese fanden plötzlich keine Verwendung mehr. In jedem Fall veränderte Neal auch die Melodieführung, aber wie gesagt, es sind Optionen. Da entscheidet bei mir die Tagesform. Grundsätzlich klingt "Forevermore" mehr nach einem natürlichen Fluss mit Blick auf die Themen, das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug und die Akkordfolgen, während "Breath Of Life" ein wenig gekünstelt daherkommt. Vielleicht sehe ich es aus Künstler- und Produzenten-Perspektive zu kritisch. Vielleicht ändert sich mein Eindruck auch mit der Zeit.

Bei "The Darkness In The Light" dürfte dein Eindruck in beiden Fällen ähnlich sein. Du hast den Track geschrieben und singst ihn. Warum habt ihr ihn so gelassen wie er ist?

Im Großen und Ganzen hast du Recht. Es gibt minimale Änderungen was einige Gitarren-Einwürfe angeht. Dies betrifft aber auch einige andere Songs. Neals Parts zum Beispiel klingen weitestgehend identisch auf beiden Versionen, nur an manchen Stellen teilt er seine Lines auf Pete und Mike auf. Es ist eine ganze Stange Musik, ich bin mir nicht sicher, ob jeder von uns all die kleinen Änderungen und Details rekapitulieren könnte. Man benötigt einige Zeit, um sich zurechtzufinden.

"Wenn die Zeit reif ist, spielen wir wieder live."

Haben wir es eigentlich mit einem klassischen Konzeptalbum zu tun?

Ich bezeichne es lieber als eine Konstruktion im Nachhinein. In Schweden haben wir aus den Demoversionen das Beste herausgepickt und dieses überbordende Stück Musik kreiert. Meine Lyrics waren bereits zum Zeitpunkt der Aufnahmen im September 2019 fertig. Neal hingegen war noch nicht so weit. Pete hatte auch einiges an Texten beigesteuert. Wie lassen sich die Gedanken von drei verschiedenen Menschen auf ein gemeinsames Thema bringen? Das meine ich mit der Zeit-umgekehrten Betrachtung. Niemand hatte die Absicht, ein Konzeptalbum zu erschaffen.

Nachdem wir eine Woche lang aufgenommen hatten, meinte Mike, dass es nach einem Konzeptalbum klingen würde. Daraufhin kam das Thema häufiger zur Sprache. Beim Songwriting läuft das so ab, dass ich mich von Song zu Song bewege. Eine Melodie, die im ersten Track zu hören ist, taucht dann im dritten Lied mit dezenten Veränderungen wieder auf, was wiederum stark an die Kompositionstechniken klassischer Musik erinnert. Diese Arbeit mit wiederkehrenden Themen stärkt den musikalischen Zusammenhalt und fördert die Erinnerung beim Hörer, gerade wenn die Musik sehr komplex angelegt ist.

Das gleiche gilt auch für bestimmte Textpartikel, die sich durch die gesamten Stücke durchziehen. Alles lief sehr spontan ab. Neal stellte dann einige Textbezüge zu aktuellen Geschehnissen wie Politik und insbesondere das Leben unter Corona heraus. Wir hatten die stille Übereinkunft, dass wir einen Link zu der Zeit herstellen, in der wir leben, mit all den aktuellen Herausforderungen. Es gab jedoch kein Meeting, in dem ein Beschluss herbeigeführt worden ist.

Nimm das Artwork mit seinem Wiedererkennungseffekt zu den früheren Platten. Dieses Luftfahrzeug in den Weiten des Weltraums ist nur ein nettes grafisches Gimmick ohne konkreten textlichen Bezug. "The Breath Of Life" ist einem von Neals Songs entlehnt. "Forevermore" ist ein Wortspiel des Songs "Evermore" von "The Whirlwind". Musik und Text entstanden auf natürliche Weise. Möge die Rockgeschichte und unsere Hörerschaft ein Urteil darüber fällen, worin die Message besteht. Ein großer Plan läuft immer Gefahr, dass man zu engstirnig sein Ziel verfolgt, obwohl es links und rechts so viel zu entdecken gibt. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was die anderen Jungs dazu denken, aber so sehe ich das (lacht).

Über das Album "The Whirlwind" hatte ich 2009 mit Neal Morse gesprochen, und seine textlichen Assoziationen fielen ziemlich biblisch aus, was natürlich auf Neals Glauben zurück geht. Du sprichst nun von der textlichen Anlage des neuen Songs von einem sehr zeitgemäßen Bezug. Dieser Eindruck hat sich auch in mir breit gemacht. Mit Blick auf die Lyrics von Tracks wie "Looking For The Light" oder auch "The Darkness In The Light", die die täglichen Konflikte und Kämpfe reflektiert, mit denen man konfrontiert ist, scheint mir mehr die aktuellen Begebenheiten zu reflektieren. Ein äußerst klarer Bezug zu "The Whirlwind" hingegen ist, dass ihr diese wiederkehrenden Themen in den Verlauf einpflegt. Siehst du eine Verbindung zwischen den beiden Alben, die ja immerhin über elf Jahre Abstand voneinander haben.

Für mich persönlich nicht. Neal und Mike haben "The Whirlwind" in der Anfangsphase häufiger als Referenz genannt. Die Platte markierte damals unsere Reunion und hatte einen unglaublich positiven Effekt auf unsere Band. Diesen Vibe wollten Neal und Mike beschwören. Zugegeben, "The Whirlwind" stellt bis heute unseren größten Erfolg dar, flankiert von unserer erfolgreichsten Tour. Ähnlich wenn sich die Beatles nach längerer Zeit wieder zusammen getan hätten, um einen Nachfolger für "Sgt. Pepper's" zu schreiben, oder Pink Floyd würden sich reformieren, um einen zweiten Teil von "The Dark Side Of The Moon" zu schreiben.

Ich mag die Platte auch, sie enthält großartige Stücke, die auch unsere Fans abfeiern. Ich bevorzuge hingegen die Denke, mich möglichst von äußeren Einflüssen frei zu machen und betrachte jedes Album als Projekt für sich und starte mit dem berühmten weißen Papier vor mir. Was die Texte angeht, findet man tatsächlich weniger Bezüge zur christlichen Botschaft. Ich weiß noch nicht mal mehr genau, ob wir es zur Sprache gebracht haben. Speziell mein lyrischer Input hat starke Querverweise zur aktuellen Situation in der Welt. Auch politische Bezüge finden sich immer wieder in meinen Texten, das gehört einfach zu mir.

Nimm die menschlichen Beziehungen, die immer mehr verkümmern. Das beschäftigt mich. Die Demos entstanden im Sommer 2019, wir trafen uns im September 2019 und der endgültige Mix der Platte fand erst ein Jahr später statt. Die lange Zeit dazwischen hat es uns ermöglicht, über dieses umfangreiche Stück nachzudenken und die besten Schlüsse zu ziehen, wie wir das alles unseren Fans präsentieren. Überlege mal, wir hätten anschließend die Overdubs eingespielt, die Platte gemixt und sie Anfang 2020 raus gebracht. Das Album hätte einen gänzlich anderen Charakter gehabt.

Nimmt man "SMPTE", "Bridge Across Forever" oder "Kaleidoscope" dann folgen diese Alben einem ähnlichen Aufbau, der vor allem von Longtracks bestimmt wird. "The Whirlwind" und "The Absolute Universe" hingegen bestehen eher aus kürzeren Tracks, die durch die wiederkehrenden Themen und den losen textlichen Zusammenhalt am Ende eine Einheit ergeben. Ich habe mir bereits einige Male eine abendliche Konversation mit meinem Sohn vorgestellt, wenn ich ihm sage, dass er noch einen Song vor dem Schlafen gehen hören dürfe und er lapidar antwortet: dann möchte ich "The Absolute Universe" hören.

(Lacht) Das ist eine lange Zeit bevor man schlafen geht. Natürlich kann man auch schlafen, während man die neue Platte hört (lacht). Das erinnert mich an meine Zeit als Teenager, wenn ich ein Pink Floyd- oder ein Yes-Album aufgelegt habe und dann mit meinen großen Kopfhörern eingeschlafen bin. Das waren noch richtige Klopper auf den Ohren, nicht nur irgendwelche Stöpsel. Du dimmst das Licht, fokussierst dich auf die Musik und tauchst in die Details ein.

Es ist derzeit schwer abzuschätzen, wann es wieder möglich sein wird, auf die Bühne zurückzukehren. Habt ihr euch bereits darüber ausgetauscht und seid ihr schon zu einer Einigung gekommen, welches Album ihr live performen wollt und ob ihr die Versionen auf verschiedene Abende und Anlässe splittet. Die kurze Variante käme dann im Rahmen eines Festivals zur Geltung und die lange eher im Rahmen einer abendfüllenden Show.

(Lacht) Wenn ich nur daran denke, graut es mich. Es gibt so viele Gemeinsamkeiten, aber natürlich auch die Unterschiede. Und ich verliere mich gerne in der Musik und gerade auf der Bühne möchte ich nicht nur stur geradeaus denken, was jetzt als nächstes folgt. Das wirkt schnell verkrampft. Wenn du hingegen deiner Erinnerung und deinen Fähigkeiten vertraust, dann kommt was Gutes dabei raus. Um an diesen Punkt zu gelangen und sich in die Songs einzufinden, benötigt man einige Shows.

Ich weiß bis heute nicht, wie Dream Theater es hinkriegen, verschiedene Setlists zu spielen und am Ende noch "The Dark Side Of The Moon" als Cover-Interpretation dran zu hängen. Allein sich das alles zu merken, schreckt mich zutiefst ab. Wir harren der Dinge. Wenn es passiert, dann geschieht es. In den kommenden sechs Monaten ist jeder Gedanke an eine Tour schlicht unrealistisch. Das verkompliziert die Situation vollends.

Wenn es schließlich irgendwann wieder möglich sein wird, steht jede Band auf diesem Planeten in den Startlöchern, um live zu spielen. Da ist die Konkurrenz immens. Meine Kollegen spielen zudem alle in anderen Bands, Marillion werden wieder touren, das gleiche gilt für die Neal Morse Band und die tausend Projekte von Mike. Um meinen inneren Frieden zu bewahren, blende ich diese Gedanken derzeit aus. Ich konzentriere mich auf das, was ansteht und hoffe auf ein wenig Normalität. In der Zwischenzeit können wir uns neuer Musik widmen und ein paar Projekte angehen, die sonst liegen geblieben wären.

Ich habe gelesen, dass Neal bereits wieder mit der Neal Morse Band im Studio ist. Hast du nach den recht kurz getakteten Alben mit den Flower Kings bereits neues Material geschrieben?

Ich habe zu Beginn unseres Gesprächs von den Video-Aufnahmen gesprochen. Wir schreiben auch kontinuierlich, aber ohne Druck. Wenn es soweit ist, fertigen wir Demos an, die wir hoffentlich mit Blick auf den Sommer wieder gemeinsam ausarbeiten können. Ansonsten schreibe ich Songs. Was ich machen kann, ist als Musiker Songs zu schreiben. Es bringt nichts, sich darüber zu ärgern, nicht auf Tour gehen zu können. Es gibt noch ein paar Dinge, die wichtiger sind, als in einer Rockband zu spielen oder sich eine Rockband anzuschauen. Wenn die Zeit reif ist, spielen wir wieder live.

Wobei gute Musik einem zumindest ein wenig Abwechslung verschaffen kann, die Seele berühren kann oder einen zumindest für eine kurze Zeit an einen anderen Ort entführen kann.

Das stimmt schon. Ich möchte nicht die Rolle der Musik klein reden. Ich denke mehr aus Sicht eines Musikers. Wir können wenigstens noch an neuer Musik arbeiten. Aber was ist mit all den Leuten, die die Touring-Maschinerie sonst am Laufen halten. Nimm die Menschen, die für Sound, Licht, das Booking, die Instrumente und alles weitere verantwortlich sind. Auch die Menschen, die die Veranstaltungsorte betreiben. Diese Leute sind in großen Schwierigkeiten. Ich versuche kreativ zu sein und mich auf die schönen Dinge des Lebens zu konzentrieren. Ich kann das große Ganze derzeit nicht ändern. Wir haben das letzte Album der Flower Kings komplett voneinander getrennt aufgenommen, einer saß in Italien, einer in Amerika, einer in Österreich und zwei in Schweden. Für Musiker besteht derzeit noch Hoffnung. Die Platte ist sehr farbenfroh und natürlich muss man die Produktion so steuern, dass es natürlich klingt. Aber ich denke, das ist uns gelungen. Das gleiche betrifft Transatlantic.

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2 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Haaach, die gute alte Zeit, als DT noch jeden Abend ihr komplettes Programm umschmissen und arschtight durch die Songs hetzten. Seit dem Portnoy-Abgang hängen die ja traurig am Clicktrack und der grottigen Setlist des ersten Abends fest, egal wie mies die Rezeption ist, aber von irgendwoher müssen die Backingvocals und der Keyboardbrei ja kommen.

    • Vor 3 Jahren

      Es tut weh, dir hier Recht geben zu müssen... Ich trauere diesen Zeiten absolut nach - wenn man sich die Zugabe der Scenes from am Memory Tour anhört, schiessen einem die Tränen in die Augen .... als Zugabe Songs des neuen Albums... Arroganter ist momentan keine andere Band ...

    • Vor 3 Jahren

      Man muss fair sein, für "Pull me Under" haben sie auf der ersten Tourhälfte aufs Maul bekommen (zurecht!). Für "At Wits End" wurden sie danach fast gefeiert, das klang wenigstens nicht nach sterbende Wal.

      Oder meinste die damalige Scenes-Tour? So das komplette A Mind Beside Itself, Learning to Live (extended) UND A Change of Seasons in der Komplettversion? Ja, das hatte noch was.

  • Vor 3 Jahren

    Gutes Interview. Hilft gut die "Abriged"-Version des Albums in die "Neal-Morse-Solo-Album"-Kiste zu stecken und dort so lange zu vergessen, bis man sich an der eigentlichen 90-Minuten-Band-Version sattgehört hat. Dauert bei mir schon knapp 4 Tage und kein Ende in Sicht.