laut.de-Kritik

Saturday Night Fever 2.0!

Review von

"Giganten" ... Was für ein Film! Leinwand-Ornament James Dean, der als armseliger Tagelöhner Jett Rink mit der Winchester im Nacken im texanischen Wüstensand herum buddelt und völlig unerwartet auf eine Ölquelle stößt, die ihn mit einen Schlag zum Multimillionär und vom Sympath zum Wüstling mutieren lässt. So ähnlich kam ich mir vor, als ich im Sommer 2006 (!) ein Posting in einem meiner Lieblingsblogs Popnutten entdeckte, wo es um vorliegende Band ging.

Kurz vor der US-Veröffentlichung der Platte wurde auch hierzulande bereits die Kunde von jenem jungen und frischen Sound verbreitet, MySpace & Co. sei Dank. Und frisch vom Blog direkt in die Redaktion. Zunächst konnte sich allerdings nur Kollege Schuh öffentlich für die Neuentdeckung begeistern und spöttelte über mich als neues A&R-Talent. Und heute, ziemlich genau ein Jahr später, dreht Dauer-Praktikantenmaskottchen Dobler total am Rad, wenn er auch nur das Kürzel UTIOG hört oder liest. Ich zitiere: "Die groovigste Popplatte seit Zoot Womans 2003er Release!".

Andere weissagen: "Platte des Jahres 2007!". Äh, 2007? Sei's drum, so hat das Album wenigstens dieses Jahr nochmals die Chance zum Sommerhit für ein breiteres Publikum. Wieso das Schnarchlabel Universal dieses Pferd erst jetzt ins Rennen bringt, bleibt rätselhaft. Apropos Pferd: Mir geht dieses Bild nicht aus dem Kopf, wie Bianca Jagger leicht beschürzt auf einem weißen Hengst ins Studio 54 einreitet, während an den Cocktailtischen Truman Capote und Andy Warhol vor Schreck ihre zu Röhrchen gerollten Dollarnoten in den Nasen verschlucken.

Das muss irgendwann in den 70er Jahren gewesen sein. Und genau so fühlt man sich beim Einsetzen des Refrains von "Ah Ha". Da möchte man die Faust gen Himmel recken und ehrfürchtig das Haupt neigen vor solch verzauberndem Groove. Als wenn eine Discokugel mitten im Raum explodiert und ihre zu tausenden Splittern geborstenen winzigen Spiegel durch die glitzernd erleuchtete Luft wirbelt. Und dieser Raum kann nur einem Zweck dienen: dem ungezügelten Tanzdrang!

Aus dem Drang wird Zwang, wenn die stampfende Bass-Drum von "In The Clouds" den Boden erzittern lässt. Das sind wahrlich keine Reinhard Mey'schen Wolken, die man dort durchschwebt. Es sind eher die Dämpfe aus einer Nebelmaschine, die verschwitzte Leiber mit ihren bunt beleuchteten Schwaden benetzen. Und wem beim Überhit "Mama's Room" nicht die Adrenalinpumpe im roten Bereich dreht, der ist entweder groove-impotent oder Ressortleiter Kultur in einem großen deutschen Online-Nachrichtenmagazin. Das ist Saturday Night Fever 2.0! Das ist Nu Disco in Vollendung! Sogar Travolta würde sich dafür 30 Kilo runterhungern, nur um wieder in seinen weißen Schlaghosenanzug zu passen.

Ja, die vier Jungs aus L.A. stehen definitiv unter dem Einfluss von Giganten - den Giganten des Pop-Olymp. Und nein (!), es sind nicht die unsäglichen Scissor Sisters, die hier Pate weder für den einprägsamen Bandnamen, noch für sonstige musikalische Ausrichtungen oder Referenzen stehen. Denn die sind keine Giganten, bestenfalls Travestie-Punks oder Neo-Glamrocker und sie berufen sich nur auf dieselben Vorbilder.

Die Giants bedienen sich just der Techniken des klassischen Disco-Pop, so wie es vor ihnen auch schon etliche getan haben und heute eben unzählige für sich wiederentdecken. Es ist aber nur der Einfluss, der als Vorlage und Inspiration neue Richtungen eines Genres entstehen lässt und eben nicht die reine unreflektierte Kopie.

Da hätten wir Sänger Aaron Bruno, der vordergründig in den Strophen ein rockiges Organ mit scharfen Kanten vorweisen kann und in den Refrains gerne auf cheesy Falsett umschaltet. Er orientiert sich damit streng an Vordenkern wie den Bee Gees, Prince oder George Michael. Zusammen mit seinen drei Bandkollegen bildet er den mehrstimmigen Backgroundgesang im Stile des späten Doo Wop.

Und David Amezcuca am Bass, der so etwas wie der bärtige Björn Borg am 4-Saiter ist. Seine Stärken beschränken sich nicht allein auf das Einzelspiel. Er macht gleichsam zusammen mit Drew Stewart an der Gitarre oder im gemischten Doppel mit einem Synthie-Bass eine extrem sexy Figur. Da hört man den 80er Funk von Kool & The Gang heraus, aber auch die hedonistischen Discotunes von Roxy Music oder die funky Streicherarrangements à la Electric Light Orchestra.

Dazu die kinky Lyrics von Aaron Bruno, die das Ganze mit anzüglichen Metaphern auskleiden und doch nie in schwülstige Plattitüden abdriften, immer aber mit einem Schuss Selbstironie gepfeffert sind. Diese so entstandene Aneinanderreihung von Hits ist schwer zu toppen. Zu wünschen wäre für die Zukunft, dass sich vielleicht ein Brian Eno oder ein Mirwais der Jungs annimmt und sie bei den Aufnahmen zum nächsten Release im Studio an der Hand nimmt.

Trackliste

  1. 1. Ah Ha
  2. 2. Got Nothing
  3. 3. In the Clouds
  4. 4. Stay Illogical
  5. 5. Mama's Room
  6. 6. Heaven Is Full
  7. 7. I Love You
  8. 8. Against All Odds
  9. 9. Lay Me Down
  10. 10. Faces
  11. 11. Meaningless Love

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