laut.de-Kritik

Positive Vibes-Poesie aus Bayern.

Review von

Sieben Jahre nach seinem letzten Longplayer entscheidet sich UCee für Afrobeats. Zumindest die beiden Vorab-Videos machen klar, dass den Süddeutschen mit Wurzeln in Nordafrika der hippe Sound Westafrikas beschäftigt. Um auf dem Album "Bridges" zu diesen Highlights vorzudringen, steht etliches im Weg. Die gesamte erste Hälfte der Platte mutet nicht allzu werbewirksam an: eine Reihe ganz netter, aber unauffälliger Songs über Ganja und Girls, zu Beginn gar völkerverbindende Politik. Gleichwohl kommt diese Mischung aus Leicht und Schwer 'unrund' herüber. Die interessante Gestaltung entschädigt. Interessant heißt aber nicht hörerfreundlich, sondern: interessant um zur Kenntnis zu nehmen, was es auch so gibt neben Mainstream-Pop-Genres.

So bürstet der junge Riddim-Produzent einiges gegen den Strich. Gospel-Atmosphäre auf digitale Beats prallen zu lassen, ist eine wagemutige Idee, die bis auf Agent Sascos "Banks Of The Hope" fast immer steril gerät. So auch hier. Kirchliches Feeling in die Zone digitaler Beats, Tools und Aufnahmetechnik überzusiedeln, scheint ein besonderes Händchen zu erfordern, und zusätzlich bürdet sich der Positive Vibes-Poet noch eine schwierige Message auf, den Kampf gegen Rassismus.

"Bridges" zum Thema eines Reggae-Songs zu machen, ihn in Pathos zu tränken und dabei noch aus dem süß-klebrigen Umfeld sirupöser Dance-Synthies zu saugen, das führte im Zeichen der "Migrations-Krise" Patrice erfolgreich vor. Dessen Song "Bridges" platzte 2016 genau in die Asyldebatte. Dabei half ein symbolträchtiger Video-Clip zum Verständnis. Bei UCee fehlt ein passendes Video. Mit Good Will checkt man natürlich, was UCee möchte: mehr Zusammenhalt, weniger Spaltung, weniger Diskriminierung. Brücken zu bauen sei besser als Mauern zu bauen, weiß der PR-Text, und auf diesem Level bewegen sich auch die ersten drei Texte. Dennoch lässt sich, hat man einmal "Play" gedrückt, vieles fühlen. Denn die unbeholfenen Vorträge wirken sehr tatsächlich, 'authentisch' so empfunden.

Danach gewinnt das Album an Konturen. Der Oldschool-Fan sampelt und benutzt Soul, ohne nur zu sampeln. UCee fügt den alten Supremes-Hit "My World Is Empty Without You" in einen neuen Rahmen ein ("My World Is Empty"). Nicht nur soulful, sondern regelrecht nach 'Urban' Music tönt "She Lies": eine Überlagerung aus bassigem Dub, Rocksteady-Rhythmus, Digital Dancehall, Neo-Soul-Vocals, Soundeffekten und akustischem Schlagzeug. Da leidet ein Mann unter einer Frau, die nie Zeit hat, "always on the run and busy", und nur an Status-Symbolen interessiert ist. Als Vorab-Singles wählte UCee die beiden eingangs erwähnten harten Titel "Mrs Clean" und "All Night". Beiden kann man starke Tanzbarkeit und schnelle Ohrwurmwirkung attestieren. Beide nutzen sich zwar auch rasch ab, zählen aber ganz sicher zum Besten im europäischen Dancehall-Umfeld unserer Tage.

Dafür platziert UCee gegen Ende ein regelrechtes Meisterwerk. Wer sowohl Roots Music als auch alten Hip Hop liebt, kann in "The Bomb feat. The Gideon" mit einem Freudensprung eintauchen. Ungewöhnlich gute Samples treffen hier in einer angenehmen mellow-Stimmung mit einem flüssigen Beat-Verlauf zusammen. Acid-Jazz und die bassgeerdete und Funk-gefederte Leichtigkeit von Stetsasonic oder People Under The Stairs treiben den Titel voran, und dann folgen die Referenzen: Gregory Isaacs, Marley, Tosh, Wailer, James Brown, Kenny G, Heavy D, Tupac und Sugar Minott. Was diese Liste lehrt: wir könnten oder sollten sogar Offbeat als Ganzes fühlen.

Diese Platte baut vorbildliche Bögen von hart bis zart, Raggamuffin bis Soul-Reggae. Die Sounds und Lyrics dehnen sich auf überdurchschnittlicher Bandbreite, misst man sie an heimischen Reggae-Verhältnissen. Doch einige der aktuellen jamaikanischen Roots-Vorreiter wie Jesse Royal, Kabaka, Jr Gong oder Protoje orientieren sich ohnehin am Hip Hop. Warum nicht also dort hin die Brücken bauen? Statt sich als Teil der Reggae-Szene abzugrenzen, knüpft der Künstler die Verbindung zu dem, woraus Reggae und Rap sich in den 70er Jahren beide bereits bedienten, und das waren nun einmal Soul Classics.

Trackliste

  1. 1. Send A Prayer
  2. 2. Bridges
  3. 3. Change Will Come
  4. 4. My World Is Empty
  5. 5. I Don't Care
  6. 6. Baby Tonight
  7. 7. Don't Worry
  8. 8. Girl You Shouldn't Do That
  9. 9. She Lies
  10. 10. Mrs Clean
  11. 11. The Bomb feat. The Gideon
  12. 12. All Night

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