laut.de-Kritik

Gute-Laune-Empowerment, manchmal etwas eintönig.

Review von

Krasses Selbstbewusstsein gehört schon dazu, sich ein Instrument als Künstlernamen zu wählen. Das Trombone ist die Posaune, und der Musiker aus New Orleans scheint sich als dessen naturgemäßer Repräsentant zu verstehen. Immerhin bindet er es auf "Lifted" wieder in Jazz, Funk, Funkrock und Soul ein und löst es damit vom Marschmusik-Image, das dem hell und schroff klingenden Stück Blech meist anhaftet.

"Lifted" hieß einmal ein Hit der Londoner Lighthouse Family: Gemeint ist mit dem Wort das Sich-Erheben, sich nicht unterkriegen lassen, das eigene Selbstvertrauen und persönliche Hoffnungen mit dem Lift ein Stockwerk höher fahren zu lassen. Empowerment nennt man das zurzeit in Soziologie und Social Media. Trombone Shortys Konzerte sind Empowerment-Rituale, jüngst in drei deutschen Städten zu erleben. Tolle Sache, bloß: Auf Platte gerinnt vieles zu krampfhaft kommerziell gefärbtem Weichspül-Soul, wo zehn Jahre zuvor eher die Inspiration durch Hip Hop überwog.

Waren Shortys frühe Alben teils Experimente der Erneuerung von Funk und Soul um kitzelnde, reizvolle, überraschende Komponenten, so liegt der Fokus jetzt darauf, je einen braven Visualizer für YouTube zu jedem Track hinzulegen - Probleme, die man vor zehn, zwölf Jahren nicht hatte und die anscheinend etwas vom Revoluzzertum abziehen, mit dem Shorty gestartet war. Dafür schafft er den Spagat zwischen einerseits leichterer Kost und andererseits formalem Bezug zur Jazzszene.

Wie beim älteren Kollegen Fantastic Negrito heißt Trombone Shortys eigentliche Album-Grundströmung 'Funkrock', nur mit völlig unterschiedlichem Ergebnis. "Get Lifted", "Lie To Me", "Come Back" und "I'm Standing Here" ordnen sich diesem Kolorit unter, - letzterer Track, als wäre er eine Bewerbung dafür, noch mal bei Lenny Kravitz aufschlagen zu dürfen. Dessen Stimme würde wohl gut zu manchem Stück hier passen, vor allem jedoch mehr Emotion und Spannung herauskitzeln als der eher zweckdienliche Gesang des Posaunisten. Schon 2010 machten die beiden einen Track auf"Backatown" zusammen, sie jammten wiederholt on stage, und Lenny postet ab und an was über den New Orleanser.

Auch eine weitere enge Connection zu Schul-/Studienfreund und Grammy-Rekord-Absahner Jon Batiste hätte der Platte wohl mehr rhythmische Elastizität und mehr Anspruch verleihen können. Erste-Wahl-Anspieltipp ist "Forgiveness": Erinnert einmal an den 90er-Flow der besagten Lighthouse Family: Verträumte Trompetentöne und softsoulige Parts brechen das einseitig Knackige der CD. Und eine mini-kleine Free Jazz-Kakophonie in genau jener Nummer hebt sich ebenso vom Gesamten ab.

An dieser Stelle merkt man jedoch glasklar, was das Manko ist: Dass nichts 'dirty' oder mit Ecken und Kanten herüber kommt, sondern Eleganz, Glattpoliertheit und eine auf Dauer etwas eintönige, clean geschliffene Vorhersehbarkeit regieren. Was dann eine Spur zu 'cheesy' wirkt.

Ansonsten könnte James Brown stolz sein auf die Fortführung seiner Black Power-Funk Moves. Doch vermutlich wäre ihm das hier nicht stoned genug, und Sly Stone dürfte es zu fröhlich-trivial anmuten. Elemente von beiden werden aber gepflegt. Gerade wenn Trombone Shorty laut Songtext immer für einen Struggle zu haben ist und die verdichteten Bläsersätze nicht zu knapp kommen, wenn das Posaunen-Stakkato zum Einstieg von "Lie To Me" seinen Thrill aufbaut und Shorty das Jazz-Instrument so markant und säbelnd benutzt wie andere Leute eine Lead Guitar.

Der Haken ist, dass es einen sehr hellen Ton und eine recht hektische Atmosphäre mit sich bringt. Zusammen mit der auch eher hohen Gesangstonlage fehlt ein Gegengewicht: zum Beispiel ein groovender Kontrabass oder irgendwas Kontrastreiches. Diese schräge Klangarchitektur lässt "Lifted" auf Dauer wie eine schlecht dosierte Himbeerschorle erscheinen: mal was anderes als Apfelschorle, mit zu viel Wasser verdünnt aber fade, mit zu wenig zu Bonbon-artig süß-säuerlich.

Gut, dass charismatische Coolness dazwischen grätscht, in "Might Not Make It Home", einem eingängig slidenden Fragment. Ebenfalls ein Earcatcher: "What It Takes". Gastsängerin Lauren Daigle zieht uns ins Stück rein. Sie trägt Deep Soul auf den Stimmbändern so spazieren, als hätte sie Black Power-Hymnen singend laufen gelernt, und sie sorgt dafür, dass man über den sonst etwas holprigen Song mit dem großen Zeh hinweg wippt. Wirklichen Tanz-Groove liefert dann "Miss Beautiful".

In Summe versteckt sich auf der CD oft Pseudo-Pop im Jazz, zu viel Oberfläche im Protest, schrille Aufdringlichkeit und Kopflastigkeit in der Euphorie. Der 36-Jährige sollte Folgendes tun: Sich live mitschneiden und das veröffentlichen. Und daran tüfteln, wie er die starken einzelnen Momente (wieder) zu einem flüssigeren Ganzen verweben kann, ohne dass es monoton klingt.

Trackliste

  1. 1. Come Back
  2. 2. Lie To Me
  3. 3. I'm Standing Here
  4. 4. What It Takes
  5. 5. Everybody In The World
  6. 6. Lifted
  7. 7. Forgiveness
  8. 8. Miss Beautiful
  9. 9. Might Not Make It Home
  10. 10. Good Company

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